Sonntag, März 30

Was verbindet einen spektakulären Kunstraub in Genf mit einem Mordversuch in einem Londoner Nobelviertel? Ein lange verschollenes iPad liefert Antworten.

Fünf Jahre lang lag ein iPad mini auf dem Grund der Themse. Eingebettet in eine Sandschicht, bedeckt mit Schlamm. Bis es im vergangenen November von einem Polizeibeamten gefunden wurde. Aufgespürt hatte er das iPad mit einem Metalldetektor.

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Forensiker reinigten das Gerät und entdeckten darin eine SIM-Karte. Jetzt dient es als entscheidendes Beweisstück in einem internationalen Kriminalfall mit Spuren bis in die Schweiz, wie die BBC berichtet.

Der Raub im Genfer Museum

Der Fall beginnt in Genf. Dort sind drei Männer im Juni 2019 ins Museum der fernöstlichen Kunst eingebrochen. Sie kamen mit Vorschlaghammer, Motorsäge und Brecheisen, trugen Handschuhe und Skimaske. Der Einbruch dauerte nur drei Minuten. Die Täter entwendeten eine seltene Vase, einen Weinbecher und eine Porzellanschale. Alles wertvolle Objekte aus der chinesischen Ming-Dynastie. Das Museum erlitt neben dem Verlust der gestohlenen Güter einen Schaden im Wert von 3,5 Millionen Franken.

Einen Monat später in Sevenoaks im britischen Kent: Drei Männer drangen am 9. Juli 2019 in eine umzäunte Anlage mit Luxuswohnungen ein. Um sich Zutritt zu verschaffen, tarnten sie sich als Polizeibeamte und befestigten ein Sirene auf ihrem Auto. Aus den Appartements stahlen sie wertvolle Designerstücke.

Doch es blieb nicht nur bei Raub und Diebstahl: Am 11. Juli 2019 fielen in Londons Nobelviertel Woodford sechs Schüsse auf Paul Allen. Er war 2006 der Bandenführer in einem der grössten Raubüberfälle in der britischen Geschichte und sass jahrelang in Haft. Seit 2016 war er frei. Nun zielten plötzlich Unbekannte auf ihn. Eine Kugel durchtrennte seinen Finger, eine andere traf ihn im Nacken. Er überlebte, blieb aber querschnittgelähmt. Die Täter flüchteten.

In der Schweiz wurden sie bereits verurteilt

Die britische Polizei konnte die Täter schnell identifizieren: die Brüder Louis und Stewart Ahearne sowie ihren Komplizen Daniel Kelly. Stewart hinterliess beim Einbruch in das Genfer Museum DNA-Spuren, und der Fluchtwagen war auf seinen Namen registriert. Louis war am Vortag beim Auskundschaften des Museums gefilmt worden.

Die Verhaftung folgte im Oktober 2019: Louis und Stewart Ahearne tappten in eine Falle, als sie das Diebesgut zu Geld machen wollten. In einem Londoner Hotel boten sie die gestohlene Ming-Vase zum Verkauf an – ohne zu wissen, dass ihre potenziellen Käufer Undercover-Polizisten waren.

Die Schweiz forderte ihre Auslieferung, um sie für den Museumseinbruch anzuklagen. England kam der Forderung 2022 nach. Im Januar 2024 verurteilte ein Genfer Gericht Louis und Stewart Ahearne zu dreieinhalb Jahren Haft und fünf Jahren Landesverweis. Vor Gericht gaben sie ihre Beteiligung am Diebstahl zu, stellten sich jedoch als unwichtige Mitläufer dar. Beide belasteten den dritten Täter, Daniel Kelly, als Kopf der Bande. Kelly stand in Genf nicht vor Gericht. Er sass zu dieser Zeit in einem Londoner Gefängnis, da er in ein weiteres Auslieferungsverfahren nach Japan verwickelt war.

Nach dem Prozess wurden die beiden Ahearne-Brüder wieder nach England ausgeliefert. Seit Oktober 2024 stehen sie dort zusammen mit Kelly vor Gericht. Dort folgte der entscheidende Hinweis, der alle drei Verbrechen miteinander verbindet. Und er kam von einem der Täter.

Die Täter telefonierten auffällig oft miteinander

Louis Ahearne verwies in seiner Verteidigung auf Aufnahmen einer Überwachungskamera. Die Bilder zeigen, wie die Täter nach dem Mordversuch an Paul Allen an der Themse stoppen. Ahearne behauptet, sie hätten «frische Luft geschnappt». Doch die Aufnahmen zeigen, wie Daniel Kelly zum Fluss ging – genau an die Stelle, wo die Polizei später das Gerät findet.

Es war nicht ihr einziger Fehler. Wie schon beim Einbruch in Genf hinterliessen die Täter Spuren. Stewart Ahearne mietete das Fluchtauto auf seinen Namen, Louis Ahearne wurde 90 Minuten vor den Schüssen auf Paul Allen an einer nahen Tankstelle gefilmt. Kellys DNA fand sich an einem Zaun von Allens Wohnanlage. Die Ermittler konnten den Fall Stück für Stück rekonstruieren. Die SIM-Karten-Auswertung des iPads lieferte schliesslich die letzten Beweise.

Anrufdaten belegen die Verbindungen zwischen den Tätern und den Tatorten. Kelly kommunizierte über das iPad fast nur mit den Ahearne-Brüdern. Die SIM-Karte war mit GPS-Geräten verknüpft, die bei den Verhaftungen von Louis Ahearne und Daniel Kelly sichergestellt wurden. Das Gerät enthielt zudem Daten zu 59 Einkäufen auf Amazon und Ebay – darunter unregistrierte Telefone, die beim Mordversuch in London genutzt wurden. So wurde das iPad zum entscheidenden Beweisstück in den Kriminalfällen.

Am Montag erklärte die Jury alle drei Verdächtigen wegen versuchten Mordes für schuldig. Ihnen drohen lange Haftstrafen. Das Urteil fällt am 25. April.

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