Dienstag, November 26

Flexiblere Vorschriften statt Ideologie: Der Zürcher Kantonsrat hat sich zu einem seltenen Kompromiss in Verkehrsfragen durchgerungen.

Verkehr ist ein vergiftetes Thema, Parkplätze sind es erst recht. Und Florian Meier ist ein junger Städter, ein Grüner, ein Akademiker – eher nicht die Sorte Politiker, die mit diesem Thema ausserhalb der urbanen Filterblase viel zu gewinnen hat.

Das, was er an diesem Montag im Zürcher Kantonsrat als «unhaltbaren Zustand» anprangert, löst denn auch bei vielen amüsiertes Gemurmel aus. Meier rechnet vor, dass drei Quadratmeter Veloabstellplatz pro Wohnung, die heute üblich sind, viel zu wenig seien für eine vierköpfige Familie. Vor allem, wenn der Vater noch ein teures Rennvelo besitze. Sein Appell: «Ich will, dass Sie künftig Ihr Velo nicht mehr in der Wohnung aufhängen müssen.»

Niemand würde in diesem Moment darauf wetten, dass die Sorgen eines Städters wegen seines Zweitvelos jener Stoff sein könnten, aus dem sich ein breiter überparteilicher Kompromiss und eine mehrheitsfähige Politik schneidern lassen. Und doch hat der Zürcher Kantonsrat genau das zustande gebracht, in einem ungewöhnlichen Akt von gesetzgeberischem Gemeinsinn.

Nachdem Meier sein Anliegen vor vier Jahren in eine parlamentarische Initiative gepackt hatte, wischte die Kommission für Planung und Bau dies nicht einfach als Luxusproblem beiseite. Stattdessen nahm sie es zum Anlass, sich ganz grundsätzlich mit den Vorschriften für Parkplätze in Privatliegenschaften zu beschäftigen. Und sie ist schliesslich zum Schluss gekommen, dass diese nicht mehr zeitgemäss sind.

Meier selbst zeigt sich im Kantonsrat irritiert, was er da ausgelöst hat: Politiker von ganz links bis ganz rechts haben sich in der Kommission zusammengerauft und das Planungs- und Baugesetz gemeinsam überarbeitet.

Der wichtigste Punkt: In Zukunft soll in den Bau- und Zonenordnungen der Gemeinden nicht mehr ausschliesslich stehen, wie viele Autoparkplätze pro Haus bereitgestellt werden müssen. Neu geht es um Abstellplätze für alle möglichen Fahrzeuge. Flexibel nutzbare Flächen statt starre Vorschriften. Was genau gefragt sei – so das verbindende Argument –, wüssten die Kommunen selbst am besten.

In Landgemeinden wie Dällikon oder Truttikon haben die kantonalen Statistiker zuletzt auf 1000 Einwohner um die 700 Autos gezählt, Tendenz steigend. Am anderen Ende dieser Skala steht die Stadt Zürich, wo es gerade noch gut 300 Autos sind, Tendenz sinkend. Hier öffnet sich also eine Schere.

Auch bürgerliche Parteien lassen sich auf das Anliegen ein

Die Konsequenz dieser sich ändernden Mobilitätsbedürfnisse ist für den Stadtzürcher SVP-Kantonsrat Peter Schick klar: «Hier ideologisch zu denken, führt in eine Sackgasse.» Alle müssten von ihren Positionen abrücken und offener werden.

Der FDP-Kantonsrat Stephan Weber aus Wetzikon ist zwar parteiintern gewarnt worden, dass die Parkplatzvorschriften ein heisses Eisen seien, an dem man sich die Finger verbrennen könne. Trotzdem war er für eine Liberalisierung zu gewinnen, damit städtische und ländliche Gemeinden flexibel auf den unterschiedlichen Bedarf reagieren können.

In der Kommission war man sich einig, dass die alten Vorschriften aus den neunziger Jahren überholt sind. Damals ging es vor allem darum, dass es in vielen Liegenschaften an Parkplätzen für Autos mangelte und diese deshalb den öffentlichen Raum verstellten. Inzwischen sei das Problem an vielen Orten umgekehrt: Es gebe zu viele Parkplätze, die für Hausbesitzer und Mieter nur unnötige Kosten bedeuteten.

Weshalb es heute flexibel nutzbare Abstellflächen braucht, verdeutlicht der FDP-Kantonsrat Weber am Beispiel des Lastenvelos, das es seinerzeit noch gar nicht gab: «Ein Lastenvelo braucht eine Rampe und einen ähnlichen Parkplatz wie ein Auto – in einem Velokeller ist man damit hoffnungslos verloren.»

Dass sich die bürgerlichen Parteien auf neue Regeln einlassen, die auf einen Anstoss von links zurückgehen, ist das Ergebnis eines jahrelangen Ringens. Denn mit dem Entscheid, eine grundsätzliche Überarbeitung der Vorschriften in Angriff zu nehmen, handelte sich die Kommission kontroverse Diskussionen ein. Beiden Seiten wurde dabei einiges abverlangt. Links wie rechts betonten, man habe Zugeständnisse machen müssen, die weh täten.

FDP stört sich an Zweckentfremdung von Parkplatzfonds

In allen Punkten wurde man aber doch nicht einig, weshalb das Parlament am Montag über mehrere umstrittene Details entscheiden musste. Dabei wurden die neuen Vorschriften um einige Regeln ergänzt, auf die insbesondere die FDP gerne verzichtet hätte. Eine davon ist, dass nur Autoparkplätze unterirdisch oder überdeckt gebaut werden müssen, Abstellplätze für Velos hingegen nicht.

Die Grünen begründen dies damit, dass Velolenker ihren Abstellplatz genau wie Autos fahrend erreichen sollen, statt ihre Zweiräder über eine Treppe in den Keller tragen zu müssen. Und den Grünliberalen geht es um Anreize: Damit mehr Autofahrer aufs Velo umstiegen, müsse sich dieses direkt vor der Haustür befinden. Für die FDP widerspricht diese Bevorzugung dem Geist einer Vorlage, die mehr Flexibilität zum Ziel hat.

Eine andere neue Regel, die auf eine zweite grüne Initiative zurückgeht, hätte die FDP am liebsten ganz gestrichen. Es geht um jene Ersatzabgabe, die Grundeigentümer leisten müssen, wenn sie nicht genügend Parkplätze bereitstellen. Die Gemeinden sind nach geltendem Gesetz verpflichtet, dieses Geld in einem Fonds anzulegen, um damit bei Gelegenheit Parkiergelegenheiten in der Nähe zu realisieren. Da solche Gelegenheiten aber rar sind, bleibt das Geld oft liegen.

In 53 Zürcher Gemeinden schlummern 29 Millionen Franken ungenutzt in solchen Parkplatzersatzfonds. Eine Mehrheit will dieses Geld nun statt zum Bau von Parkplätzen «für die Mobilität» verwenden. Die Grünen hätten am liebsten noch präzisiert, dass das Geld ausschliesslich dem öV, dem Velo- und dem Fussverkehr zugutekommen darf.

Für die FDP ist dies eine rechtlich fragwürdige Zweckentfremdung solcher Fonds. Wenn man mit dem Geld keine Parkplätze bauen könne, solle man es an die Hauseigentümer zurückzahlen. Die Warnung der FDP, dass dies noch die Gerichte beschäftigen könnte, fand aber kein Gehör.

Die Vorlage geht nun an die Redaktionskommission, ehe der Kantonsrat definitiv darüber entscheidet.

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