Freitag, März 14

Seit Monaten ist der Journalist und Buchautor Nicholas Potter Ziel von Anfeindungen und Drohungen. Linke Aktivisten denunzieren ihn als von Israel gekauften «Verfechter des Genozids».

Seit längerem recherchiert der britisch-deutsche Journalist Nicholas Potter über Formen des linken Antisemitismus. Das ist augenscheinlich auch der Grund, warum er ins Visier bestimmter Gruppen geraten ist. Im Internet gibt es Droh-Postings gegen ihn. Auf den Berliner Strassen werden Aufkleber mit seinem Foto verteilt, darunter stehen die Worte «The German Hurensohn».

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Propalästinensische Aktivisten und mutmasslich aus Russland gesteuerte Websites haben dafür gesorgt, dass die Lage in den letzten Wochen gefährlich eskaliert ist. Die Deutsche Journalisten-Union (DJU) warnt vor «hybriden Formen der Propaganda, orchestriert durch Akteure, die gezielt Desinformationen einsetzen, um unabhängigen Journalismus zu untergraben». Auch der deutsche Zentralrat der Juden hat sich in der Sache Potter unterstützend zu Wort gemeldet.

Nicholas Potter ist Redaktor der Berliner «TAZ». Das hat ihn aber nicht daran gehindert, sich die politischen Entwicklungen in linken Milieus seit dem Angriff der Hamas auf Israel genauer anzusehen. Schon in seinem Buch «Judenhass Underground» hat Potter vor zwei Jahren beschrieben, wie sich der neue Antisemitismus in traditionell progressiven Subkulturen etabliert.

Verschwörungserzählungen

Die alten antisemitischen Codes sind anschlussfähig an die Widerstandsphantasien gegen ein vermeintliches globales Establishment. Seit dem 7. Oktober 2023 hat sich vor allem die linke Klubszene neu durchmischt und radikalisiert. Anti-Israel-Aktivisten wie die Boykottbewegung BDS haben hier Fuss gefasst und können ihre judenfeindlichen Verschwörungserzählungen verbreiten.

Die Szene ist lokal, aber auch global eng vernetzt. Wer einschlägigen Behauptungen widerspricht, wie etwa der, Israel treibe im Gazastreifen einen Genozid voran, hat mit Ächtung und Drohungen zu rechnen. Dieser gemeinsam aufgebaute Druck trifft jetzt auch den Journalisten Nicholas Potter.

Dazu kommt: Bei Internetportalen, die sich als links gerieren und radikal propalästinensische Inhalte transportieren, mischt die russische Propagandamaschinerie kräftig mit. In einer Recherche vom Oktober hat Potter in der «TAZ» gezeigt, dass das Portal «Red», das sich selbst als «antiimperialistisches Medium» bezeichnet, personelle und strukturelle Querverbindungen zu Unternehmen von Russia Today (RT) hat, dem Infiltrationsnetzwerk des Kreml.

«Verfechter des Genozids»

RT ist EU-weit seit 2022 verboten. «Red» arbeitet vorzugsweise mit Videos und ist vor Ort, wenn es irgendwo propalästinensische Aktionen gibt. Der Genozidvorwurf an Israel ist ein wichtiger Teil der Internet-Aktivitäten des englischsprachigen Mediums. «Red» spricht gerne mit Terroristen des Hizbullah und mit Vertretern des islamistischen Jihad, aber das Publikum wird auch ausgiebig mit dem bedient, was man in linken Kreisen als «antiimperialistisch» versteht.

Auf X hat «Red» gegenwärtig rund 120 000 Follower, dort wird Nicholas Potter als «Verfechter des Genozids» bezeichnet. Weil er darin so gut sei, habe ihn Israel gekauft. Sein Salär werde ausserdem aus der deutschen Staatskasse bezahlt, behauptet das Medium auf X.

Tatsache ist, dass sich Nicholas Potter offenbar mit mehreren Milieus und politischen Propagandisten angelegt hat. Man unterschätzt seine Stimme nicht. Der 35-Jährige schreibt auch für den britischen «Guardian» und wird gelegentlich von der BBC um seine Expertise gebeten. Für eine Recherche über Israelfeindlichkeit und Antisemitismus bei Fridays for Future war er im vorigen Jahr für den hoch angesehenen Theodor-Wolff-Journalistenpreis nominiert.

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