Unser Leser trinkt gern Hafermilch. Aber er fragt sich mittlerweile, ob er sich damit etwas Gutes tut. Eine Ernährungswissenschafterin klärt auf: Kuhmilch liefert mehr Eiweiss, mehr Energie, mehr Vitamine und Mineralstoffe.
Leserfrage: Ich bin vor längerer Zeit von Kuhmilch auf Pflanzendrinks umgestiegen. Aber ich frage mich: Tue ich mir damit wirklich etwas Gutes?
Die Kuh hat Konkurrenz bekommen: Pflanzendrinks sind in Deutschland, Österreich und der Schweiz seit Jahren im Angebot. Als beliebt gelten Sorten aus Soja, Hafer, Mandeln und Reis, doch gibt es auch Drinks aus Kokos, Quinoa, Hirse, Erbse, Buchweizen, Amaranth, Lupinen, Cashewnüssen oder Hanf.
Dazu kommen Varianten – gesüsst, nicht gesüsst, fettarm oder mit Barista-Eigenschaften: Die lassen sich aufschlagen und erfüllen den Wunsch der Kunden nach schönem Schaum auf dem Kaffee. Doch was die Ernährung angeht, ist das wohl eher schöner Schein: Echte Milch enthält mehr und andere Nährstoffe.
Die Pflanzendrinks nähern sich nur an die Optik der Milch an und an die Einsatzgebiete. Sie machen also den Kaffee weiss und weichen das Müsli ein, so dass alles wie gewohnt erscheint – nur ohne tierisches Produkt. Aber es sei nicht wie gewohnt, sagt Christine Brombach, Ernährungswissenschafterin und Professorin an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften: «Pflanzendrinks sind technische Entwicklungen – Milch ist ein komplexes Naturprodukt. Das kann man nicht einfach nachbauen.»
Die meisten Menschen vertragen Kuhmilch gut
Einige Milchalternativen könnten im Kaffee oder im Müsli durchaus schmecken. Gesünder und nahrhafter seien die Imitate aber nicht, erklärt die Expertin: «Was soll das auch heissen – gesünder? Milch ist nicht ungesund. Wir Menschen kennen Milch seit Jahrtausenden. Unser Körper hat sich sogar angepasst und verdaut Milchzucker noch im Erwachsenenalter.»
Tatsächlich verträgt in Deutschland, Österreich und der Schweiz die grosse Mehrheit der Erwachsenen Milch. Nur 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung können sie nicht verdauen. Ihrem Dünndarm fehlt ein Enzym, sie sind laktoseintolerant. Sie greifen oft zu Pflanzendrinks, ebenso wie Kuhmilchallergiker. Bei ihnen löst das Eiweiss der Milch schwere Symptome aus.
Solchen Menschen raten schweizerische Ernährungs- und Agrarexperten, besonders auf die Ernährung zu achten und hochwertiges Protein sowie genügend Kalzium und Vitamine aufzunehmen.
Die Forscher des Kompetenzzentrums Agroscope haben verschiedene Pflanzendrinks auf Inhalt und Nährwert untersucht. Ergebnis: An die Milch kommt keiner ran. Milch liefert mehr Eiweiss, mehr Energie, mehr Vitamine und Mineralstoffe. Allenfalls Sojadrinks enthalten viel Eiweiss, weil die Sojabohne mehr Protein liefert. Doch bietet sie weniger notwendige Aminosäuren.
Zu demselben Ergebnis kamen US-Forscher: Milch liefert mehr und hochwertigeres Eiweiss in besser verwertbarer Form. Zudem ist die Milch wichtiger Kalzium-Lieferant, gerade wegen des Milchzuckers: Er macht es dem Darm leichter, Kalzium aufzunehmen. Auch enthält Milch mehr Vitamine und günstiges Milchfett.
Christine Brombach kennt die Studien: «Wir haben es bei Milch mit einem Produkt zu tun, das designt ist, damit Jungtiere wachsen. Deshalb hat die Evolution dazu geführt, dass ihre Inhaltsstoffe leicht aufgenommen werden.» In Pflanzendrinks lässt sich das nicht simulieren. Viele sind zwar mit Kalzium angereichert. Doch da unter anderem Milchzucker fehlt, kann der Körper die Kalziumverbindungen nicht gleich gut verwerten.
Milch, sagt Brombach, sei «einfach grossartig», auch, weil sie Käse, Joghurt, Quark und Butter liefere. Deshalb hat Milch in der traditionellen Ernährung Europas ihren festen Platz und wird von den grossen Fachgesellschaften als Teil der Ernährung empfohlen.
Pflanzendrinks sind hochprozessierte Produkte
Wer an Umwelt und Tierschutz denke, könne die Menge an Milch beschränken, meint Christine Brombach. Und natürlich stehe es jedem frei, Pflanzendrinks zu konsumieren.
Allerdings fehlen Studien, wie der Körper auf die behandelten Pflanzenstoffe reagiert: «Das sind hochprozessierte Produkte. Viel Erfahrung haben wir damit nicht», sagt Brombach. Küchentechnisch bleiben auch Wünsche offen: In vielen Rezepten steht zwar «Milch oder Milchalternative». Doch funktionieren die Nachbauten nicht unbedingt wie Milch.
Christine Brombach hat den Test gemacht und Milchreis mit zehn verschiedenen Pflanzendrinks gekocht. Ergebnis: «Total unterschiedlich in Geschmack und Textur. Bei manchen blieb der Reis hart, geschmacklich ging von zehn allenfalls die Hälfte.»
Fazit: Wer wegen des Tierwohls und des Umweltschutzes keine Milch trinken will, hat jedes Recht dazu. Doch dasselbe bieten Pflanzendrinks nicht – und sie sind nicht unbedingt besser.
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