Die SRG hat kürzlich mit der Mitteilung überrascht, dass sie bereits auf Jahresende ihre UKW-Sender ausknipsen wird. Der Entscheid beruhe auf verzerrten Fakten und komme zur Unzeit, meint der bekannte Schweizer Moderator.

Zuerst ein Disclaimer: In diesem Artikel werde ich Äusserungen machen, die für mein eigenes Unternehmen geschäftsschädigend sind. Die Erklärung für dieses ungewöhnliche Verhalten werde ich später nachliefern.

Also: Am letzten Donnerstag hat die SRG mit der Mitteilung verblüfft, dass sie bereits auf Jahresende alle ihre UKW-Sender ausknipsen wird. Sie tut dies, obwohl die UKW-Versorgung gemäss bundesrätlicher Regelung erst zwei Jahre später aus der Schweiz verschwinden soll. Für ihren Entscheid lieferte die SRG gleich mehrere Gründe.

Erstens: UKW sei eine «alte» Technologie. Dies ist richtig. Doch alt ist nicht gleichbedeutend mit veraltet. Eine Technologie ist erst dann veraltet, wenn eine neue, bessere vorliegt. Doch dies ist hier nicht der Fall. DAB+ weist im Vergleich zu UKW kaum Vorteile, dafür viele Nachteile auf. Deshalb konnte sich DAB+ als Nachfolgetechnologie nie richtig durchsetzen. Überlebt hat sie allein darum, weil sie während Jahrzehnten mit gewaltigen staatlichen Subventionen künstlich beatmet wurde.

In einem opulenten, 148-seitigen Bericht wurde von einem Fachgremium vor kurzem eine detaillierte Analyse der Radiolandschaft bis ins Jahr 2035 vorgestellt. Über UKW und DAB+ heisst es dort: «Keine wirtschaftliche Rettung, da Nutzer zur All-IP-Welt abwandern», also ins Internet. Zu DAB+ im Speziellen wird aufgeführt: Es gebe beträchtliche Empfangsprobleme, dies besonders in öffentlichen Verkehrsmitteln und in tiefer gelegenen Innenräumen. Fazit: Diese extrem teure, wenig effiziente «Zwischentechnologie» hätte es auf dem Weg in die künftige, allumfassende Internet-Welt gar nicht gebraucht.

Falschgelegen

UKW funktioniert hingegen weitgehend klaglos und ist deshalb immer noch die weltweit mit Abstand meistgenutzte Radio-Technologie – und wird dies noch länger bleiben. Doch die hiesigen Promotoren von DAB haben sich bereits in den 1990er Jahren zur Ablösung der «drögen analogen» UKW-Verbreitung auf die Suche nach einer sexy klingenden digitalen Technologie gemacht – und sich dabei furchtbar vertan.

Bereits im Jahr 2001 hatte deshalb der Radiotechnik-Experte Markus Ruoss eine ernüchternde Analyse von DAB unter dem Titel «Wie prügelt man ein totes Pferd durchs Ziel?» vorgelegt. Für die zu wählende Strategie brauche es nicht nur laufend höhere Subventionen und teure Werbekampagnen. Zur Rechtfertigung der grossen Aufwendungen müsse UKW ausgelöscht werden. Doch mit dieser radikalen Massnahme wird man die Folgen des verheerenden Grundlagenirrtums mit einem noch viel grösseren Fehlentscheid potenzieren.

Die Entscheidung für das Abschalten von UKW fiel bereits vor über zehn Jahren. Es war die Uvek-Chefin Doris Leuthard, die unter dem Applaus von Bakom, SRG und Privatradios grünes Licht gab. Sie tat dies auf Drängen ihrer technischen Fachleute, die ihr phantastische künftige Wachstumsraten bei der DAB+-Nutzung vorlegten. Doch diese Prognosen erwiesen sich als weitgehend falsch. DAB+ ist auch nach über zwanzig Jahren noch immer nicht die klar dominierende Radio-Verbreitungsmethode. Seit einiger Zeit stagniert die Nutzung sogar und wurde bereits durch den Internet-Radioempfang eingeholt.

Als ich 2021 eine Petition gegen die unmittelbar bevorstehende UKW-Schliessung lancierte, unterschrieb auch Doris Leuthard. «Ich bin Juristin», sagte sie mir. «Ich musste mich auf meine technischen Fachleute verlassen.» Als sie später begriff, wie falsch diese gelegen hatten, engagierte sie sich öffentlich für den Aufschub der Abschaltung, um grösseren Schaden zu verhindern – was mutig war und für sie spricht.

Ohne diese Petition hätte die SRG bereits 2022 alle ihre UKW-Sender vom Netz genommen. Der Bundesrat ging angesichts der neuen Situation über die Bücher und verschob die Abschaltung zuerst auf Ende 2024, schliesslich auf Ende 2026. Dann soll definitiv Schluss sein. Die SRG will jedoch nicht so lange warten.

Abenteuerliche Argumente

Kein anderes Land in Mitteleuropa denkt daran, sich von UKW zu verabschieden. So wurden etwa in Bayern die UKW-Konzessionen vor kurzem bis 2035 verlängert. Österreich hinkt in Sachen DAB+ noch weiter hinterher. Gleiches gilt auch für Frankreich und Italien. Ohne Not wird es also schon bald im Herzen von Europa ein riesiges schwarzes UKW-Loch geben. Dieses kann von ausländischen Stationen wegen der freiwilligen Weggabe unserer kostbaren Frequenzen für eine noch bessere Verbreitung ihrer Programme in unserem Land genutzt werden. Der Schweizer Sonderfall macht also sogar in diesem Gebiet Bocksprünge, die zu noch nicht vollständig absehbaren, aber grossen Verwerfungen führen werden.

Die weiteren Argumente der SRG für die vorzeitige Abschaltung sind ebenfalls abenteuerlich. Man stützt sich vor allem auf exklusive Umfragen von DigiMig, der PR-Organisation der DAB-Promotoren. Dabei stellt man gezielt unsinnige Ergebnisse in den Vordergrund. So hiess es letzte Woche, der «ausschliessliche» UKW-Konsum liege bei nur noch zehn Prozent. Die Journalisten von Radio SRF 1 erwähnten sogar eine Zahl von noch mickrigeren acht Prozent, um so die Entscheidung ihrer Oberen zu unterfüttern. Doch das sind groteske Aussagen.

Denn der entscheidende Wert ist nicht der «ausschliessliche» UKW-Konsum, sondern der Marktanteil einer Verbreitungsform. Und der liegt heute sogar gemäss dieser Studie bei zwanzig Prozent für UKW. Zudem nutzen ein Drittel aller Haushalte UKW, allerdings nicht ausschliesslich. Ebenso hoch ist die UKW-Nutzung in Autos. Hunderttausende Schweizer Autos haben keinen DAB+-Empfang, und dies wird noch während Jahren so bleiben. Sie alle werden ab dem 1. Januar 2025 keine SRG-Sender mehr empfangen können. Noch tiefer ist die DAB-Abstinenz bei deutschen oder niederländischen Touristen, die das Transitland Schweiz durchfahren. Verkehrs- oder Katastrophenmeldungen werden auch sie in Zukunft nicht mehr erreichen. Selbst eine DAB+-Katastrophenstrategie für unser Land gibt es noch nicht.

Gegenteil von Kundenfreundlichkeit

Die SRG erwähnt zudem, dass sie diese Massnahme aus Kostengründen vornehme. Es gehe um 15 Millionen Franken im Jahr, heisst es, also etwa ein Prozent des Gesamtbudgets. Man sei auch nicht mehr bereit, Investitionen in eine veraltete Technologie zu stecken. Diese Aussage ist grober Unfug. Alle UKW-Sender sind seit langem abgeschrieben, es fallen nur Betriebskosten an. Zudem könnte die SRG die meisten ihrer 2000 (!) UKW-Sendestationen stilllegen. Von bloss sieben Höhenstandorten aus kann man rund achtzig Prozent der Bevölkerung mit UKW-Programmen erreichen.

Aber man bevorzugt eine Alles-oder-nichts-Strategie mit der vorzeitigen Null-Prozent-Versorgung. Offenbar will man mit dieser Massnahme auch ein politisches Statement abgeben, nämlich: Wir müssen bereits heute unglaublich viel sparen, und dies sogar bereits vor den angekündigten Entscheiden über Gebührenkürzungen. Da nimmt man auch den Affront gegen Hunderttausende von treuen, vielfach älteren Kunden in Kauf, die ihre Serafe-Gebühren weiterhin zwangsweise abliefern müssen. Dies ist das Gegenteil von Kundenfreundlichkeit.

Sukkurs erhält die SRG vom Verband Schweizer Privatradios (VSP). Der Entscheid der SRG sei «mutig» und «wichtig», so wird kommuniziert. Im Subtext heisst dies: Toll, dass die SRG den grossen Abschalt-Shitstorm allein erleben wird. Und wir freuen uns auf zusätzliche Hörer, die von der SRG nicht mehr bedient werden.

Auch wir von Radio 1 werden wohl von der Hauruck-Politik der SRG profitieren. Doch das ist für mich höchstens ein bittersüsses Geschenk. Seit vielen Jahrzehnten kämpfe ich dafür, dass das wunderbare Medium Radio seinen Platz selbst in unserer multimedialen Welt sichern kann. Es muss alles dafür getan werden, dass man das eigene Angebot nicht wegen «unforced errors» schwächt.

Deshalb erzürnt mich das Vorgehen der SRG. Vor allem in einer Zeit, in der die SRG auf den Goodwill von möglichst vielen Schweizerinnen und Schweizern angewiesen ist, kann ich nicht verstehen, weshalb man aus teils falschen, teils fadenscheinigen Gründen solche Entscheide fällt. Wer sich so verhält, soll sich hinterher nicht über den Schaden beklagen.

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