Dienstag, Oktober 1

Um das ehemalige Gasthaus in der Gemeinde Dägerlen tobt seit Jahren ein Rechtsstreit. Jetzt stehen nur noch drei Aussenwände.

Martin Killias ist aufgebracht. «Es ist schon fast eine Beleidigung, davon auszugehen, dass wir das hinnehmen würden», sagt er am Telefon. Mit «das» meint der Präsident des Zürcher Heimatschutzes den Abbruch des ehemaligen Gasthofs Traube in Rutschwil, das zur Gemeinde Dägerlen im Bezirk Winterthur gehört.

Schon vor Tagen erhielt der Heimatschutz Hinweise, dass vom Dach Ziegel entfernt würden. Die Gemeindeverwaltung habe auf Anfrage die beruhigende Zusicherung erteilt, das geschehe, um die heutigen Falzziegel mit Biberschwanzziegeln ersetzen, schrieb der Heimatschutz am Freitag in einer Mitteilung.

Am Donnerstag war er nämlich alarmiert worden, jetzt werde der Dachstock abgebrochen. Auf die Aufforderung, sofort einen Baustopp zu erlassen, war die Auskunft aus dem Gemeindehaus diesmal laut Heimatschutz, das Haus werde vollständig ausgekernt. Nur drei Aussenmauern würden stehen bleiben.

«Perfide» Baubewilligung

Der Ärger der Heimatschützer hat mit der Vorgeschichte zu tun. Im Herbst 2019 erteilte der Gemeinderat Dägerlen eine Abbruchbewilligung für die «Traube» und genehmigte das Gesuch für den Bau eines Mehrfamilienhauses. Der Zürcher Heimatschutz ging davon aus, dass die Gemeinde den eindrücklichen Landgasthof in willkürlicher Weise nicht in das kurz zuvor festgelegte kommunale Schutzinventar aufgenommen hatte.

Er erhielt schliesslich vom Bundesgericht recht, auf dessen Geheiss das kantonale Baurekursgericht im Januar 2022 den Entscheid der Gemeinde aufhob. Die Richter schrieben in der Begründung, betreffe ein Baugesuch ein Inventarobjekt oder ein als schützenswert erkanntes Gebäude, habe die Gemeinde zuerst förmlich zu entscheiden, ob Schutzmassnahmen anzuordnen seien oder nicht.

In Rutschwil einigte sich der Heimatschutz mit der Bauherrschaft, dass die an das Gasthaus angebaute Scheune, die 1960 nach einem Brand neu erstellt wurde, abgebrochen werden konnte. Im Herbst 2023 erteilte der Gemeinderat eine neue Baubewilligung. «Wir gingen selbstverständlich davon aus, dass das Gasthaus erhalten bleibt», sagt Killias. Aus der Baubewilligung sei nicht hervorgegangen, dass entgegen der gerichtlichen Aufforderung kein Entscheid zu Schutzmassnahmen gefällt worden sei, was er als fast perfid empfinde.

Heimatschutz will Wiederaufbau

Nun ist das Haus weitgehend abgebrochen. Der Präsident von Dägerlen und der Gemeindeschreiber sind in den Ferien. Der Heimatschutz will die Sache nicht auf sich beruhen lassen. Auf welche Weise er rechtlich reagieren werde, sei noch unklar, sagt Killias: «Ich bin aber der Meinung, dass der Bauentscheid der Gemeinde nichtig ist», sagt der Rechtsprofessor.

Er vergleicht den Fall mit der «Fröschegrueb» in Regensdorf. Dort liess ein Eigentümer während Jahren das älteste Bauernhaus verlottern und schliesslich abbrechen. Just diesen Frühling ist nach Intervention des Heimatschutzes die originalgetreue Rekonstruktion abgeschlossen worden. Das sei mit der «Traube» in Rutschwil auch machbar, sagt Killias. Die Balken der Dachkonstruktion sind dafür jedenfalls schon gesichert.

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