Mittwoch, März 12

Der Tagesrapport aus Bern.

Erfahrene Politiker legen sich mit den Jahren ein Pokerface zu. Viola Amherd hat ihres in den letzten Wochen mehr und mehr abgelegt. Am Mittwoch kamen ihr sogar die Tränen. Nach der Würdigung durch Nationalratspräsidentin Maja Riniker setzte sie zum Dank an. «Es war mir eine Ehre, dem Land zu dienen», sagte sie auf Italienisch. Dann versagte ihr die Stimme. Da brach wohl die Anspannung der turbulenten Wochen und Monate im Verteidigungsdepartement (VBS) durch. In den Reihen der SVP sorgten die Tränen für Belustigung.

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Deutlich weniger Gefühle zeigten am Mittwoch sowohl der Gewinner als auch der Verlierer des Tages. Bereits im zweiten Wahlgang stand fest, dass der neue Mitte-Bundesrat Martin Pfister heisst. Der 61-jährige Zuger erreichte 134 Stimmen. Sein Konkurrent Markus Ritter aus dem Kanton St. Gallen kam auf 110 Stimmen.

Wie erwartet, kam es während der Wahl kaum zu taktischen Spielchen. Der Anspruch der Mitte war bei allen Parteien unbestritten, die Fraktionen hielten sich grossmehrheitlich ans offizielle Ticket. Nur 18 Stimmen gingen im ersten Wahlgang an Drittpersonen, weswegen Pfister das absolute Mehr knapp um eine Stimme verpasste und in die zweite Runde musste.

Woher die «Querschläger» kamen, ist nicht ganz klar. Die SP und die Grünen hatten ihre Fraktionen am Morgen noch darauf eingeschworen, Pfister bereits im ersten Wahlgang zu wählen. Damit wollten sie Markus Ritter verhindern, hiess es. Die Stimmen müssten daher auch aus den bürgerlichen Reihen gekommen sein. Nachprüfen lässt sich das aufgrund des Wahlgeheimnisses nicht. Parlamentarier entscheiden sich zuweilen im letzten Moment um, und bei Bundesratswahlen wird bekanntlich geschwindelt, was das Zeug hält.

Sicher ist: Martin Pfister hat am Ende auch dank namhafter Unterstützung aus der eigenen Partei und der FDP gewonnen. Am Anfang des Wahlkampfs war Markus Ritter aufgrund seiner Bekanntheit als Bauernpräsident und Nationalrat als Favorit gehandelt worden. Der Zuger Regierungsrat Martin Pfister hingegen war in Bern kaum bekannt.

Doch in den letzten Wochen zeichnete sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen ab, das Pfister nun überraschend deutlich für sich entschieden hat. Die Wahl wird daher nicht nur als Votum für Pfister, sondern auch als eines gegen Ritter interpretiert, der sich als machtbewusster Bauernlobbyist nicht nur Freunde gemacht hat.

Lange Gesichter sah man nach der Wahl vor allem bei der SVP. Die 74-köpfige Fraktion hatte im Vorfeld bekanntgegeben, grossmehrheitlich Markus Ritter zu unterstützen. Er steht der SVP nicht nur mit seiner konservativen Landwirtschaftspolitik, sondern auch aufgrund seiner protektionistischen aussenpolitischen Positionen näher. Ausserdem versprach er mit deutlichen Worten, im Verteidigungsdepartement aufzuräumen.

Die FDP hatte zwar auf eine Empfehlung verzichtet. Aber einige Freisinnige dürften Pfister auch aufgrund seiner Erfahrung als Vertreter eines Geberkantons im Finanzausgleich auf den Wahlzettel geschrieben haben. Ausserdem konnte Pfister offenbar bei den Hearings mit seiner militärischen Erfahrung und seinem Wissen als Oberst punkten, während Ritter zwar sehr selbstbewusst auftrat, sicherheitspolitisch aber nicht immer sattelfest war.

In seiner eigenen Partei hat sich Pfister mit seiner staatsmännischen Art gemäss Gesprächen mit Parteimitgliedern viel Unterstützung gesichert. So legte er im Wahlkampf einen Fokus auf den Kampf gegen die Polarisierung – ein Lieblingsthema der Mitte. Und er versprach, die Kollegialität im Bundesrat zu verteidigen.

Die Grünen nahmen Pfister den konzilianten Ton nicht ab. Zwar ist er ihnen lieber als Ritter. Dennoch werde der «rechtsbürgerliche Fünferblock» nun gefestigt, schrieb die Partei in einer Medienmitteilung. Dahinter steckt auch machtpolitisches Kalkül: Seit den Wählerverlusten im Oktober 2023 spielen die Grünen ihre Oppositionsrolle stärker aus, während sie gleichzeitig ihren Anspruch auf einen Bundesratssitz bei der nächsten Neubesetzung bekräftigen. «Wir werden alles daransetzen, dass Frauen, junge Generationen und ökologische Werte vertreten sind», kündigten sie an.

Die linken Parteien haben mehrfach kritisiert, dass nach dem Rücktritt Amherds neu nur noch zwei von sieben Regierungsmitgliedern weiblich sind. Die Mitte hatte es kaum geschafft, ein Zweierticket für die Wahl zu organisieren. Eine weibliche Anwärterin liess sich erst recht nicht finden. Dennoch hat die Gleichstellung eine Rolle gespielt: Pfister soll sich mit seiner bescheidenen Art unter Politikerinnen der FDP und der Mitte mehr Freundinnen gemacht haben als Ritter.

Nun hat Pfister zwei Wochen Zeit, um sich ins Amt einzufinden, bevor er am 1. April offiziell anfängt. Diesen Freitag wird der Bundesrat die Departemente verteilen, wie der Bundesratssprecher ankündigte. Die Verteilung läuft nach dem Anciennitätsprinzip ab. In den letzten Wochen gab es einige Stimmen, die sich einen erfahrenen Kopf wie Karin Keller-Sutter oder Albert Rösti als Verteidigungsminister wünschten.

Im VBS gibt es aufgrund der geopolitischen Lage, interner Probleme und angespannter Finanzen viel zu tun. Verteidigungspolitiker weisen seit Monaten darauf hin, dass die Sicherheit eine Aufgabe des Gesamtbundesrats sei. Es wäre allerdings eine riesige Überraschung, wenn eines der bisherigen Bundesratsmitglieder das Verteidigungsdepartement übernähme. Sehr wahrscheinlich wird es Martin Pfister zufallen.

Dieser dürfte inhaltlich die internationale Ausrichtung der Sicherheitspolitik von Viola Amherd weiterführen. Darauf weisen auch einige Aussagen an der Medienkonferenz am Mittwoch hin. Aufgrund der geopolitischen Verwerfungen sei «der Ruf nach einem geeinten Europa aktueller denn je», sagte Pfister. Die Interoperabilität mit der Nato sei von hoher Bedeutung. Es gehe nun auch darum, die Rolle der Schweiz in Europa neu zu definieren. Auch sonst signalisiert Pfister Offenheit gegenüber Europa. Er werde sich dafür einsetzen, dass der Bundesrat bei der Abstimmung über die Verträge mit der EU eine mehrheitsfähige Vorlage hinbekomme.

Die nächste Bundesratswahl dürfte nicht mehr so ruhig verlaufen. Schon länger wird spekuliert, dass Wirtschaftsminister Guy Parmelin (SVP) oder Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) als Nächste zurücktreten könnten. Bei der SVP ist der Anspruch auf zwei Sitze unbestritten. Bei einem frei werdenden FDP-Sitz aber haben nicht nur die Grünen, sondern auch die Mitte mehrfach angekündigt, allenfalls anzugreifen. Nach den vielen Absagen von Mitte-Kandidaten für die Nachfolge von Amherd stellt sich allerdings die Frage, ob die Partei dafür überhaupt genug motiviertes Personal hätte.

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