Mittwoch, März 19

Das Zürcher Museum Rietberg zeigt prähistorische Kult- und Alltagsobjekte aus der Sicht der Indigenen. Die postkoloniale Perspektive ist fragwürdig, trotzdem fasziniert die Ausstellung.

Gold glänzt unverwüstlich. Die Zeit, die Silber schwärzt und Bronze, Kupfer und Messing mit giftig-grüner Patina überzieht, kann ihm nichts anhaben. Wie kaum ein anderes Metall bewahrt es seinen Glanz. Gold strahlt ewig wie die Sonne. Ein göttlicher Stoff war es für die Eingeborenen des nördlichen Südamerika. Seine Reflexion des Sonnenlichts bedeutete ihnen eine direkte Verbindung zum Himmel.

Auf dem Gebiet des heutigen Kolumbien wurden für Zeremonien grosse Brustplatten aus Gold in Gestalt von Mischwesen aus Mensch und Tier, kunstvolle Goldanhänger in Fisch-, Fledermaus- oder Vogelform, ornamentale Nasenringe, aber auch goldene Gefässe und Behälter gefertigt. Besonders filigran geschaffene Votivfigürchen, die als Opfergaben dienten, präsentierten die ganze Lebenswelt der Eingeborenen.

Für solchen Glanz waren auch die spanischen Eroberer empfänglich. Gold allerdings hatte für sie eine ganz andere Bedeutung. Was den Indigenen Ausdruck des Göttlichen war, galt ihnen als Inbegriff materiellen Reichtums. Und sie füllten damit die Schatztruhen der spanischen Krone. Die Gier nach Gold gilt als eine der wesentlichsten Triebfedern für die Eroberung Lateinamerikas und die Zerstörung seiner ursprünglichen Kulturen.

Die Ausstellung «Mehr als Gold – Glanz und Weltbild im indigenen Kolumbien» im Museum Rietberg unternimmt den Versuch, die präkolumbische Goldkunst von einer westlich-akademischen Sichtweise weitgehend zu befreien. Diese verstelle den Blick auf den «wahren» Reichtum der Kunst der indigenen Bevölkerung des vorspanischen Kolumbien. Die Gemeinschaftsschau wurde vom Los Angeles County Museum of Art, dem Museo del Oro in Bogotá und dem Museum of Fine Arts in Houston erarbeitet. Sie beleuchtet präkolumbische Kunst erstmals aus indigener Sicht. In Europa wird sie nur in Zürich gezeigt.

Brustplatte mit Raubkatze, Fisch, Vogel und menschlichen Elementen. Goldlegierung (links); Brustplatte eines Vogelmannes.

Realisiert wurde die umfangreiche Schau unter Mitwirkung von Mitgliedern einer indigenen Gemeinschaft in Kolumbien. Für diese sind die prachtvollen, von ihren Vorfahren hergestellten Kultgegenstände und Alltagsgeräte nicht bloss Zeugen der Vergangenheit. Es sind auch keine Kunstwerke, sondern spirituelle Träger von kosmologischen Vorstellungen und symbolischen Werten. Sie gelten als Zeugnisse eines Weltverständnisses, das auch für die Gegenwart von Bedeutung sei.

Deshalb zeigt die Ausstellung die Funde aus Grabungen nicht als Kunstwerke untergegangener Kulturen, sondern als das, was sie im Kontext ihrer Verwendung waren: Kult- und Gebrauchsgegenstände. Die Schau versucht, die Exponate aus dem Denken und Fühlen Indigener von heute zu vermitteln. Das eröffnet zwar interessante Perspektiven auf diese Kunst. Angaben zum Alter der Objekte sucht man allerdings vergebens.

Der ungewöhnliche kuratorische Ansatz basiert auf der Absicht, die Betrachtungsweise auf diese Objekte radikal umzukehren. Bei all ihrer faszinierenden Ausdruckskraft erschliesst sich ihre volle Bedeutung aber vor allem auch in ihrem ethnografischen und historischen Kontext. Diesen einzuordnen und zu vermitteln, galt bisher als Kernaufgabe eines Museums der Kulturen, wie es das Museum Rietberg ist. Dass solche Grundsätze nun von amerikanischen Institutionen im Zuge der postkolonialen Theorie über Bord geworfen werden, ist fragwürdig.

Korbträger mit Fangzähnen und Schlangen, Keramik (links); Gefäss in Form einer sitzenden menschlichen Figur, Keramik.

Symbolische Bedeutung

Gleichwohl vermag die Ausstellung zu faszinieren. Das alte Kolumbien (ca. 500 bis 1700 n. Chr.) ist bekannt für seine hochentwickelten Techniken der Metallverarbeitung. In den nördlichen Regionen wurde nach dem Wachsausschmelzverfahren gearbeitet, in den südlichen Kulturen das Hämmern und Arbeiten mit Blech perfektioniert. Die meisten Exponate bestehen aus einer Legierung aus Gold und Kupfer. Dies nicht, um das wertvolle Material Gold zu strecken, sondern weil die Legierung aus zwei Elementen den Vorstellungen der indigenen Völker von Dualität und Komplementarität entsprach.

Gold stand dabei für den unveränderlichen Glanz der Sonne. Kupfer, das durch Korrosion seine Farbe verändern kann, wurde mit dem wechselnden Erscheinungsbild des Mondes gleichgesetzt. Der Wert dieser Preziosen lag für die Indigenen denn auch in erster Linie in ihrer symbolischen Bedeutung.

Gezeigt werden auch kunstvoll geschaffene Figuren und figürliche Gefässe aus Ton. Im Vergleich mit diesen Objekten wird anschaulich, dass das Material Gold vor allem wegen seiner leicht zu bearbeitenden Plastizität geschätzt wurde. Wie Tonerde liess sich das weiche Metall bearbeiten.

Der goldene Mann

Dass Gold für die Indianer Kolumbiens keinen rein materiellen Wert hat, macht die Schau überdeutlich. Für die Spanier allerdings war Gold vor allem ein materieller Schatz. Der Goldrausch der Eroberer richtete sich auf ein sagenhaftes Land, das sie Eldorado nannten. Der Begriff hat als Synonym für ein paradiesisches Land, wo Milch und Honig fliessen, Schule gemacht. In einer anderen Legende bezog er sich auch auf eine goldene Stadt. Dabei existierte ein solcher Ort nur in den Köpfen der Conquistadores. Mit El Dorado, dem Goldenen, war ursprünglich eine Person gemeint. Es gibt Belege für einen Krönungsritus, bei welchem ein «goldener Mann» in Erscheinung tritt.

In einem Bergsee nördlich des heutigen Bogotá in Kolumbien wurden von einem Floss aus Goldobjekte als Opfergaben versenkt. Der künftige Herrscher soll sie bei seinem Amtsantritt höchstpersönlich dem Sonnengott dargereicht haben. Sein nackter Körper war über und über mit Goldstaub bedeckt, so dass er in der Nacht im Schein von Freudenfeuern wie ein Mann aus Gold geleuchtet haben soll.

Das Goldfloss von Eldorado, ein Objekt mit mehreren Figuren, das sich heute im Museo del Oro der Banco de la República in Bogotá befindet, soll die Zeremonie auf dem See von Guatavita wiedergeben. Die fein gearbeitete Plastik besteht aus einer Legierung von 80 Prozent Gold sowie Anteilen von Silber und Kupfer. 1969 wurde die Goldschmiedearbeit angeblich von einem Bauern auf der Suche nach seinem entlaufenen Hund in einer Höhle in der Nähe einer alten Muisca-Siedlung entdeckt.

Geschichten, die sich um diesen Brauch ranken, befeuerten zahlreiche Expeditionen. Ziel war der kraterförmige Guatavita-See, der dem kolumbianischen Indianervolk der Muisca als heilig galt. Bis ins 20. Jahrhundert gab es Versuche, den See trockenzulegen, um den vermeintlichen Goldschatz auf dessen Grund zu heben. Heute ist der See als nationales Erbe geschützt.

«Mehr als Gold – Glanz und Weltbild im indigenen Kolumbien», Museum Rietberg, Zürich, bis 21. Juli.

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