Ein Zerstörer auf Abwegen, konkurrierende Grossmanöver: Die Lage im Pazifik scheint brenzlig. Was ist los?
Ein japanisches Kriegsschiff ist vergangene Woche kurz in chinesische Hoheitsgewässer eingedrungen. Dies sei trotz mehrfacher Warnung der chinesischen Seite geschehen, schreibt die japanische Nachrichtenagentur Kyodo News unter Berufung auf diplomatische Quellen in Peking. In einer Pressekonferenz sagte ein Sprecher des chinesischen Aussenministeriums, das japanische Verhalten sei illegal und unangemessen gewesen. Tokio müsse versprechen, dass dies nie wieder vorkomme.
Marinen beobachten sich gegenseitig
Der Zwischenfall geschah vor der Küste der nordostchinesischen Provinz Zhejiang, als der japanische Zerstörer «Suzutsuki» chinesische Manöver beobachtete, die auf hoher See stattfanden. Dass Marinen die Manöver anderer Länder beobachteten, sei Alltag, sagt John Bradford, Direktor des Yokosuka Council on Asian-Pacific Studies (YCAPS). Diese Organisation beschäftigt sich mit strategischen, diplomatischen und juristischen Themen und hat enge Verbindungen zur amerikanischen Marine und zu den maritimen Selbstverteidigungsstreitkräften Japans.
«Wer ein Manöver in internationalen Gewässern durchführt, muss damit rechnen, dass er beobachtet wird», sagt Bradford, der früher bei der US Navy auf Zerstörern Dienst leistete. Durch solche Beobachtungen könne man viel erfahren über die Taktiken einer anderen Marine, die Formationen, in denen sie fahre, oder die Waffensysteme, die sie einsetze.
Die meisten Informationen würden elektronisch, etwa mit Radar, gewonnen, sagt Bradford: «Das kann man mit mehreren Meilen Abstand machen, ohne der Übung in die Quere zu kommen.» So respektiere man im Allgemeinen auch Zonen, die etwa für Schiessübungen gesperrt worden seien. Er sei sicher, dass sich auch Japan so verhalte, sagt Bradford: «Ich arbeite seit fast dreissig Jahren mit den maritimen Selbstverteidigungsstreitkräften Japans zusammen und halte sie für sehr professionell.»
Wo genau der japanische Zerstörer in die chinesische Zwölfmeilenzone eingefahren sein soll, ist nicht bekannt. Laut Kyodo soll ein japanischer Beamter in Gesprächen mit den Chinesen einen «prozeduralen Fehler» als möglichen Grund angegeben haben. Das würde bedeuten, dass die Einfahrt in Chinas Hoheitsgewässer unabsichtlich geschah.
Bradford will dies nicht ausschliessen und sagt: «Auch Kapitäne machen Fehler.» Er verweist darauf, dass es bei fast allen Marinen in den letzten Jahren zu Kollisionen gekommen sei oder dass Schiffe auf Grund gelaufen seien.
Chinesisches Recht widerspricht internationalem Recht
Dass die chinesische Seite die japanische Aktion als illegal bezeichnet, liegt daran, dass ein chinesisches Gesetz verlangt, dass Kriegsschiffe anderer Länder vor der Einfahrt in chinesische Hoheitsgewässer eine Erlaubnis einholen. Dieses nationale Gesetz widerspricht allerdings internationalem Recht. In der Uno-Seerechtskonvention ist das «Recht auf friedliche Durchfahrt» für alle Schiffe verankert – eine Erlaubnis des Küstenstaates braucht es dazu nicht.
Chinas Küstenwache fährt regelmässig bewusst in japanische Hoheitsgewässer um die Senkaku-Inseln. Peking nennt die Inseln Diaoyu und beansprucht sie für sich. Dabei brechen Pekings Schiffe bewusst die Regeln, die für eine «friedliche Durchfahrt» gelten. Das Seerecht gibt vor, dass die Durchfahrt zügig und ohne Unterbrechung zu erfolgen hat.
Pekings Schiffe halten sich aber bewusst lange in den Gewässern um die umstrittenen Inseln auf und dümpeln vor sich hin – um zu zeigen, dass es sich ihrer Meinung nach um chinesische und nicht um japanische Gewässer handelt.
Parallele Grossmanöver im Pazifik
Gegenwärtig läuft im Pazifik das alle zwei Jahre stattfindende Grossmanöver Rimpac. Die Abkürzung steht für «Rim of the Pacific». Unter der Führung der USA kommen dieses Jahr Streitkräfte von 29 Ländern, darunter auch Deutschland, in Hawaii zusammen für gemeinsame Übungen. Insgesamt 40 Schiffe, 3 U-Boote, 150 Flugzeuge und 25 000 Soldatinnen und Soldaten sind an der Grossübung beteiligt.
In früheren Jahren wurden mehrmals chinesische Schiffe gesichtet, welche Rimpac beobachten. Er gehe davon aus, dass die chinesische Marine auch dieses Jahr Rimpac genau beobachte, sagt Bradford: «Daran ist nichts Verwerfliches.» Neben der Informationsbeschaffung habe die sichtbare Präsenz bei Manövern anderer Länder auch eine abschreckende Wirkung. So kann ein Land signalisieren, dass es weiss, was die andere Seite macht.
Gleichzeitig zu Rimpac führt China weiter westlich im Pazifik ein eigenes Manöver durch. Am Mittwoch begann eine Gruppe von Schiffen um den Flugzeugträger «Shandong» östlich der Insel Taiwan mit Übungen. Taiwans Verteidigungsministerium meldete 7 chinesische Schiffe und 66 Flugzeuge, die man entdeckt habe. 56 der Flugzeuge seien alleine am Freitag in die taiwanische Luftüberwachungszone eingeflogen – eine Rekordzahl. China gibt häufig seine Manöver nicht bekannt. Es sind Beobachtungen anderer Länder, vor allem Taiwans und Japans, die diese publik machen.

