Dienstag, November 26

In der Hauptstadt Brandenburgs demonstrieren Hunderte gegen einen Rechtsruck in Deutschland und das Erstarken der AfD.

Im Januar herrschte auf dem Alten Markt in Potsdam deutlich mehr Andrang: Damals versammelten sich hier Tausende, um an einer der bundesweiten Demonstrationen teilzunehmen, die die Correctiv-Recherche über das «Geheimtreffen» in Potsdam ausgelöst hatte. Nun, ein Jahr nach diesem «Potsdamer Treffen», kommen noch einige hundert.

Bei dem berüchtigten Treffen am 25. November 2023 sprach der neurechte Aktivist Martin Sellner vor Politikern von AfD und CDU über sein Konzept der «Remigration». Treffpunkt war die Villa Adlon in Potsdam.

Nach der Veröffentlichung der Recherche des Portals Correctiv schien das bundesweite Entsetzen schier grenzenlos. Medien griffen die Geschichte auf, und schnell kursierten Schlagzeilen über angebliche Vertreibungspläne. Einige Darstellungen mussten Correctiv und andere Redaktionen inzwischen korrigieren. Bis heute zieht der Artikel juristische Auseinandersetzungen nach sich.

Trotzdem löste der Text «Geheimplan gegen Deutschland», der im Januar 2024 veröffentlicht wurde, ungeahnte politische Wellen aus. Bundeskanzler Olaf Scholz nannte die darin beschriebenen Pläne zur Remigration «teuflisch» – und erschien selbst zu einer Demo gegen rechts in seiner Wahlheimat Potsdam. Ähnlich wie er beteiligten sich Hunderttausende Bürger an den bundesweiten Versammlungen. Der Ruf danach, die AfD zu verbieten, wurde lauter. Doch was ist von der parteiübergreifenden Protestbewegung geblieben?

Grüne Jugend warnt vor «millionenfacher Vertreibung»

Hört man an diesem trüben Novembertag den Rednern der Demonstration vor dem Brandenburger Landtag zu, möchten sie verhindern, dass das «Geheimtreffen», wie Correctiv es bezeichnete, in Vergessenheit gerät. Ein Sprecher der Grünen Jugend warnt auf den Stufen der Nikolaikirche eindringlich vor der angeblich vom rechten Milieu geplanten «millionenfachen Vertreibung von Menschen aufgrund rassistischer Ideologien».

In der Menge wehen Regenbogenflaggen und Transparente mit den Buchstaben: «FCK AFD». Auf einem Plakat, das eine junge Frau hochhält, steht: «Remigriert euch ins Knie». Die Moderatorinnen sprechen von 700 Teilnehmern, doch die überschaubare Menschentraube lässt auf eine geringere Zahl schliessen. Das Momentum, das die Proteste im Januar beflügelt hatte, hat sich verflüchtigt.

Zu der Demo aufgerufen hatten Fridays for Future, die Grüne Jugend, die Juso, die Linksjugend Solid und die «Omas gegen rechts». Ein Besucher bemängelt, dass der Oberbürgermeister Mike Schubert nicht wie im letzten Jahr selbst zur Kundgebung aufgerufen und eine Rede gehalten hat. Andere vermissen Bundeskanzler Olaf Scholz. Schliesslich wohne er ja in Potsdam.

Geeint sind die «Demo-Teilnehmenden», wie eine Rednerin von Fridays for Future die Versammelten anspricht, in ihrer Haltung, dem «Rechtsruck» und dem Aufstieg der AfD in Deutschland entschlossen entgegenzutreten. Der Landessprecher der Grünen Jugend, Landelin Winter, erinnerte an die Ereignisse vor einem Jahr und betonte: «Ich habe nicht vergessen, was passiert ist.» Gemeint ist das Potsdamer Treffen. Dann kündigte er an, sich für ein AfD-Verbot einzusetzen. Unter den Demonstranten braust Applaus auf.

Auch «Omas gegen rechts» sind dabei

Der Verfassungsschutz stuft den AfD-Landesverband als rechtsextremen Verdachtsfall ein. Die Demonstranten sehen allerdings auch die CDU kritisch. Der Landessprecher Winter etwa warnt vor einem «Schulterschluss» zwischen CDU und AfD.

Der Kreisvorsitzende der Jungen Union, Andro Heinz, erhält merklich weniger Zustimmung als seine politisch weit links stehenden Vorredner. Als Heinz betont, dass die Brandmauer zur AfD stehe und verteidigt werde, zischt eine ältere Teilnehmerin ihrer Begleitung zu: «Das soll er mal Herrn Merz erzählen.» Der Parteichef der CDU, Friedrich Merz, hatte jüngst eine Zusammenarbeit im Bundestag deutlich ausgeschlossen.

Bis auf die «Omas gegen rechts», ein Bündnis von Seniorinnen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, dominieren an diesem Abend die Jungen die Bühne. Das Publikum besteht bis auf einige studentische Gruppen aus Menschen mittleren und fortgeschrittenen Alters.

Vor einem Jahr hatte Scholz alle Bürger aufgerufen, zu demonstrieren. Für Zusammenhalt, für «unser demokratisches Deutschland». Von dieser pathetischen Stimmung ist wenig geblieben. Um 19 Uhr löst sich die Demonstration nach einer Stunde auf.

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