Mit einer liberalkonservativen Regierung und einem nationalkonservativen Präsidenten hat Polen schlechte Erfahrungen gemacht. Die Wahl des gemässigten Präsidentschaftskandidaten Rafal Trzaskowski wäre ein Fortschritt – trotz seinem Fehlstart.

Die Transparente von Porsche hängen überall am Warschauer Flughafen: drinnen im Terminal und draussen vor den Eingängen. Der deutsche Sportwagenhersteller hat in diesen Tagen das Tor der polnischen Hauptstadt zur Welt gewissermassen für sich gepachtet.

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Anders als in Deutschland boomt die Wirtschaft

Die Werbeaktion sagt einiges über den Zustand der polnischen Wirtschaft und vor allem über die Kaufkraft im grössten östlichen Mitgliedsstaat der EU aus. Das Land, in dem bis vor wenigen Jahren noch Occasionen aus Deutschland das Strassenbild dominierten, ist nun offensichtlich reif als Massenmarkt für Sportwagen und hochpreisige SUV.

Anders als in Deutschland und anderen grossen europäischen Volkswirtschaften wie Frankreich und Grossbritannien läuft die Wirtschaft in Polen weiterhin auf Hochtouren. Im ersten Quartal wuchs das polnische Bruttoinlandprodukt um 3,2 Prozent. Dank steigenden Investitionen und robusten Konsumentenausgaben erwarten die meisten Ökonomen eine ähnliche Expansion auch für das Gesamtjahr.

Wenn die Wirtschaft derart gedeiht, sollte das der regierenden Partei Rückenwind verleihen. «It’s the economy, stupid», heisst es bekanntlich. Doch in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen am vergangenen Sonntag schnitt der favorisierte Kandidat der regierenden liberalkonservativen Bürgerplattform, Rafal Trzaskowski, unerwartet schlecht ab. Er lieferte sich beinahe ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit seinem Hauptrivalen, Karol Nawrocki von der nationalkonservativen PiS-Partei.

Statt wie erhofft mit bis zu sechs Prozentpunkten wird Trzaskowski nun mit lediglich einem hauchdünnen Vorsprung in die Stichwahl am 1. Juni gehen. Um deutlich mehr Anhänger hinter sich zu scharen, wird er noch einiges an Überzeugungsarbeit leisten müssen.

Kritik aus dem mächtigen kirchlichen Lager

In seiner bisherigen Rolle als Bürgermeister Warschaus machte sich Trzaskowski vor allem als Standortförderer verdient. Die Metropole boomt dank den Zentralen zahlreicher internationaler Konzerne. Auch Startups fühlen sich dort wohl. Bei der Infrastruktur gab es besonders im Verkehrsbereich spürbare Verbesserungen.

Kritiker aus dem einflussreichen kirchlichen Lager Polens nehmen Trzaskowski hingegen übel, dass er Kreuze von öffentlichen Gebäuden entfernen liess. Auch sein Einsatz für die Besserstellung sexueller Minderheiten kam nicht überall gut an.

Sein Gegner Nawrocki versucht, daraus Kapital zu schlagen. Vielen Polen geht der gesellschaftliche Wandel, der mit dem steigenden Wohlstand einhergeht, zu schnell. Nawrocki behauptet, mit Trzaskowski an der Staatsspitze gingen traditionelle Werte in Polen noch stärker als bis anhin verloren. Es brauche ein Korrektiv zur Regierung, die ohnehin nach der Pfeife liberal eingestellter westeuropäischer Mächte tanze.

Begrüssenswerte Initiativen im Bereich der Deregulierung

Allerdings zeigte sich seit der Wahl der heutigen Administration im Oktober 2023, wie problematisch eine Cohabitation zwischen den Liberalkonservativen und der PiS ist. Der bisherige Präsident Andrzej Duda verblieb nach seiner erstmaligen Wahl vor zehn Jahren trotz seinem Parteiaustritt in vielen Fragen stramm auf der Linie der Nationalkonservativen. Seit dem Regierungswechsel vor knapp eineinhalb Jahren blockierte er kraft seiner Vetomacht rund zwei Dutzend Gesetze.

Mit Nawrocki im Präsidentenamt würden Polen weitere Jahre der Blockierung drohen. Wichtige Initiativen insbesondere im Bereich der Deregulierung, die sich die Regierung unter anderem für den gelähmten Justizapparat und die oft ineffiziente Verwaltung vorgenommen hat, liefen Gefahr, steckenzubleiben. Für das sonst so dynamische Polen wäre das eine verpasste Chance.

Trzaskowski erscheint aber auch aussenpolitisch gesehen als die bessere Wahl als Nawrocki. Als ehemaliger Europapolitiker ist er in Brüssel bestens vernetzt. Er würde zusammen mit dem ebenfalls europaerfahrenen Gespann aus Ministerpräsident Donald Tusk und Aussenminister Radoslaw Sikorski ein kompetentes Trio bilden.

Polen böte sich die Chance, mit den dreien international endlich eine Führungsrolle zu übernehmen. Auch Europa, wo starke und verlässliche politische Führungskräfte zurzeit rar sind, würde profitieren.

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