Mittwoch, November 27

Eine neue Serie erzählt, wie perfide ein niederländischer Super-Samenspender vorging. Und macht auf ein grösseres Problem aufmerksam.

Jonathan Meijer ist besessen davon, seine Gene weiterzugeben. Meijer, 43 Jahre alt, aus den Niederlanden, hat so lange Kinder gezeugt, bis ihm ein Gericht verbot, seinen Samen zu spenden. Netflix hat die Geschichte verfilmt, Anfang Juli ist die Doku «Der Mann mit 1000 Kindern» erschienen.

Eine der Frauen, die in der Miniserie zu Wort kommen, ist Nicolette. Sie ist Niederländerin, lesbisch und sehnte sich danach, Mutter zu werden. Im Internet stiess sie auf das Profil eines privaten Samenspenders. Es handelte sich um Jonathan Meijer. Nicolette glaubte, den perfekten Vater für ein Kind gefunden zu haben.

Ihr gefielen Meijers lange blonde Locken, die blauen Augen, sein verschmitztes Lächeln. Meijer versprach, für das Kind da zu sein. Er erzählte Nicolette, er habe bislang erst zwei Familien «geholfen». Die beiden arrangierten ein Treffen. Meijer besuchte Nicolette zu Hause und verschwand im Badezimmer. Er hinterliess einen vollen Behälter mit Ejakulat. Nicolette spritzte es sich in den Unterleib. Und wurde schwanger.

Wie viele sind es insgesamt?

Einige Jahre später erfährt Nicolette, dass eine Arbeitskollegin ebenfalls dank einer Samenspende schwanger wurde. Als sie erzählt, dass ihr Spender aus Den Haag komme, macht die Kollegin grosse Augen und sagt: «Meiner auch.» Sie lachen darüber. Was für ein Zufall. Noch sind sie ahnungslos.

Die vermeintlichen Zufälle häufen sich. Eines Tages wird Nicolette von einer Kollegin auf die Ähnlichkeit ihrer Töchter angesprochen. Haarfarbe, Nase, Augenbrauen, ja sogar die Ohren der Mädchen sind gleich. Die beiden Frauen finden heraus: Sie teilen den gleichen Samenspender. Nicolette erfährt von immer mehr Frauen, die von Meijer schwanger wurden: von einer Bekannten, der Freundin ihres Ex-Partners, einer Frau aus ihrem Heimatort.

Und sie fragt sich: Wenn es in ihrem Umfeld so viele Kinder von Meijer gibt, wie viele sind es dann insgesamt?

Es sind unfassbare viele. Meijer ist ein Serien-Samenspender, er ist der Vater von Hunderten Kindern, manche sagen von Tausenden.

Private Samenspenden sind nicht reguliert

Die Frauen und Paare kontaktierten Meijer auf der Website «Sehnsucht nach einem Kind», die er offenbar mit einem zweiten niederländischen Serien-Samenspender führte. Meijer besuchte die Frauen zu Hause, manchen übergab er das Sperma auch in einem Einkaufszentrum oder am Bahnhof. Meijer soll rund 160 Franken pro Spende erhalten haben, schreibt die «New York Times».

In der Netflix-Doku sagen die Frauen, dass der Ablauf der Samenspende eklig gewesen sei, sie sich dafür geschämt hätten. Aber der Wunsch nach einem Kind überwog. Viele der Frauen und Paare sahen in Meijer einen attraktiven und charismatischen Samenspender, sie hofften, dass sich die guten Gene auf ihr Kind übertragen würden.

Meijer spendete laut Medienberichten auch für grosse internationale Samenbanken, die California Cryobank und die in Dänemark ansässige Cryos International. Beide Samenbanken betonen auf ihrer Website, ihre Spender streng zu kontrollieren.

Der Fall von Jonathan Meijer zeigt auf, wie lückenhaft das Samenspende-System reguliert ist. In vielen Ländern gibt es Vorschriften, wie viele Kinder ein Samenspender in Kliniken zeugen darf.

In den Niederlanden beschränken unverbindliche Richtlinien das Spenden in einer Klinik auf 25 Kinder. In Deutschland darf ein Samenspender maximal 15 Kinder zeugen, in der Schweiz liegt die Obergrenze bei 8 Kindern. Eine Samenspende für eine Einzelperson ist illegal.

Oft sind das aber Empfehlungen und keine Gesetze. Dazu kommt: Private Samenspenden werden durch die Gesetze und Richtlinien nicht erfasst, sie sind ein rechtsfreier Raum. Es fehlt ein Register, niemand hat den Überblick, wie viele Kinder ein Samenspender bereits gezeugt hat.

Bis ein Gericht ihn stoppte

Die Kinder von Meijer müssen mit der Angst leben, dass sie sich in ein Halbgeschwister verlieben, sie eine inzestuöse Beziehung eingehen.

Nicolette erzählt in der Netflix-Doku, dass ihre Tochter viele ihrer Brüder kenne. Einen möge sie besonders. Sie hätten die gleichen Interessen, die gleichen Marotten, sagt Nicolette. «Meine Tochter sagte mir, sie habe sich in ihren Halbbruder verliebt. Ich sagte ihr, das gehe nicht. Das ist ein grosses Problem.»

Meijer spricht von einer «17-jährigen Erfahrung» als Samenspender. Er reiste dafür um die Welt. Seine Nachkommen leben in den Niederlanden, in der Schweiz, in Deutschland, in Australien, in den USA, in Kenya.

Unterdessen fanden immer mehr Frauen und Paare heraus, dass sie auf eine Täuschung hineingefallen sind. Sie formierten sich zu einer Facebook-Gruppe, tauschten sich aus. Und sie fassten einen Plan: Meijer zu stoppen.

Im April 2023 gelang ihnen das. Ein niederländisches Gericht verbot Meijer die Samenspende. Falls er sich dem Verbot widersetzt, droht ihm eine Geldstrafe von 100 000 Euro. «Der Spender hat die künftigen Eltern bewusst falsch über die Anzahl der Kinder informiert, die er in der Vergangenheit bereits gezeugt hat», erklärte das Bezirksgericht Den Haag damals.

Meijer ignoriert die negativen Folgen seines Tuns. Auf Instagram prahlt er damit, dass seine Geschichte von Netflix verfilmt wurde. Und in einem kürzlich publizierten Youtube-Video sagt er, er habe mit der Samenspende vielen Familien geholfen.

The Man with 1000 Kids | Official Trailer | Netflix

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