Dienstag, November 26

In der Serie «The Penguin» wird der Leinwand-Beau Colin Farrell zum impulsiven Gauner. Doch die neue HBO-Serie ist kaum mehr als eine Mafiaklamotte.

Man will ja nicht ins identitätspolitische Horn stossen, von wegen nur Schwule dürfen Schwule spielen und nur Behinderte Menschen mit Handicap. Aber hier drängt sich doch die Frage auf: Warum muss ausgerechnet Colin Farrell, ein Mann, der aussieht wie ein Best-Ager-Model von Boss, einen Typen verkörpern, der übergewichtig, verkrüppelt und hässlich ist?

Diese Besetzungslogik bewirtschaftet die Filmbranche schon lange. Charlize Theron, ein Ex-Model und die Markenbotschafterin von L’Oreal, spielte 2003 in «Monster» eine von Gewalt und Missbrauch zerstörte Killerin und sah so depraviert aus, dass alle entsetzt und begeistert waren zugleich.

In Fatih Akins Film «Der Goldene Handschuh» über den Hamburger Serienkiller Fritz Honka erschien der nach allgemeinen Massstäben sehr ansehnliche Darsteller Jonas Dassler mit der Physiognomie eines alkoholkranken Widerlings. In «The Whale» spielte Brendan Fraser, berühmt geworden als Dschungelbeau Tarzan, einen ultraadipösen Collegeprofessor, der sich vor lauter Selbst- und Lebensekel zu Tode frisst.

Pinguin ohne Impulskontrolle

Fatsuits, künstliche Narben, prothetische Karieszähne: Die kosmetische Anpassung von gemeinhin als schön geltenden Schauspielern und Schauspielerinnen spekuliert auf die intuitive Vorstellung des Zuschauers, dass das Schöne auch das Gute sei. Zudem bedient sie die Annahme, dass schöne Menschen, die pathologisch deformierte Charaktere spielen, die grössere Darstellungsleistung erbringen.

Die Idee, moralische Inhalte an die ästhetische Erscheinung zu koppeln, ist uralt, und dass die Bewusstseinsindustrien immer noch diesen platonischen Evergreen am Laufen halten, muss einen nicht wundern. Die hässlich verkleidete Schönheit garantiert erhöhte Aufmerksamkeit. Der mentale Abgleich von Darsteller und Dargestelltem stellt Schauwerte her.

Blendet man diesen quasi ideologischen Kniff einmal aus, erkennt man: «The Penguin» ist, HBO hin, Colin Farrell her, nur Dutzendware. New York, hier Gotham genannt, erscheint als verregneter Stadtmoloch. Die Leute sind arm und kriminell, die Mafia hat das Sagen. Oswald «Oz» Cobb, der mit seinem beschädigten Bein watschelt wie ein Pinguin (daher der Name), ist ein Mobster im Mittelbau des organisierten Verbrechens. Er besitzt einen Nachtklub, treibt Geld ein, verkauft Drogen – dem Beschäftigungsprofil des Gangsters wird hier nichts Neues hinzugefügt.

Weil der Pinguin eine Impulskontrollstörung hat, erschiesst er gleich zu Beginn den Sohn des kürzlich verstorbenen Mafia-Dons. Aufwärtsmobilität hat ihren Preis, und der Pinguin ist bereit, ihn in harter Währung (Mord, Intrigen) zu zahlen.

Damit das Szenario anschlussfähig bleibt für jüngere Zielgruppen, gibt es einen Sidekick: Victor, den lateinamerikanischen Jungen, den der Pinguin zum Gangster heranzieht. Das wirkt, je länger die Serie fortschreitet, aufgesetzt und herbeigeschrieben, auch wenn der Schauspieler Rhenzy Feliz seine Sache gut macht.

Die Vollzeitstelle ist bei Gothams brutalstem Gangster, der in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen ist, Segen und Fluch zugleich. Victor erweist sich als Auszubildender mit Talent, aber auch diese Konstellation ist von Hollywood bis zur Neige durchgespielt worden, am besten in «Donnie Brasco» (1997) mit Al Pacino als altem Mobsterhaudegen und Johnny Depp als seinem Novizen.

Amoralisches Monster mit Rehaugen

Die Gegenspielerin des Pinguins ist eine Frau – das wirkt wie von der Genderpolizei verordnet. Cristin Milioti, bekannt geworden mit der Sitcom «How I Met Your Mother», gibt die höhere Mafiatochter, sie will Rache für den ermordeten Bruder. Es können nicht nur hauptsächlich Zausel der Boomer-Generation auftreten, so vermutlich das Kalkül. Ein bisschen emanzipativ aufgeladene Hollywood-Attraktivität muss schon sein. Spekuliert wird dabei auf den Kontrast von Püppchen-Erscheinung und dezisionistischer Härte: Wenn Milioti in der Rolle der Sofia Falcone mit Rehaugen ihr Gegenüber fixiert und Drohungen flüstert, dann soll das angsteinflössend sein.

In der Hülle der schönen Frau nistet ein amoralisches Monster. Auch das ist Teil jener Regieroutine, die sich plumpe Kontraste als artistische Innovation schönschminkt. Wirklich verstörend, ergreifend und abgründig wird weibliche Leinwandbosheit allerdings erst, wenn diese Holzschnitt-Dialektik aufgebrochen wird. Grosse Serienschurkinnen wie Lena Headey als rachsüchtige Diktatorin in «Game of Thrones» oder Vera Farmiga als Norma Bates in «Bates Motel», der Serienadaption von Alfred Hitchcocks «Psycho», halten Härte und Feingefühl, Derbheit und Noblesse in der Schwebe. Nur so entsteht Faszination über ein, zwei Folgen hinaus.

Ja, aber es ist doch eine Comicwelt, die in «The Penguin» bebildert wird, die muss doch greller und plakativer sein, was die Figuration und ihre innere Ausstattung angeht. Das kann man so sehen, aber dann wird man die feinen Charakterschattierungen, die uns Filme wie «Joker» und «The Batman» beschert haben, ausblenden müssen. Doch wo selbst Killerclowns mit Ambivalenz glänzen, hat ein Serienbösewicht mehr zu sein als ein humpelnder Gauner im Fatsuit.

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