Erstmals hat sich Heinrich XIII. Prinz Reuss vor Gericht eingelassen, einer der mutmasslichen Rädelsführer eines angeblich geplanten Umsturzversuchs in Deutschland. Beim Angeklagten flossen Tränen.

Für Heinrich XIII. Prinz Reuss hat der Verhandlungstag vor dem Staatsschutzsenat des Frankfurter Oberlandesgerichts am Freitag sehr emotional begonnen – und so ging es dann auch in den folgenden knapp drei Stunden weiter. Das Gericht hatte es gestattet, dass er noch vor Verhandlungsbeginn seine im Zuschauerraum befindliche behinderte Tochter begrüssen darf – jedoch nur durch eine dicke Wand aus Sicherheitsglas, die den Gerichtssaal vom Zuschauerraum trennt. Schon hier flossen bei einem der Hauptangeklagten des sogenannten Reichsbürger-Prozesses die Tränen. Es sollten nicht die letzten sein.

Staatsanwaltschaft sieht Reuss als einen Rädelsführer

In Frankfurt wird gegen Prinz Reuss und neun weitere Angeklagte verhandelt, denen die Generalbundesanwaltschaft die Mitgliedschaft oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung zur Last legt. Die Beschuldigten sollen einen Umsturz in Deutschland geplant haben, wobei sie auch Tote in Kauf genommen hätten. Jeweils ein weiterer Prozess läuft in Stuttgart und München gegen den mutmasslichen «militärischen Arm» der Gruppe sowie weitere mutmassliche Mittäter.

Gut einen Monat nach Prozessbeginn äusserte sich nun erstmals Prinz Reuss, jedoch nicht zur Sache, sondern nur zu seinem Werdegang und seinen persönlichen Verhältnissen. Reuss war laut Staatsanwaltschaft zusammen mit Rüdiger von Pescatore einer von zwei Rädelsführern der gut zwei Dutzend Angeklagten in den drei laufenden Verfahren. Beide sitzen derzeit in der Justizvollzugsanstalt Frankfurt am Main I ein.

Während der Verlesung seiner Einlassung war der 72-Jährige sichtlich angefasst und musste sich mehrfach sammeln. Im Vergleich mit Bildern von seiner Festnahme wirkte Prinz Reuss sichtlich abgemagert und gealtert. Während seiner Ausführungen beteuerte er, «natürlich Gewalt abzulehnen», auch wenn ihm das in der Anklage unterstellt werde.

Kauf von Jagdschloss Waidmannsheil in Thüringen

Zuvor hatte er geschildert, dass seine Eltern während des Zweiten Weltkrieges vor der russischen Armee aus der Heimat in Thüringen nach Hessen geflüchtet waren, wobei die Tiere aus einer Shetland-Pony-Zucht der Familie eine grosse Hilfe gewesen seien. Reuss wurde als fünftes von sechs Kindern schliesslich 1951 in Büdingen geboren. Die Vertreibung hat laut seinen Einlassungen in der Familie immer eine grosse Rolle gespielt. So wollte Prinz Reuss wohl auch herleiten, dass er «Krieg und die damit einhergehende Gewalt ablehne».

Ein Grossteil seiner Ausführungen betraf Zeiten, die Jahrzehnte zurückliegen. Zu den vergangenen fünf Jahren gab es kaum Stellungnahmen. Am Ende betonte Prinz Reuss jedoch, dass er kurz vor seiner Festnahme entschieden habe, von Frankfurt wieder zurück nach Thüringen zu ziehen. Dort besitzt er das einstige Familienanwesen Schloss Waidmannsheil, das er Anfang des Jahrhunderts mit einem hundertprozentigen Bankkredit gekauft habe. Immer wieder stockte ihm die Stimme. Mehrfach entschuldigte er sich dafür beim Gericht und sagte, sein Zustand sei labil, er könne nicht sagen, was mit ihm los sei.

Reuss betonte, nicht mit einem goldenen Löffel geboren worden zu sein, was ihm offenbar in seiner Jugend vielfach aufgrund seines Adelstitels unterstellt worden ist. Seine Bekleidung habe meist von den älteren Geschwistern gestammt. Reuss beendete die Schule mit der Fachhochschulreife, hatte ein Faible für die Reparatur von Pony-Kutschen und Motorfahrzeugen, beendete ein Studium der Fahrzeugtechnik in Hamburg und brach ein weiteres der BWL in München ab. Bei der Bundeswehr sei er ausgemustert worden, unter anderem wegen der Folgen eines schweren Verkehrsunfalls, bei dem eine Beinamputation aufgrund einer Sepsis gedroht habe.

Reuss weist Nähe zum Nationalsozialismus von sich

Ein weiterer schwerer Motorradunfall, seine Heirat, die Geburt einer Tochter mit Trisomie 21 und eines Sohnes, Streitigkeiten in der Familiendynastie sowie der Kampf um Eigentumsansprüche in Ostdeutschland nach dem Mauerfall waren weitere Schwerpunkte seiner Einlassungen. Eine Nähe zum Nationalsozialismus, die ihm von den Medien unterstellt werde, vermutlich um die Verkaufszahlen zu erhöhen, wies er von sich.

Am Ende des Prozesstages durfte er sich abermals durch die Glaswand von seiner Tochter verabschieden. Am kommenden Dienstag will der Angeklagte Fragen des Gerichts zu seinen Einlassungen beantworten.

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