Samstag, September 6

Daniel Ganzfried schickt in seinem Roman «Erich» den Titelhelden auf eine lange Autofahrt in den Süden Spaniens. Widerwillig nimmt er dort an einer Wallfahrt teil und erlebt eine kleine Erweckung.

Ein Mann ist unterwegs, mit einem überdimensionierten, sündteuren Pferdecaravan. Das wiederum verheisst seiner Ehefrau Céline nichts Gutes. Denn Erich, so heisst der Protagonist in Daniel Ganzfrieds gleichnamigem neuen Roman, ist wild entschlossen, Céline, einer begeisterten Reiterin, ein Geburtstagsgeschenk zu machen. Das Problem: Sie will den edlen Schimmel namens Churro partout nicht haben.

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Eine stattliche Anzahlung von fünftausend Euro hat Erich schon geleistet. Nun macht er sich ohne Célines Wissen nach Südfrankreich auf, um das edle Tier von einem Gestüt abzuholen.

Aus der sorgsam geplanten Überraschung wird jedoch nichts, denn noch ehe er sein Ziel erreicht, teilt ihm seine Frau am Telefon mit, dass sie Abstand brauche. Sie macht es unmissverständlich klar: «Lass mich einfach in Ruhe!» Seit längerem, so stellt sich heraus, hat Cécile von ihrem Mann die Nase voll. Er ist bei ihrem Vater, einem reichen Privatbankier, angestellt und hat nur Zahlen im Kopf. Sie spottet über diese schnöden Praktiken der Geldanhäufung und widmet sich stattdessen einem Schulprojekt in Kalkutta. Ausserdem scheint sie sich einem anderen Mann zuzuwenden.

Auf dem Weg zu sich selbst

Erich kann und will Célines plötzliche Abkehr nicht begreifen, setzt auf ihre Einsicht und lässt sich auf der Autobahn weitertreiben, bis er im Süden Andalusiens, in El Rocío landet. In der nahe gelegenen Kleinstadt Moguer, die der spanische Literaturnobelpreisträger Juan Ramón Jiménez mit seinen grandiosen Geschichten über den Esel Platero literarisch verewigt hat, gibt es einen Schimmel, der zufällig fast den gleichen Namen trägt wie der, den er seiner Frau schenken wollte.

Bei seinem Vorhaben, den verkaufsunlustigen Besitzer umzustimmen, hat er indes ungeahnte Hürden zu überwinden, denn in Moguer – wir befinden uns in der Woche vor Pfingsten – machen sich alle auf, um an der grossen Wallfahrt nach El Rocío zur Jungfrau des Morgentaus teilzunehmen. Unwillkürlich wird Erich zum Wallfahrer, den die Einheimischen gern unter ihre Fittiche nehmen und an der Tradition teilhaben lassen.

Daniel Ganzfried hat für eine Schweizer Zeitschrift vor etlichen Jahren eine Reportage über diese Wallfahrt, die ganz Andalusien in Atem hält, veröffentlicht und verarbeitet seine Erfahrungen nun in dem Roman. Fremd, und doch bewegend, erscheint Erich, was er sieht und erlebt. Rätselhafterweise lässt sich auch der Autor von dieser Faszination hinreissen. Seitenweise zitiert er im Original aus den Volksliedern, die die Wallfahrer begleiten. Die Übersetzungen reicht er dann immerhin im Anhang nach.

Ganzfrieds Roman beschreibt den Weg eines verstörten, unsicher gewordenen Mannes zu sich selbst. Je mehr Erich in der Gemeinschaft aufgeht und sich El Rocío nähert, desto seltener kreisen die Gedanken um seine Frau und desto williger scheint er seine – wie Céline es nannte – «narzisstische Rücksichtslosigkeit» abzustreifen und sein bisheriges Leben infrage zu stellen.

Schiefe Bilder

Die Selbsterforschung auf einer Wallfahrt ist als Plot geschickt gewählt und eröffnet ein vielfältiges Potenzial. Die Reise zu sich selbst wird laufend untermalt von den fremdartigen Bildern eines religiösen Rituals, das den Einheimischen als das Selbstverständlichste auf der Welt erscheint.

Dennoch überzeugt der Roman vor allem aus zwei Gründen nicht: Zum einen bleibt er zu sehr Erichs Perspektive verhaftet. Céline erscheint so im Rückblick weitgehend als eindimensionale, gnadenlose Frau, die es Erich, einer zudem ziemlich blassen Gestalt, nicht recht machen kann. Zum anderen – und das ist gravierender – findet Daniel Ganzfried für weite Teile seines Romans keine Sprache.

Es reiht sich ein schiefes Bild ans andere, ständig werden neue metaphorische Felder aufgetan, die sich selten aus dem Erzählten zwingend ergeben. Satzungetüme wie «Verschämt stellte Erich fest, dass ihn ein Anflug von Verlangen nach solch ausfluchtloser Bestimmtheit ereilte, da sich sein Herkommen auf einem randlosen Feld verlor und seinem Fortgang Ziel und Grund abhandengekommen schien» wechseln mit sprachlichen Fehlgriffen ab: Dann «buhlen» Segel um Böen, Flamingos «stelzen» Tupfer in Teiche, dösende Katzen «schnörkeln», und unter dem Zwerchfell «rottet» sich nicht weniger als «rollender Groll». Diese Stilblüten konterkarieren die Geschichte von Erichs Läuterung, die Wallfahrt gerät zu einer unfreiwilligen sprachlichen Irrfahrt.

Daniel Ganzfried: Erich. Roman. Agenda-Verlag, Münster 2025. 257 S., Fr. 29.90.

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