Mittwoch, April 30

Rechte Influencer verhalfen Donald Trump zum Wahlsieg. Aber nun üben einzelne Podcaster Kritik an ihrem Idol. Ben Shapiro reiste gar nach Kiew, um Wolodimir Selenski zu interviewen. Danach sagte er seinem Millionenpublikum: «Russland ist das Problem.»

Im Oktober noch war Donald Trump für ein halbstündiges Interview zu Gast bei Ben Shapiro. Die Show des konservativen Meinungsmachers hat über sieben Millionen Abonnenten und gehört zu den meistgehörten Podcasts in den USA. Shapiro spielte Trump wohlgemeinte Fragen zu: «Wie kämpfen Sie gegen die etablierten Medien an, die das Informationsumfeld der Wahlen erneut manipulieren?» Und er warb offen für Trumps Wahlsieg: «Wir hoffen und beten dafür, dass Sie wieder Präsident sein werden.»

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Nun aber reiste Shapiro kürzlich nach Kiew, um den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski zu interviewen. Im Gegensatz zu anderen Trump-nahen Podcastern, die oft nur die Halbwahrheiten und Lügen des amerikanischen Präsidenten wiedergeben, erklärte Shapiro in einem einführenden Monolog die schmerzhafte Geschichte der Ukraine. Er ging zurück bis zum Holodomor, der von Stalin künstlich verursachten Hungersnot. Er erinnerte an das Budapester Memorandum von 1994, in dem Kiew auf das sowjetische Atomwaffenarsenal im Gegenzug für Sicherheitsgarantien verzichtete. Das Interview mit Selenski führte er im Schatten der Sophienkathedrale. «Ihre Grundsteine wurden Jahrhunderte vor der Entstehung des russischen Zarenreichs gelegt», betonte Shapiro.

Putin – einer der «repressivsten Diktatoren des Planeten»

Der 41-Jährige veröffentlichte das Interview vergangene Woche in zwei Teilen. In begleitenden Kommentaren kritisierte der orthodoxe Jude die Verhandlungsstrategie der amerikanischen Regierung. Die Ukraine sei bestimmt kein perfekter Partner, sagte er. Aber die Frage müsse lauten, was das Interesse der USA sei. «Was sicher nicht in Amerikas Interesse liegt, ist ein mächtigeres Russland.» Wladimir Putin sei einer der «repressivsten Diktatoren des Planten» und unterstütze Terrorregime auf der ganzen Welt. Für Shapiro ist klar: «Russland ist das Problem.»

Die USA übten bis anhin jedoch nur Druck auf die Ukraine aus, kritisierte Shapiro die Verhandlungsstrategie des Präsidenten. Dabei habe Selenski bereits einem bedingungslosen Waffenstillstand zugestimmt. «Die einzige Person, die hier keinen Frieden will, ist Wladimir Putin.» Russland werde nur einem Abkommen zustimmen, das die Möglichkeit für eine erneute Aggression offenlasse, um seine Kriegsziele zu erreichen. «Es geht nicht um einen Grenzkonflikt. Es geht darum, ob es die Ukraine geben soll. Die Ukraine will existieren, Putin will dies nicht.»

Shapiro kritisiert auch den ehemaligen Fox-News-Moderator Tucker Carlson, eine der einflussreichsten prorussischen Stimmen und ein Trump-naher Podcaster in den USA. Carlson interviewte im vergangenen Jahr den russischen Philosophen Alexander Dugin, der als Vordenker von Putins neoimperialistischen Ambitionen gilt. Carlson sei Dugins «ideologischer Verbündeter», erklärte Shapiro. «Tucker hatte Dugin in seiner Show und lobte ihn. Dann stellte er ihm keine einzige Frage über die russischen Ambitionen, weil dies die Informationsblase seiner Zuschauer platzen lassen könnte.»

Angesichts der imperialistischen Ambitionen reiche Trumps Strategie des Zuckerbrots für Putin nicht aus, meint Shapiro. Wie im Kalten Krieg sei eine «totale Kompromisslosigkeit» notwendig. «Amerika hat den Russen während eines halben Jahrhunderts zu viel höheren Ausgaben als für die Ukraine standgehalten.»

Hoffen auf ein spätes Umdenken

Ob Shapiro die Meinung des Präsidenten und seiner Ukraine-kritischen Anhänger damit ändern kann, bleibt indes abzuwarten. Wenn es um die Ukraine geht, ist Shapiro unter den Trump-nahen Podcastern noch eine Ausnahme. Gemäss einer aktuellen Umfrage des Pew Center sehen nur noch 40 Prozent der Republikaner in Russland einen Feind, im Jahr davor waren noch 58 Prozent dieser Ansicht. Der Harvard-Absolvent zeigte bereits früher Sympathien für Kiew. «Wir haben ein Interesse daran, das russische Militär zu besiegen, damit es nicht in umliegende Länder einmarschiert», schrieb Shapiro 2023 in einem Tweet. In Trumps erstem Wahlkampf 2016 gehörte er noch zu den Kritikern des heutigen Präsidenten.

Wenn es aber etwa um Trumps abenteuerliche Zollpolitik geht, ist Shapiro nicht mehr der einzige Kritiker unter den konservativen Podcastern. Er selbst meinte zu den hohen Einfuhrgebühren: «Die Idee, dass dies an sich gut sei und die amerikanische Wirtschaft stärke, ist verkehrt.» Joe Rogan, der vielleicht einflussreichste Trump-Anhänger unter den Podcastern, bezeichnete den Wirtschaftskrieg mit Kanada und Trumps Idee einer Annexion des Nachbarlands als 51. Gliedstaat als «dumm» und «lächerlich». Der Trump-Unterstützer David Portnoy verlor an der Börse nach eigenen Angaben kürzlich bis zu 20 Millionen Dollar. Er will dem Präsidenten noch Zeit bis zu den Zwischenwahlen im nächsten Jahr geben, meint aber: «Wenn die Börse sich nicht erholt, werden die Leute mit ihren Stimmzetteln sprechen.»

Die radikalsten Zollerhöhungen hat Trump für 90 Tage auf Eis gelegt. Nach dem Vieraugengespräch mit Selenski in Rom gab er sich auch in Bezug auf die Ukraine nachdenklicher. So meinte er über Putin: «Vielleicht will er den Krieg nicht stoppen, sondern hält mich nur hin – und muss anders behandelt werden.» In solchen Momenten des Zweifelns könnten konservative Stimmen wie Shapiro entscheidend sein, sollten sie sich noch mehren. In seiner Bilanz zu Trumps ersten 100 Tagen im Amt meinte Shapiro am Montag: «Es ist gut, dass Präsident Trump die Realität erkennt, wenn es um die Russen geht.» Allerdings droht der amerikanische Präsident dem Kremlchef auch jetzt nur mit weiteren Wirtschaftssanktionen. Für Shapiro ist das zu wenig. Es gebe einen anderen Weg: «Die Erhöhung der Militärhilfe an die Ukraine.»

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