Montag, September 30

Die Entlassung sorgt bei der jüdischen Gemeinschaft für Besorgnis.

Der Brandstifter schüttete gerade Benzin vor den Eingang, als der Sicherheitsdienst der Synagoge in Zürich Wiedikon ihn entdeckte. Die Mitarbeiter sprachen den Mann an, worauf dieser flüchtete.

Schon zuvor hatte der Mann versucht, in die Synagoge zu gelangen. Das Sicherheitspersonal wies ihn jedoch ab. Was danach geschah, zeigen Bilder von Überwachungskameras einer Tankstelle in der Nähe: Dort beschaffte sich der Schweizer das Benzin, das er danach vor dem Gotteshaus ausgoss.

Der Vorfall ereignete sich am vergangenen Samstagabend, kurz nach 20 Uhr. Noch im Verlauf der Nacht nahm die Polizei den mutmasslichen Täter fest. Es handelt sich um einen 32-jährigen Schweizer.

Die Polizei beschrieb ihn einige Stunden später in einer Mitteilung als psychisch verwirrten Mann. Er habe allein gehandelt, ein extremistisches Motiv stehe nicht im Vordergrund. Der mutmassliche Täter war der Polizei zudem bereits bekannt, er ist mehrfach vorbestraft wegen Vermögensdelikten.

Staatsanwaltschaft verzichtet auf Untersuchungshaft

Lange blieb der Tatverdächtige jedoch nicht in Haft. Bereits im Verlaufe der Polizeihaft setzte man ihn auf freien Fuss, auf einen Antrag auf Untersuchungshaft verzichtete die Staatsanwaltschaft. Die Polizeihaft, die höchstens 48 Stunden dauern darf, dient den Strafverfolgern dazu, erste Abklärungen zum Tatverdacht zu treffen.

Der 32-Jährige zeigte sich bei ersten Befragungen grundsätzlich geständig, wie die Zürcher Oberstaatsanwaltschaft auf Anfrage schreibt. Die Staatsanwaltschaft führt ein Strafverfahren wegen versuchter Brandstiftung gegen den Mann. Bis zu einem rechtskräftigen Verfahrensabschluss gilt die Unschuldsvermutung.

Die Freilassung des Schweizers erfolgt unter Auflagen. Die Ermittlungsbehörde hat Ersatzmassnahmen ausgesprochen. Die Strafprozessordnung listet eine Reihe von Ersatzmassnahmen auf, die die Behörden anordnen können. Darunter fallen beispielsweise Rayon- und Kontaktverbote, eine therapeutische Behandlung durch einen Arzt oder auch das Tragen von elektronischen Fussfesseln.

Die Staatsanwaltschaft lässt jedoch offen, welche Ersatzmassnahme in diesem Fall ausgesprochen worden ist. Wegen der laufenden Untersuchung und aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes könne man keine weiteren Angaben machen, schreibt die Oberstaatsanwaltschaft.

Trotz dem Vorfall sieht man bei der Stadtpolizei keinen Anlass für eine Verstärkung der Sicherheitsmassnahmen. Aufgrund der ersten Erkenntnisse zu dem Fall des 32-jährigen Mannes genügten die bestehenden Vorkehrungen, heisst es auf Anfrage.

Verunsicherung bei der jüdischen Gemeinschaft

Die Nachricht von der Entlassung des mutmasslichen Täters sorgt in der jüdischen Gemeinschaft dennoch für ein mulmiges Gefühl. Der Stadtzürcher FDP-Gemeinderat Jehuda Spielman sagt: «Ich frage mich, wie die Behörden sicherstellen wollen, dass der Mann nicht erneut zur Tat schreitet.» Es habe in der Vergangenheit genügend Fälle gegeben, in denen psychisch labile Täter rückfällig geworden seien.

Spielman weist darauf hin, dass die Synagoge kaum ein zufälliges Ziel war. Er kenne die persönliche Geschichte des Mannes und die bisherigen Ermittlungsergebnisse nicht, der Mann sei aber bereits einige Tage vor der Tat im Umfeld einer anderen jüdischen Institution aufgefallen. Zudem habe er kurz vor dem Vorfall eine jüdische Person im Quartier belästigt. Die Sicherheitskräfte der jüdischen Institutionen hätten diese Informationen deshalb auch in ihr Dispositiv aufgenommen.

Spielman plädiert deshalb dafür, dass der jüdischen Gemeinschaft mitgeteilt wird, mit welchen Massnahmen man eine Wiederholungstat verhindern wolle. «Das würde vielen Mitgliedern der Gemeinschaft ein besseres Sicherheitsgefühl verschaffen.»

Schon kurz nach dem Vorfall warnte auch Philip Bessermann, der Geschäftsleiter der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, davor, den Vorfall zu unterschätzen, bloss weil die Tat nicht islamistisch motiviert gewesen sei. Er sagte zur NZZ: «Man macht es sich zu einfach, wenn man den Täter als unzurechnungsfähig abtut.» Auch wenn die genauen Hintergründe noch nicht bekannt seien.

In der jüdischen Gemeinschaft hoffen nun alle, dass die Behörden mit ihrer Einschätzung recht behalten werden.

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