Emilio Morenatti / AP
Requiem, Volksfest – und vielleicht das erste «Franziskus-Wunder» in einem: So nahm die Welt Abschied vom verstorbenen Papst.
Rom hat aufwühlende Tage erlebt. Noch am letzten Sonntag jubelte eine grosse Menschenmenge Papst Franziskus zu, als er den Gläubigen, die zur Ostermesse angereist waren, im Papamobil einen Besuch auf dem Petersplatz abstattete.
Nur eine knappe Woche später hat Franziskus am Samstag seine letzte Reise angetreten, wiederum im Papamobil. Begleitet von einer riesigen Menschenmenge, wurde sein Sarg vom Petersdom in die Basilika Santa Maria Maggiore gefahren – vorbei an den historischen Monumenten der Stadt bis hinauf auf den Esquilin, einen der sieben historischen Hügel der Stadt, wo sich das Gotteshaus befindet.
Sechs kurze Tage zwischen Freude und Trauer, sechs Tage auch, um einen Anlass vorzubereiten, den es so in der Geschichte noch nicht gegeben hat. Staats- und Regierungschefs aus über 130 Ländern reisten an, ferner gekrönte Häupter, Vertreter der internationalen Organisationen, Religionsführer – und rund 400 000 Menschen, die dem verstorbenen Papst die letzte Ehre erweisen wollten. Der Trauerzug musste aus dem Stand neu erfunden werden, weil Franziskus partout nicht wie seine Vorgänger an seinem «Arbeitsort», wie er den Vatikan nannte, beigesetzt werden wollte, sondern in jener Kirche, die er immer aufsuchte, wenn er zu einer seiner 47 apostolischen Reisen aufbrach beziehungsweise von dort zurückkehrte.
Dort, vor der Marienikone Salus populi Romani («Heil des römischen Volkes»), betete er jeweils und schöpfte Kraft für seine Reisen. Und dort liegt er nun, nahe bei der von ihm verehrten Ikone. Bereits am Sonntag konnte das Volk das schlichte Grab besichtigen.
Als hätte Franziskus Regie geführt
Franziskus hätte Freude gehabt an der Feier zu seinen Ehren. Sie war eine beeindruckende Mischung aus würdigem Requiem und Volksfest. Für Ersteres kann die katholische Kirche auf ein ganzes Arsenal von liturgischen Traditionen zurückgreifen: Choralgesänge, Gebete, Fürbitten, Litaneien, Eucharistie. Unter der Leitung von Kardinal Giovanni Battista Re, dem 91-jährigen Dekan des Kardinalskollegiums, gestalteten die Zeremonienmeister des Heiligen Stuhls eine suggestive Messe auf dem Petersplatz. Sie liess kaum jemanden unberührt. Auch Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter, welche die Schweiz am Samstag an der Feier vertreten hat, sprach nach dem Anlass von «bewegenden Momenten».
Für Letzteres, das Volksfest, führte der verstorbene Pontifex selbst die Regie – so schien es jedenfalls. Es wurde am Samstag kein respektheischender strenger Theologe zu Grabe getragen, sondern einer, der stets die Nähe zu den Leuten suchte und mit seiner Zugänglichkeit viele überraschte. Dass die Stimmung in den Strassen und auf den Plätzen friedlich, ja teilweise fast fröhlich war, passt dazu.
In seiner Predigt spielte Kardinal Re auf diese Eigenschaften Franziskus’ an: Stets habe er die Liebe zu seiner Herde gezeigt. Er sei ein Papst «inmitten der Menschen» gewesen, einer, der ihnen gegenüber immer aufmerksam gewesen sei, vor allem gegenüber den Bedürftigen und Armen. Barmherzigkeit sei eine seiner zentralen Botschaften gewesen, neben dem Engagement für den Frieden, sagte er. Die Kirche habe er stets als Kirche für alle verstanden, als «Feldspital nach einer Schlacht mit vielen Verletzten». Die Menschen, die die Strassen Roms säumten, dankten es ihm mit Applaus, als das Papamobil mit dem Sarg an ihnen vorbeifuhr.
Trump, Selenski und das «erste Franziskus-Wunder»
Das Requiem für Papst Franziskus war auch in politischer Hinsicht bemerkenswert. Die Abdankung für ihn, der sich in seinem Pontifikat bekanntlich schwer damit tat, in den globalen Konflikten – Stichwort Ukraine oder Gaza – die richtigen Worte zu finden, wurde zu einem Stelldichein der Grössen dieser Welt. Der grosse Abwesende war Wladimir Putin, der seine Kulturministerin nach Rom schickte. Derweil führte die kirchliche Regie mit Donald Trump und Wolodimir Selenski zwei Protagonisten zusammen, die noch vor kurzem vor den Augen der Weltöffentlichkeit einen Streit ausgetragen hatten.
Das Bild von Trump und Selenski, wie sie einander im Petersdom gegenübersitzen und diskutieren, ging bereits um die Welt. Wie viel Substanzielles dabei besprochen wurde, weiss man nicht. Jedenfalls war es geeignet, die wüsten Bilder aus dem Oval Office in Washington etwas in den Hintergrund zu rücken. Ob es sich dabei gleich um das «erste Franziskus-Wunder» gehandelt hat, wie die deutsche «Bild»-Zeitung titelte, bleibt abzuwarten.
Neben Selenski suchten auch Emmanuel Macron, Ursula von der Leyen und Giorgia Meloni das Gespräch mit dem amerikanischen Präsidenten. Selbst Karin Keller-Sutter ergriff die Gelegenheit, um ein paar Worte mit ihm zu wechseln – wie auch mit dem ukrainischen und dem französischen Präsidenten sowie der EU-Kommissions-Vorsitzenden. Viel Zeit bleibe da jeweils nicht, sagte die Bundespräsidentin zur NZZ, aber manchmal reiche schon eine kurze Begrüssung, um sich in Erinnerung zu rufen und bei nächster Gelegenheit wieder einen Anknüpfungspunkt zu haben.
Der Alltag kehrt zurück
Schon nach einigen Stunden kehrte wieder etwas Ruhe ein in Rom. Die Politiker verliessen die Stadt mit ihren Flugzeugen, und die Gläubigen und Schaulustigen wandten sich wieder den Sehenswürdigkeiten zu. In den Gassen, welche die Massen aus dem Vatikan über den Tiber in die Stadt führten, assen sie schon wieder Pizza und Gelati – ein Stück Touristenalltag und Normalität.
Im Palazzo Chigi, dem Sitz der Regierungschefin in Rom, atmete man auf. Der Tag war ohne grössere Zwischenfälle über die Bühne gegangen. Giorgia Meloni bedankte sich bei allen involvierten Organisatoren, Ordnungshütern, Sanitätern, Zivilschützern und Freiwilligen. Rom hat es geschafft – wieder einmal.