Das Gipfeltreffen auf dem Bürgenstock hat den Frieden nicht vorangebracht. Die Veranstalter und Teilnehmer versuchen das schönzureden, aber wichtiger wäre etwas Realismus.

Ob der «Gipfel zum Frieden» hoch über dem Vierwaldstättersee ein Erfolg war oder nicht, kann man nach verschiedenen Massstäben beurteilen. Einfach ist das Fazit für die Schweiz als Gastgeberin: Sie hat sich als Plattform für diplomatische Grossanlässe bewährt und damit international in ein günstiges Licht gebracht. Bern lud ein, und 92 Staaten – fast die Hälfte der Staatenwelt – schickten Vertreter. Das schafft nicht jedes Land. Die Logistik klappte, gefährliche Zwischenfälle blieben aus, offener Streit zwischen den Delegationen konnte vermieden werden. Das alles spricht für einen organisatorischen Erfolg.

Anders sieht die Antwort mit Blick auf die politische Substanz aus. Zwar hatte niemand einen grossen Schritt in Richtung Frieden erwartet, zumal die politischen und militärischen Voraussetzungen dafür gar nicht gegeben sind. Aber solche Treffen haben zumindest das Potenzial, eine gewisse Signalwirkung zu entfalten. Auf dem Bürgenstock ist das nicht gelungen. Es gibt keinerlei neue, konsensfähige Modelle dafür, wie ein Frieden zu erreichen wäre.

Vage und einfallslos ist in der Schlusserklärung die Rede davon, dass Russland einbezogen werden sollte. Aber der starke Mann in Moskau, Wladimir Putin, hat unmittelbar vor dem Gipfel bereits die Antwort darauf geliefert: Er will nur verhandeln, wenn die Ukraine vorher faktisch kapituliert und grosse Gebiete im Südosten des Landes kampflos räumt.

Der Frieden macht keinen messbaren Fortschritt

Politiker und Diplomaten sind geübt darin, solche Widersprüche zu übertünchen. Zur routinierten Schönfärberei gehört, angesichts dürftiger Ergebnisse zumindest einen «wichtigen ersten Schritt» in die richtige Richtung zu beschwören. Aber auf dem Bürgenstock ist kein «erster Schritt» erfolgt. Es war das fünfte Treffen im Rahmen der sogenannten ukrainischen Friedensformel, nun einfach erstmals auf Ebene der Staats- und Regierungschefs. Die Bürgenstock-Deklaration muss sich daher an früheren Anstrengungen messen lassen.

So fällt auf, dass das in der Schweiz verabschiedete Dokument hinter ältere internationale Beschlüsse zurückfällt. Im Februar 2023 hatten sich 141 Staaten hinter eine Resolution der Uno-Generalversammlung gestellt, die unter anderem einen sofortigen Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine verlangte. Nun sind es 80 unterzeichnende Staaten, die einen deutlich schwächer formulierten Text unterstützten.

Die damals gewählte Formulierung «Russlands Aggression gegen die Ukraine» beispielsweise fiel aus einem ursprünglichen Entwurf für die Bürgenstock-Deklaration heraus. Immerhin ist zu begrüssen, dass das Gipfeltreffen sich klar zur territorialen Integrität der Ukraine als Grundlage eines künftigen Friedens bekannte. Die toxische Forderung nach territorialen Kompromissen, nach einer Lösung gemäss dem Prinzip «Land gegen Frieden», hatte somit keine Chance.

Nicht erfüllt hat sich die Hoffnung, eine Reihe einflussreicher Schwellenländer an Bord holen zu können. Das Abseitsstehen von Brasilien, Südafrika und vor allem Indien, die nur niedrigrangige Delegationen schickten und die Abschlusserklärung ablehnten, ist ein schwerer Dämpfer. Auch das Fehlen des amerikanischen Präsidenten Joe Biden nahm der Veranstaltung viel vom erhofften Gewicht, mit der Folge, dass diverse Spitzenpolitiker ihre Anwesenheit auf wenige Stunden beschränkten.

Nur 56 Länder zeigten ein volles Engagement, indem sie mit ihrem Staats- oder Regierungschef teilnahmen. Wirft man einen näheren Blick auf diese Gruppe, so fällt auf, dass 40 davon zur westlich-demokratischen Welt zählen. Unter den übrigen 16 waren mit Ausnahme von Argentinien und Kenya keine politischen Schwergewichte. Bei der Friedenssuche dominiert somit ein westlicher Block, dem es schwerfällt, eine beeindruckende Zahl von Ländern Afrikas und Asiens mitzuziehen. Hier macht sich der negative Einfluss Chinas im Hintergrund deutlich bemerkbar.

Die Ukraine braucht greifbare Hilfe

Diese Art der Konferenzen-Diplomatie ist deshalb nicht der Königsweg in Richtung Frieden. Viel überzeugender ist es, die Ukraine militärisch und wirtschaftlich zu stärken, damit sie der russischen Aggression widerstehen kann und von Russland nicht einverleibt wird. Wem die Sicherheit Europas am Herzen liegt, der muss deshalb bedeutend mehr tun als bisher. Das gilt auch für die Schweiz. Es wäre ein Irrtum zu glauben, dass unser Land mit solch prestigeträchtiger Diplomatie seinen Teil geleistet hat und sich nun ausruhen kann.

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