Mittwoch, November 27

Dieses Wochenende heiratet der Spross des indischen Milliardärs Mukesh Ambani. Das Schaulaufen von Stars, Wirtschaftsvertretern und Politikern wirft auch soziale Fragen auf.

Prominente wie Kim Kardashian oder der britische Ex-Premierminister Boris Johnson reisen dieses Wochenende ins westindische Mumbai, um an der Hochzeit des Jahres teilzunehmen. Die Feier von Freitag bis Sonntag markiert den Höhepunkt einer monatelangen Veranstaltungsreihe: der luxuriösen Vermählung von Anant Ambani und Radhika Merchant.

Das indische Brautpaar, 29 Jahre alt, stammt aus extrem wohlhabenden Familien: Merchant ist die Tochter eines Pharma-Milliardärs. Anant kommt aus der reichsten Familie Asiens.

Bereits im März waren Tech-Magnaten wie Bill Gates, Mark Zuckerberg Sundar Pichai und Ivanka Trump zu Feierlichkeiten im Rahmen der Hochzeit geladen worden. Nun wird es erneut ein Schaulaufen von Stars, Wirtschaftsgrössen und Politikern, das die Macht und den Reichtum der indischen Elite zur Schau stellt.

Wer in Indien Geld hat, kann das auch zeigen

Der immense Reichtum der Ambanis geht auf Vater Mukesh Ambani und den Mischkonzern Reliance Industries zurück, ein Konglomerat mit Interessen in Petrochemie, Raffinerie, Öl, Telekommunikation und Einzelhandel. «Forbes» schätzt das Vermögen des 67-Jährigen, der auf Platz neun der reichsten Menschen weltweit steht, auf 110 Milliarden Franken. Und wer Geld in Indien hat, kann das auch zeigen.

In Mumbais schickem Büroviertel Bandra Kurla Complex (BKC), wo die Hochzeitszeremonie auf dem Gelände des eigenen Konferenzzentrums stattfindet, wird seit Tagen bis ins Detail geplant. Der Verkehr ist umgeleitet, um den Zustrom der prominenten Gäste zu bewältigen. Nicht umsonst sind die Ambanis für ihre Extravaganz bekannt: Ihr Portfolio umfasst das berüchtigte Privathaus Antilia, eine millionenschwere Schweizer Uhrensammlung, ein eigenes Theater- und Kulturzentrum sowie das einflussreiche Cricket-Team Mumbai Indians.

Der Pop-Sänger Justin Bieber trat bereits vergangenen Freitag auf einer der Vorfeiern auf, für eine Gage von schätzungsweise 9 Millionen Franken. Weitere musikalische Highlights sollen nun der Rapper Drake und Sängerinnen wie Lana Del Rey und Adele bieten. Die Gästeliste ist lang.

Der indische Premierminister Narendra Modi, der wie die Familie Ambani seine Wurzeln im westindischen Gliedstaat Gujarat hat, wird mit weiteren führenden Politikern erwartet.

Solch eine Hochzeit spiegelt jedoch auch die Disparität in Indien wider. Nur zwei Kilometer vom Hochzeitsgeschehen in BKC entfernt befindet sich ein Slum, in dem eine halbe Million Menschen leben. In der Metropole Mumbai gehören diese harten Kontraste zur Realität. Die grossen indischen Hochzeiten sind zu einem Klischee geworden, das von der Bollywoodfilm-Kultur geprägt wurde – und das viele Wohlhabende idealisieren und nachahmen.

Wer dachte, nach der Pandemie sei die Zeit der opulenten Feierlichkeiten vorbei, lag in Indien falsch. Das verkörpern die Ambanis eindrucksvoll, die im vergangenen Jahr eine Luxus-Shoppingmall, die Jio World Plaza, eröffneten, die an das Hochzeitsgelände anschliesst.

Der Druck auf die Familien der Bräute wächst

In den sozialen Netzwerken mischen sich Tanzvideos, Lob für die Garderobe und Aufnahmen von Wohltätigkeitsveranstaltungen wie einer Essensausgabe, die die Ambani-Familie organisiert hat, mit Scherzen darüber, wann die Hochzeit denn nun zu Ende sei (das wird sie wohl am Sonntag).

Tagelange Hochzeiten sind in einigen Teilen und Gesellschaften Indiens keine Seltenheit, aber diese Feierlichkeiten übersteigen alles bisher Dagewesene. Sie sind wahrscheinlich die teuersten, die Indien je gesehen hat. Und können Familien in manchen Fällen vielleicht sogar mehr kosten, als Geld vorhanden ist.

Die indische Sozialwissenschafterin Khushboo Jain weist darauf hin, dass die Extravaganz der Ambani-Hochzeit Anlass zur Sorge gebe. Abgesehen von der Frage der Ungleichheit hätten solche Hochzeiten erhebliche Auswirkungen auf das Problem der Mitgift in Indien. «Die Nachahmung solch verschwenderischer Veranstaltungen übt einen enormen Druck auf die Familie der Braut aus, auch wenn das als persönliche Entscheidung maskiert wird und nicht einmal als Problem erkannt wird», sagt sie.

Schon für Tochter Isha Ambani, 32 Jahre alt, hat die Familie vor sechs Jahren viel Aufwand betrieben: Die Sängerin Beyoncé wurde eingeflogen und die mit umgerechnet rund 100 Millionen Franken bis dahin wohl prunkvollste Hochzeit des Landes gefeiert. Für dieses Jahr werden dreimal so hohe Ausgaben erwartet.

Der reichste Mann Asiens und mächtigste Wirtschaftsmagnat Indiens erinnere gerne an seine Stellung, sagt James Crabtree gegenüber der NZZ. Er ist Autor des Buches «The Billionaire Raj» über Indiens Superreiche. «Diese Hochzeit ist mehr als eine Feier», sagt Crabtree. «Sie ist eine Demonstration wirtschaftlicher Macht in einem Land, in dem die Zahl der Milliardäre weiter steigt und in dem der politische Einfluss der Ambani-Familie mit ihr wächst.»

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