Der Westernstar wird 70 Jahre alt. Und muss, nicht zum ersten Mal, wieder ganz von vorne anfangen.
Von allen amerikanischen Schauspielern ist Kevin Costner der amerikanischste. Wenigen stehen der breitkrempige Stetson und der hängende Schnauzbart so gut wie ihm. Der Kalifornier ist ein Yankee aus dem Bilderbuch. Einer, der die Ärmel hochkrempelt, eine ehrliche Haut.
Kevin Costner, könnte man sagen, ist der Bruce Springsteen des Films. Wobei Springsteen eher ein Asphalt-Cowboy ist und Costner mehr der klassische Rinderhirt.
Seine grosse Liebe ist der Western. «Dances with Wolves» hat ihn zur Genre-Ikone gemacht. Diverse Baseball-Filme prägte er zwar auch, allen voran «Field of Dreams». Doch noch im Infield des Stadions sieht er aus, als stünde er inmitten der Prärie. Vor dem inneren Auge bleibt der Mann stets im Western verhaftet. Costner könnte ein Rind spielen und man würde im Vieh den Cowboy sehen.
Oder sagen wir so: Wenn er in einem Softsex-Klamauk die Frauenphantasie verkörpert, dann als Stallbursche. So nämlich hat er seine Karriere begonnen: In «Sizzle Beach, U.S.A.» (1974), auch bekannt als «Malibu Hot Summer», spielt er einen jungen Mann, der den Girls Reitunterricht gibt.
Das Ersparte ging ins Regiedebüt
Fast wäre es seine einzige Rolle geblieben. Costner, keine zwanzig Jahre alt, war von den Dreharbeiten an dem Schund so angewidert, dass er die Schauspielerei gleich wieder aufgeben wollte.
Doch spätestens ab Mitte der achtziger Jahre und seit «The Untouchables», wo er als Agent der Prohibitionsbehörde mit Integrität und Fedora gegen das organisierte Verbrecher kämpft, konnte er sich die Stoffe aussuchen. Und er entschied sich gegen die Rolle des Jack Ryan im sicheren Hit «The Hunt for Red October» – obwohl man ihm mehr Geld geben wollte, als er nach eigener Aussage «je gesehen hatte». Er verfolgte andere Pläne. Er steckte sein Erspartes ins Regiedebüt: «Dances with Wolves». Eine Wette, die sich ausbezahlte.
Sieben Oscars gewann der Film, Kevin Costner hatte den Jackpot geknackt. Und gambelte danach erst recht. Er produzierte das Epos «Waterworld» – das prompt Schiffbruch erlitt. Dann, wie zum Trotz, stemmte er mit «The Postman» eine noch grössere postapokalyptische Kiste. Und hinterliess einen noch grösseren Scherbenhaufen. In Hollywood hatte man genug von ihm, Costner galt viele Jahre als Kassengift.
Erst mit der Neowestern-Serie «Yellowstone» gelang ihm 2018 ein furioses Comeback. Als griesgrämiger Grossgrundbesitzer John Dutton war er in seinem Element. Vor zwei Jahren gewann er für die Rolle einen Golden Globe. Im grossen Stil hatte er abgeräumt. Er muss sich gefühlt haben wie damals, nach «Dances with Wolves». Und wie damals erhöhte er sogleich den Einsatz.
Der Traum vom ultimativen Grosswestern
Statt bequem im Sattel zu sitzen, stieg er bei «Yellowstone» aus. Für das Finale der fünften Staffel meldete er sich ab, um sich stattdessen mit einem ultimativen Grosswestern zu verewigen: «Horizon», ein Langstrecken-Kinofilm, der die Eroberung des Wilden Westens nachzeichnet, in vier abendfüllenden Teilen («mindestens»). 38 Millionen Dollar steuerte Costner aus eigener Tasche bei. Wobei er allenfalls noch nachlegen muss.
Denn der erste Teil, ein vor Westernklischees nur so strotzender, seltsam aus der Zeit gefallener Cowboys-und-Indianer-Film, fiel vergangenes Jahr bei der Premiere in Cannes hochkant durch. Dort, wo der Popcorn-Western überhaupt in die Kinos kam, spielte er nur Peanuts ein. Die Kinoveröffentlichung des zweiten Teils wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Doch an «Horizon» 3 und 4 werkelt Costner unverdrossen weiter. Auch mit 70 Jahren bleibt sich der Cowboy treu. Kevin Costner kann noch so oft vom Pferd fallen. Er steigt immer wieder auf.