Freitag, Oktober 18

Eine Krönung ohne Krone, ein Thronwechsel ohne Thron: Die dänische Monarchie will bloss nicht zu sehr auffallen. Wird sie so überleben?

Die Krone bleibt am Sonntag in der Schatzkammer. Im Gegensatz zu den pompösen Feierlichkeiten, die in Grossbritannien für Charles III. veranstaltet wurden, beschränkt sich der Thronwechsel in Dänemark auf ein paar Unterschriften im Beisein des Staatsrates. Das Spannendste an der Zeremonie wird wohl der Wahlspruch sein, den Frederik X. gemeinsam mit Premierministerin Mette Frederiksen auf dem Balkon des Schlosses Christiansborg verkünden wird.

Die Zurückhaltung hat in der dänischen Monarchie Tradition. Seit der Einführung der Verfassung 1849 beschränkt sich die Krönung neuer Regenten auf eine simple Proklamation. Das passt auch zum neuen Monarchen. Der 55-Jährige wollte nie König werden. Als Kronprinz hat er stets versucht, einfach nur Frederik zu sein – oder «Fred from Denmark», wie er sich einst seiner Frau Mary vorgestellt haben soll.

Doch der zurückhaltende Frederik hat auch eine andere Seite. Er liebt schnelle Autos und wilde Partys. Die Aufmerksamkeit der Medien zieht er nicht nur mit seinen sportlichen Leistungen wie seiner Teilnahme am Ironman auf sich. Als Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees stimmte er 2016 dafür, dass Russland an den Spielen in Rio de Janeiro teilnehmen durfte. Jüngst machten Gerüchte die Runde, dass er seine Frau Mary mit der Schauspielerin Genoveva Casanova betrogen haben soll. Die dänische Boulevardzeitung «Ekstra Bladet» hat ihm schon vor der Krönung den Titel «Skandalkönig» verliehen.

Wer also ist dieser Frederik wirklich?

Eine falsche Identität

Kronprinz Frederik ist 12 Tage alt, als er im Juni 1968 zum ersten Mal Kameras erblickt. Sein Vater Henrik und seine Mutter Margrethe – damals noch Kronprinzessin – präsentieren den künftigen Regenten vor dem Schloss Amalienborg den Medien. Die Taufe des Prinzen wird in den Strassen Kopenhagens mit einer Blaskapelle und schwenkenden Fähnchen gefeiert. Es ist der Beginn einer lebenslangen Reality-Show.

Die Boulevardpresse begleitet den schüchternen Jungen an seinem ersten Schultag, und sie verfolgt ihn zum Fussballtraining. Frederik hasst die Aufmerksamkeit. Die Eltern sind oft abwesend, und sein Bruder Joachim ist in der Kindheit und Jugend sein bester, vielleicht einziger, Freund. Doch etwas trennt die beiden Brüder. Auf dem 377 Tage älteren Frederik lastet eine Verantwortung, die der Zweitgeborene nicht kennt. Später wird Fredrik sagen, dass er die Aussicht, König zu werden, in seiner Jugend als Nachteil empfand, die ihn unsicher und unbeholfen machte.

Als junger Erwachsener rebelliert er gegen sein Schicksal. Aus dem Kronprinzen wird in der Presse der Partyprinz. Er liefert Geschichten, die sich verkaufen. 1988 sorgen Joachim und Frederik mit einem Autounfall für Schlagzeilen. Auf einer schmalen Strasse in Südfrankreich verliert Joachim die Kontrolle über den Peugeot 205 als er einem entgegenkommenden Fahrzeug ausweichen will. Frederik wird aus dem Fahrzeug geschleudert und bricht sich das Schlüsselbein.

Ab den 1990er Jahren wird er regelmässig in verschiedenen Klubs gesichtet. Mal sucht an der MTV-Afterparty Cannabis für den Rapper Snoop Dogg. Mal feiert er an einer Playboy-Party mit leichtbekleideten Frauen. Auch die Feier zu seinem 40. Geburtstag sorgt für Schlagzeilen, weil Anrainer des Schlossparks die Polizei wegen Lärms zu später Stunde alarmieren.

Das Leben des Prinzen erscheint wie eine Seifenoper, zu der sich jeder ein Urteil erlauben kann. In Frederiks Beziehung zum Model Katja Storkholm sieht die Öffentlichkeit der 1990er Jahre einen Skandal. Eine Frau, die Geld damit verdient, in Unterwäsche zu posieren, ist vielen Däninnen und Dänen an der Seite des Kronprinzen nicht genehm. Ebenso wenig wie später die Pop-Sängerin Maria Montell.

Ausserhalb Dänemarks schafft es der Prinzz, seine Identität zu verschleiern. 1992 schreibt er sich unter dem Pseudonym Frederik Henriksen in Harvard ein. An verschiedenen Sportanlässen und Konzerten soll er unter anderem als Brian Jensen, Hans Hansen and Frederik Hansen teilgenommen haben. Und als er 2000 in einer Bar in Sydney eine Frau kennenlernt, weiss diese nicht, dass es Seine Hoheit ist, die sie gerade anbaggert. Vier Jahre später heiratet Frederik die Australierin Mary Donaldson.

Frederik will sein Leben lang mehr sein als sein Titel. Er erlangt in Staatswissenschaften einen Masterabschluss, durchläuft im Kampfschwimmer-Korps die härteste Einheit der dänischen Streitkräfte und absolviert den Ironman. Trotzdem wird er am Ende das, was er nie sein wollte: König von Dänemark.

Spiel um die Aufmerksamkeit

Die dänische Monarchie ist 2024 so stabil wie seit Jahrzehnten nicht mehr. In einer aktuellen Umfrage gaben 70 Prozent der Befragten an, das Königshaus behalten zu wollen. Das ist vor allem der abdankenden Margrethe II. zu verdanken. Ihre Beliebtheit hat auf die Institution abgefärbt.

Selbst der Widerstand der vehementesten Gegner scheint nachgelassen zu haben. Als die Königin im Oktober das Parlament eröffnet hat, blieb die links-grüne Einheitsliste nicht wie gewohnt auf ihren Plätzen sitzen. Sie begnügte sich mit einem Akt diskreterer Gegenwehr: Die linken Parlamentarierinnen und Parlamentarier betraten den Saal erst, nachdem die Königin Platz genommen hatte.

Unter den Däninnen und Dänen ist Frederik trotz – oder vielleicht gerade wegen – den vielen Schlagzeilen so beliebt wie seine Mutter. Anders als Margrethe II. gibt er sich gerne als einer vom Volk, interessiert sich für Sport und Konzerte statt für Hochkultur und versucht seinen vier Kindern eine gewöhnlichere Kindheit zu bieten, als er sie hatte. Dazu gehört, dass er sie auf dem Lastenvelo durch Kopenhagen kutschiert.

Die Macht des modernen Monarchen ist eine symbolische. Frederik könnte seine nutzen für den Kampf gegen den Klimawandel. Während einer viermonatigen Expedition durchquerte er das nördliche Grönland auf einem Hundeschlitten und konnte sich aus erster Hand über die Folgen des Klimawandels informieren. Seither spricht er auf Konferenzen und in Interviews über Nachhaltigkeit und fordert Investoren dazu auf, ihr Kapital mit Bedacht zu nutzen. Seiner Glaubwürdigkeit schadet, dass er selbst in Schlössern lebt und mit einem Privatjet fliegt.

Vielleicht wird auch dieser Widerspruch Frederik am Ende nutzen, denn das Widersprüchliche macht ihn menschlich. Die Queen in England hat ihr Leben lang versucht, die Monarchie mit Mystik aufrechtzuerhalten. Die Logik dahinter ist simpel: Nur wenn sich das Königshaus vom gewöhnlichen Volk abhebt, behält es seine Existenzberechtigung. In Dänemark, wo die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler den Hof massgeblich finanzieren, scheint das Gegenteil der Fall.

Die Macht des Regenten und die Dauer des Königreichs seien heute der Gnade des Volkes ausgeliefert, schreibt die republikanische Tageszeitung «Politiken». Die Aufmerksamkeit ist die einzige verbleibende Währung des Monarchen. Anders formuliert: Erst wenn sich niemand mehr für die Königsfamilie interessiert, ist die Monarchie am Ende. Diese Gefahr scheint mit Frederik als König gebannt. Vielleicht hat Fred das Spiel besser verstanden, als viele ihm zutrauen.

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