Mittwoch, November 27

Israel und der Hizbullah wollen 60 Tage lang die Waffen ruhen lassen. Der amerikanische Präsident Joe Biden pocht nun auch auf Frieden im Gazastreifen. Die amerikanischen Medien sind zwiegespalten.

Seit heute Morgen um 4 Uhr ruhen erstmals die Waffen nach über einem Jahr Krieg zwischen Israel und dem Hizbullah. Im Morgengrauen kehrten Bewohner des Südens von Libanon zahlreich in ihre Heimat zurück. Laut der Nachrichtenagentur Reuters haben sich lange Schlangen von vollgepackten Autos gebildet.

Israels Sicherheitskabinett hatte am Dienstagabend einem Waffenstillstand mit dem Hizbullah in Libanon zugestimmt. Noch am Dienstag bombardierte die israelische Armee ein vorerst letztes Mal Ziele in Beirut. Es war einer der massivsten Angriffe auf die libanesische Hauptstadt.

Am Dienstagabend präsentierte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu in einer Erklärung der Öffentlichkeit das Abkommen als Erfolg. Gleichzeitig mahnte er: «Wenn der Hizbullah das Abkommen bricht, werden wir angreifen.» Vom Hizbullah gab es noch keine Stellungnahme zu der Feuerpause. Iran, Unterstützer der Schiitenmiliz, begrüsste die Vereinbarung hingegen.

Auch der Irak, Jordanien und Ägypten äusserten sich positiv zum Waffenstillstand. In Europa zeigten sich die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in Statements erfreut. Die Schweiz begrüsst die angekündigte Vereinbarung ebenfalls, wie das Aussendepartement (EDA) auf dem Kurznachrichtendienst X mitteilte.

Biden spricht von Neuanfang, Macron sieht Chancen

Der Waffenstillstand war von den USA und Frankreich vermittelt worden. Vor allem die USA drängten seit Wochen auf eine Waffenruhe zwischen dem Hizbullah und Israel. Der amerikanische Präsident Joe Biden sprach in einer Ansprache in Washington von einem «Neuanfang» für Libanon. Israel werde in den kommenden 60 Tagen seine verbleibenden Streitkräfte aus dem Nachbarland abziehen. Der Hizbullah ziehe seine Kämpfer hinter den Litani-Fluss etwa 30 Kilometer nördlich der israelisch-libanesischen Grenze zurück.

In einer gemeinsamen Erklärung kündigte Biden zusammen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron an, die beiden Länder würden mit Libanon und Israel zusammenarbeiten, damit die Vereinbarung vollständig umgesetzt werde. Macron bezeichnete den Waffenstillstand als «Chance für Libanon». Das Abkommen biete für das Land die Möglichkeit einer dauerhaften Stabilisierung, sagte er in einem Video auf dem Kurznachrichtendienst X.

Der libanesische Ministerpräsident Najib Mikati dankte Frankreich und den USA für ihre Vermittlerrolle und sprach von einem «grundlegenden Schritt» in Richtung regionaler Stabilität.

Waffenpause eine Krönung für Biden?

In den USA sind die Medien zwiegespalten. Die «New York Times» schreibt, dass Präsident Biden «endlich seinen Friedensvertrag» bekommen habe. Das Abkommen sei zwar nicht das, worauf Biden hingearbeitet habe, aber dennoch ein Durchbruch in den Friedensbemühungen im Nahen Osten. «Nach den bitteren US-Präsidentschaftswahlen ist es für Joe Biden und die Demokraten auch ein süsser Moment der Bestätigung.»

Die Frage sei nun, ob der Waffenstillstand die Krönung von Bidens diplomatischen Bemühungen im Nahen Osten sei oder ob die Feuerpause ein Sprungbrett für weitreichende Vereinbarungen sein könnte – beispielsweise für ein Ende des verheerenden Krieges im Gazastreifen. Ein solches strebt Biden in seiner verbleibenden Amtszeit an.

Der amerikanische Präsident sagte während seiner Rede im Weissen Haus, dass die Vereinbarung zeige, dass Frieden im Nahen Osten möglich sei. «Solange dies der Fall ist, werde ich nicht aufhören, daran zu arbeiten, diesen Frieden zu erreichen.» Doch ihm bleiben lediglich 55 Tage im Amt als US-Präsident.

Trump-Team wurde über das Abkommen informiert

Die Zeitung schreibt weiter, dass Biden gegen die «Uhr der Geschichte» kämpfe. «Er möchte lieber als Präsident in Erinnerung bleiben, der den Nahen Osten auf den Weg zu einer dauerhaften Beilegung eines langjährigen Krieges gebracht hat, als einer, der seinem Nachfolger ein Chaos überlassen hat.»

Auch das Team des designierten Präsidenten Donald Trump sei über das Abkommen informiert worden. In dessen Amtszeit, die am 20. Januar 2025 beginnen wird, fällt das Ende der 60-Tage-Frist des ausgehandelten Abkommens. Trump und sein Team würden die Pläne unterstützen, zitiert die Zeitung einen hochrangigen Regierungsbeamten.

Die «Washington Post» nennt den Waffenstillstand einen «entscheidenden Erfolg» für Biden. Da ihm weniger als zwei Monate im Amt blieben, versuche er aus dem Waffenstillstand nun Kapital zu schlagen. «Joe Biden drängt auf ein Ende des Krieges im Gazastreifen und unternimmt einen letzten Vorstoss für ein umfassendes Friedensabkommen im Nahen Osten.»

Doch obwohl sich Biden optimistisch hinsichtlich eines Waffenstillstandes zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen zeige, sei ein solches Abkommen in weiter Ferne. Schuld daran trage auch Biden. Er habe es abgelehnt, die Lieferung von Angriffswaffen an Bedingungen zu knüpfen oder einzustellen. So habe es seine Regierung verpasst, trotz weltweiter Kritik, ihr grösstes Druckmittel gegen Israel einzusetzen, um dessen Armee zu zwingen, die Zahl der zivilen Opfer in Gaza zu begrenzen oder den Krieg zu beenden.

Die Zeitung schlussfolgert: «Es ist viel wahrscheinlicher, dass Biden seine Amtszeit beendet, ohne eine der grössten aussenpolitischen Krisen seiner Präsidentschaft gelöst zu haben.»

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