Dienstag, Oktober 1

Der 32-Jährige lud nicht nur verstörende Videos ins Netz hoch, er bedrohte auch seine Nachbarn mit dem Tod – weil sie zu laut Rasen mähten. Nun wurde er verurteilt, hinter Gitter muss er aber nicht.

Es ist die Geschichte einer allmählichen Eskalation. Schon als der heute 32-jährige Schweizer 2021 sein Einfamilienhaus im Zürcher Unterland bezog, verunsicherte er seine Nachbarn mit seinem «auffälligen und aggressiven Verhalten». Dies geht aus einem rechtskräftigen Strafbefehl gegen den Mann hervor, in welchen die NZZ Einsicht hatte.

Das Haus bewohnte der junge Mann allein, und er hat dort laut Strafbefehl «zunehmend verwahrlost, zurückgezogen und isoliert von der Gesellschaft» gelebt. Er soll insbesondere herumgeschrien und gegen die Wände geschlagen haben. Die Nachbarschaft habe sich zunehmend Sorgen um ihre Sicherheit gemacht, und es kam auch zu zwei Polizeieinsätzen.

Im März 2022 legte der Beschuldigte einen Brief in den Briefkasten seines Nachbarn. Im Schreiben bedrohte er die Eltern des Nachbarn mit dem Tod, weil diese aus seiner Sicht den Rasen zu laut gemäht hatten.

Im Januar 2023 rastete der Mann auf dem Parkplatz einer Coop-Filiale aus, weil eine Passantin ihn zurechtgewiesen hatte. Der Beschuldigte soll die Frau «übelst beleidigt» und zweimal einen Einkaufskorb in ihre Richtung geworfen haben, ohne sie zu verletzen.

Verstörende Youtube-Filme

Sein Verhalten wurde danach noch irritierender. Ab Juni 2023 begann der junge Schweizer auf seinem Youtube-Kanal über hundert Videos hochzuladen, die ihn jeweils in seinem Keller mit einer Maske zeigten. Gemäss den Aussagen des Beschuldigten handelt es sich bei den Videos um «Filmanalysen» als Kunstform. Zu sehen war aber, wie er immer wieder zum Teil mit einer sehr drastischen Wortwahl tief unter der Gürtellinie laut herumschrie und zum Teil mit einem Fleischermesser auf Plüschtiere einstach.

Im März 2024 schrie er beispielsweise in einem Video, in dem er sich offensichtlich über Gartenarbeiten der Nachbarn aufregte: «Ist euch nicht bewusst, dass ich nicht nur euch in die Revolution führen kann, sondern euch auch töten kann? Ist euch das nicht bewusst? Ist euch nicht bewusst, dass ich irgendwann zu euch rausrennen werde mit einem Benzinkanister bewaffnet, euch damit übergiessen werde und dann anzünden? Nicht? Gut, viel Spass beim Pflegen des Gartens dieser beschissenen Villa, ihr erbärmlichen Missgeburten!»

Im September 2023 schrie er in einem anderen Video: «In der dritten Staffel werden wir je nach Lust und Laune die Gonzo-19-Maske tragen, oder, die Gonzo, seht ihr, die sieht viel süsser und lieber aus. Die meint es noch gut mit den Menschen. Aber die hier nicht. Die will vernichten. Die will sich verkleiden und draussen auf Menschenjagd gehen. Sie nicht nur erschrecken, sondern sie gleich töten. Vielleicht sie zuerst verarschen und in gutem Glauben lassen, dass sie nur verarscht werden, und dann plötzlich das Messer rausholen und erstechen . . . und erstechen . . . Ich brauche ein schärferes Messer, damit kommt man nicht durch die Haut hindurch, geschweige durch Knochen . . .»

Der junge Mann muss in Therapie

Laut dem Strafbefehl verängstigte der Beschuldigte seine Nachbarn derart, dass sie um ihr Leben fürchteten und mehrmals die Polizei alarmierten. Der junge Filmanalytiker wurde im April 2024 verhaftet und sass 20 Tage in Haft.

Bei der Hausdurchsuchung wurden mehrere Gegenstände eingezogen und vernichtet. Der Strafbefehl listet unter anderem einen Teddybären mit einem Kabel um den Hals auf, einen Plüschhund, zwanzig Masken, zwei Messer, eine Perücke, einen Hut, eine Handsäge und eine Flagge.

Die Staatsanwaltschaft I für Gewaltdelikte hat den 32-Jährigen nun wegen «Schreckung der Bevölkerung» zu einer bedingten Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 30 Franken (3600 Franken) verurteilt. Die Probezeit beträgt 3 Jahre. Der Mann sass 20 Tage in Haft.

Die Probezeit für den Vollzug der Geldstrafe wurde bei verlängerten 3 Jahren festgesetzt. Für die Dauer dieser Probezeit wird eine Bewährungshilfe angeordnet. Zudem wurde dem Beschuldigten die Weisung erteilt, sich während der Dauer der Probezeit auch einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung zu unterziehen, die überwacht werden soll.

Dem Beschuldigten wurden die Verfahrenskosten von total 1000 Franken auferlegt. Die Kosten seiner amtlichen Verteidigung gehen auf die Staatskasse.

126 Videos auf Youtube gelöscht

Sein Youtube-Kanal existiert noch. Fast alle Videos darauf, bis auf ein einziges, sind jedoch gelöscht worden. Das eine Video kann weiterhin betrachtet werden. Der Beschuldigte hält dazu als Kommentar fest, es sei sein Favorit aller 126 Folgen. Auch in diesem Video ist zu sehen, wie er sich maskiert in seinem Keller in Szene setzt.

Zudem teilt der Beschuldigte unter dem Video mit, seine Plüschtiere «Vladimir Mohammed McWalter» und «Creepy Tillyboy» seien «von der helfenden Hand der Staatsgewalt» vernichtet worden. «Sie leben nicht mehr.» Drei Wochen Gefängnis hätten sich «als eine effektive Foltermethode für zu extreme Kunstfanatiker» herausgestellt.

In der allgemeinen Info zu seinem Youtube-Kanal heisst es zudem, eine Verschwörung zwischen der Polizei und der Staatsanwaltschaft habe dazu geführt, dass der Betreiber für seine Videos «drei Wochen im Knast gelandet» sei. Der Anklagepunkt sei nur wegen seiner Filmanalysen erfunden worden. Bis seine Bewährungszeit abgelaufen sei, liege die neue Kunstform für drei Jahre auf Eis.

Er kündigt allerdings an, am 1. Mai 2027 werde es weitergehen. «Ein Facebook-Back-up oder gar ein zensiertes und kommentiertes Re-Release der ersten 126 Folgen auf Youtube» werde es aber garantiert nicht geben.

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