Montag, Januar 20

Mehr Konzentration und weniger Mobbing: Auch in der Schweiz und Deutschland wird der Ruf nach einheitlichen Regeln lauter. Die niederländischen Schüler haben plötzlich ungeahnte «Probleme».

Die Schulzeit, ein Abschnitt der Unbeschwertheit, bevor der Ernst des Lebens beginnt. So oder ähnlich mögen sich viele Erwachsene an ihre Vergangenheit erinnern – und sie verklären. Dass die Welt mittlerweile hektischer geworden ist, hat ganz entscheidend mit einem Gerät zu tun: dem Smartphone. Längst ist es auch aus Kinderhänden nicht mehr wegzudenken.

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Welcher Umgang damit im Schulalltag am sinnvollsten ist, fragen sich Schulbehörden in ganz Europa. Sollen die Handys flächendeckend verboten werden, um die Konzentration der Kinder und Jugendlichen zu fördern? Die Antworten fallen unterschiedlich aus. In den föderalistischen Systemen der Schweiz und Deutschlands wird der Ruf nach einem Handyverbot zwar auch lauter, wie kürzlich eine Sotomo-Umfrage ergab. Noch ist man aber weit von einheitlichen Regeln entfernt. Der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz plädiert für eine «differenzierte Vorgehensweise und kein generelles Verbot».

Die Niederlande hingegen haben vor genau einem Jahr die Smartphones grundsätzlich aus den Klassenzimmern verbannt. Zuerst galt das Verbot nur auf Sekundarstufe, seit Sommer 2024 auf allen Schulstufen. Ausnahmen sind nur erlaubt, wenn die Mobiltelefone für pädagogische Zwecke eingesetzt werden.

Zustimmung bei Schülern schrumpft

Wie lautet nach einem Jahr eine erste Zwischenbilanz? Mehrere Studien zeigen ein kontrastreiches – und teilweise überraschendes – Bild. Gemäss einer Erhebung des niederländischen Bildungsministeriums, an der 600 Lehrpersonen teilnahmen, sind die Schülerinnen und Schüler achtsamer miteinander umgegangen und sind dem Unterricht konzentrierter gefolgt. Die zuständige Staatssekretärin Mariëlle Paul spricht von einem «Vollerfolg».

Interessanter ist eine Vorher-nachher-Befragung, an der auch Schülerinnen und Schüler teilnahmen – denn um sie geht es schliesslich. Bevor das Handyverbot eingeführt war, bewerteten sie es erstaunlich positiv: mit 6,8 auf einer Skala bis 10. Vier Monate nach der Lancierung gab es nur noch die Note 4,8. Sie störten sich unter anderem daran, dass sie den Stundenplan oder die Hausaufgaben nicht mehr auf dem Bildschirm einsehen konnten. Zudem hatten viele nun keine Uhr mehr. Andererseits freuten sie sich darüber, dass der Akku nach Schulende plötzlich ungewohnt voll war.

Langeweile – und Streitereien

Immerhin 20 Prozent der Schüler sagten, dass sie im Unterricht nunmehr weniger abgelenkt seien. Einige Schüler gaben an, dass es während der Pausen häufiger zu Streitereien komme. Sie führten dies darauf zurück, dass sich manche nun langweilten oder schlechtere Laune hatten. Im Vorfeld hatte eine Mehrheit erwartet, dass die handyfreie Zeit zu mehr Geselligkeit führen würde: Für 40 Prozent traf dies tatsächlich ein, für andere 40 Prozent hingegen nicht. Letztere argumentierten, dass ein Smartphone die Interaktionen gar erhöhen könne, weil man «anderen Dinge zeigen kann».

Die niederländischen Schülerinnen und Schüler müssen ihr Handy am Morgen in ein Schliessfach legen – oder es gleich zu Hause lassen – und erhalten es erst am Nachmittag wieder. Dass ihre Eltern sie damit während der Schulzeit nicht mehr erreichen konnten (beziehungsweise nur über die Notfallnummer des Sekretariats), empfanden die Kinder als belastend.

Ein Lehrer ist kein Polizist

Ganz anders die Eltern und Lehrpersonen: Sie beurteilten das Handyverbot nach der Einführung positiver als zuvor. Bei den Eltern schnellte die Gesamtnote von 6,3 auf 8,4 hoch, bei den Lehrerinnen und Lehrern gar von 5,6 auf 8,3. Beide Gruppen sind beispielsweise überzeugt, dass die Massnahme sich positiv auf die Verhinderung von Mobbing auswirkt – in erster Linie einfach darum, weil die Onlinepräsenz der Kinder geringer ist.

Die Lehrerinnen und Lehrer freuten sich über die aufmerksameren Schüler. Sie berichteten aber auch, dass manche Schlaumeier einfach ein zweites Handy in die Schule schmuggeln würden, das sie nicht abgäben. Oftmals bleiben sie damit unentdeckt, weil die Lehrer sie nicht wie bei einer Sicherheitskontrolle durchsuchen dürfen. Die Eltern wiederum sind sich uneinig, inwiefern die schulische Handysperrzeit die Zuhause-Regeln beeinflussen sollte. Manche geben ihren Kindern nun mehr Bildschirmzeit, andere nehmen sich die Schule als Vorbild und üben einen restriktiven Umgang.

Die grosse offene Frage bleibt, wie sich ein Smartphoneverbot auf die schulische Leistung auswirkt. Die Wissenschaft ist sich dazu noch nicht sicher. Eine Übersichtsstudie, die sich auf fünf nationale Untersuchungen beruft, hat kürzlich einen leicht positiven Effekt festgestellt. Die Autoren formulieren ihre Schlussfolgerungen aber überaus vorsichtig: Weil es wenig empirische Forschung zum Thema gebe, könne noch keine abschliessende Beurteilung gemacht werden.

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