Mittwoch, November 20

Das Grand Magasin Jelmoli hat die Zürcher Einkaufskultur entscheidend mitgeprägt. Im Film «Jelmoli – Biografie eines Warenhauses» geht die Regisseurin Sabine Gisiger der bewegten Geschichte von Jelmoli nach, der im nächsten Jahr schliessen wird.

«Hier bei uns können Sie alles haben. Hier sind Sie im Haus der tausend Gaben. Wir bedienen Sie und Sie. Sie sind so bedient wie nie», singen Jelmoli-Verkäuferinnen in rosaroten Kitteln in einem Werbe-Jingle der sechziger Jahre des Warenhauses. Damals boomte das Geschäft, das sich durch sein riesiges Sortiment auszeichnete. Ob Elektro-Zubehör, Kleidung, Sportgeräte oder Spielwaren, für lange Zeit befriedigte Jelmoli jegliches Konsumbedürfnis seiner Kundinnen und Kunden.

Nun ist damit bald Schluss. Ende Februar 2025 werden die Rolltreppen stillstehen und die Lichter der Schaufenster erlöschen. Das Einkaufszentrum schliesst seine Türen. «Ja, ich werde dieses Haus vermissen. Es war meine zweite Heimat», sagt Gertrud Gnädiger, Verkäuferin von 1969 bis 2003, im Film «Jelmoli – Biografie eines Warenhauses» der Zürcher Regisseurin und Historikerin Sabine Gisiger. Es ist das Schlusswort des Kinofilms, der im Filmpodium in Zürich zu sehen ist.

Die Geschichte des Warenhauses in sieben Kapiteln

Der Film erzählt in sieben Kapiteln die Geschichte des Warenhauses. Das Material stammt vor allem aus Archiven, gesprochen wird mit ehemaligen Mitarbeitenden sowie Nachkommen der Gründerfamilie. «Ich hatte viele Erinnerungen aus meiner Kindheit und Jugend an das Geschäft. Für mich als Zürcherin war die Innenstadt ohne Jelmoli nicht recht vorstellbar», schreibt Gisiger auf Anfrage. «Das Warenhaus war von Anfang an ein Ort, an dem sich die Hoffnungen und Verwerfungen der Moderne spiegelten.»

Fokussiert wird während der 75 Minuten Spieldauer vor allem auf die Vergangenheit. Denn das Grand Magasin Jelmoli, wie es zu Zeiten seiner Eröffnung im Jahr 1899 noch hiess, hat so manch historisches Ereignis miterlebt und die Geschichte der Zürcher Einkaufskultur selbst mitgeprägt.

Das erste Kapitel handelt unter anderem vom sozialen Engagement des Gründers Franz Anton Jelmoli. Er setzte sich von Beginn an für gute Bedingungen seiner Mitarbeitenden ein, vor allem für Frauen. Er bot ihnen Arbeitsplätze im Verkauf. Und während des Einkaufs im Warenhaus sowie des Austauschs im dazugehörigen Café mit Hütedienst für die Kinder schaffte Jelmoli Räume, in denen sich Frauen in der Öffentlichkeit aufhalten konnten, ohne dabei ihren Ruf zu schädigen. Bis 1919 leitete er das Warenhaus.

Doch beleuchtet der Film nicht nur die glorreichen Zeiten des Warenhauses. Gleich in Kapitel zwei wird es ziemlich düster. In den zwanziger Jahren profilierte sich Jelmoli mit Kolonialwaren. Ausserdem veranstaltete Jelmoli zum Auftakt der sogenannten weissen Wochen – eine Zeit im Sommer, in der ausschliesslich Produkte in weisser Farbe verkauft wurden – einen Umzug, bei dem die «primitiven Wilden» dargestellt wurden. Und in den Schaufenstern standen in Baströcken gekleidete und mit Speer ausgestattete dunkelhäutige Kartonfiguren.

Theateraufführungen hinter Glas

Was heute undenkbar wäre, sorgte damals noch nicht für Aufruhr. Die Schaufenster von Jelmoli entwickelten sich im Laufe der Zeit zu wahren Sehenswürdigkeiten der Stadt. Besonders zur Weihnachtszeit. Dann tanzten die Spielsachen hinter den Scheiben, und die Gesichter der Kinder konnten nicht nah genug am Fenster kleben. Die Bewohnerinnen und Bewohner der Limmatstadt pilgerten hin, um die «Theateraufführungen hinter Glas», wie es im Film beschrieben wird, zu bestaunen.

Auf Franz Anton Jelmoli folgten die jüdischen Hauptaktionäre Isidor, Adolf, Moritz und Max Wolf der Firma W. Wolf & Söhne sowie der ebenfalls jüdische Jelmoli-Direktor Sigmund Jacob. Während des Zweiten Weltkriegs sahen sie sich aufgrund des auch in der Schweiz aufkommenden Antisemitismus bedroht. Sie alle wanderten aus. Die Aktien übernahm Paul Ringier, dessen Firma den sehr populären Katalog des Warenhauses und die Schnittmuster bereits seit vielen Jahren druckte.

In der Nachkriegszeit änderte die Stimmung. Die Schweizer Bevölkerung war im Kaufrausch. Die Geschäfte boomten, und Jelmoli expandierte. Schweizweit wurden Filialen eröffnet.

Schliesslich rückte die Jugend ins Visier des Warenhauses. 1970 eröffnete Jelmoli den «Spotlite», eine 1000 Quadratmeter grosse Ladenfläche. Alles, was das jugendliche Herz begehrte, wurde hier gefunden. Von Magazinen über Fedoras bis zu Beatles-Lampen. Von der Popularität des Geschäfts zeugt nicht zuletzt die Auflagezahl des Katalogs dieses Jahres. Er wurde 420 000 Mal gedruckt. Neben dem Telefonbuch sei der Katalog der grösste Druckauftrag des Landes gewesen, schrieb damals die «Zürichsee-Zeitung».

Im Jelmoli lief immer etwas

Den Zenit erreichten die Geschäfte von Jelmoli in den achtziger Jahren. Das Sortiment war so gross wie noch nie: Reisebüros, chemische Reinigung, Elektrofachgeschäfte oder Optiker – bei Jelmoli fand man so gut wie alles. Und das ausgesprochen günstig. Auf spezielle Angebote und Aktionen wurde per Megafon aufmerksam gemacht: «Nur 35 Franken statt 239, zum Beispiel für dieses Satinkleid, das wir Ihnen hier vorstellen möchten. Meine Damen und Herren, das ist wirklich einzigartig. Das ist Jelmoli. Das ist sensationell. Unser Preisschlager!», ruft ein Mann mit Brille in einer Sequenz des Films ins Megafon.

«Man wusste, im Jelmoli passiert etwas», erinnert sich die Verkäuferin Ursula Zimmermann in der filmischen Biografie: «Einmal hatten wir Besuch von Sophia Loren. Da mussten wir die Rolltreppen abstellen. Bei Claudia Schiffer krachte ein Tresen in der Parfümerie zusammen. Oder es gab Signierstunden mit Künstlern, die Bücher unterschrieben.»

Plötzlich geht es bergab

Ein Jahrzehnt später, ab den neunziger Jahren, stagnierten die Umsätze. Die Gründe: Rezession und mehr Konkurrenz. Das führte dazu, dass sich Jelmoli stärker als Anbieter von Lifestyle statt Ware positionierte. Die Produkte wurden teurer, und gewisse Abteilungen verschwanden. Damit war das Erfolgsrezept jedoch nicht gefunden. Das Warenhaus wurde erneut verkauft. Der Konkurrent Globus ergatterte die sieben rentabelsten Filialen, die restlichen wurden an andere Detailhändler verkauft. Übrig blieb einzig der Flagship-Store an der Bahnhofstrasse.

Dann kommt der Film relativ schnell zum Schluss. Im Jelmoli geht am 28. Februar das Licht aus. Künftig wird Manor im Untergeschoss und auf den ersten zwei Etagen die Geschäfte führen. Die restliche Fläche wird in Büros verwandelt. In knapp drei Monaten heisst es dann zum letzten Mal: «Geschätzte Kundinnen und Kunden, in 15 Minuten schliessen wir unser Geschäft. Wir haben uns über Ihren Besuch gefreut und hoffen, Sie schon bald wieder bei uns begrüssen zu dürfen. Ihnen und dem ganzen Jelmoli-Team wünschen wir einen schönen Abend. Uf Wiederluege!»

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