Donnerstag, November 13

Die Reservisten werden verdächtigt, einen palästinensischen Häftling schwer misshandelt zu haben – doch Israels extreme Rechte will die Untersuchung nicht akzeptieren.

Dutzende radikale israelische Demonstranten haben am Montag die Militärbasis Sde Teiman in Südisrael gestürmt. Die Menge durchbrach die Absperrungen und stürmte auf den Stützpunkt, wo sie ausgerüstet mit Megafonen und Israel-Flaggen lautstark ihrem Unmut Luft machte. Nur mit Mühe konnten die Armee und die Polizei den Mob vom Gelände drängen. Was war geschehen?

Wenige Stunden zuvor waren Ermittler der Militärpolizei auf der Basis aufgetaucht, um neun Soldaten zu verhaften. Sie werden verdächtigt, einen palästinensischen Häftling schwer misshandelt zu haben. Die Untersuchung der Militärpolizei wurde eingeleitet, nachdem der Palästinenser mit Anzeichen von schwerer Gewaltanwendung, unter anderem an seinem Anus, in kritischem Zustand von der Basis in ein Spital eingeliefert worden war.

Nachdem am Montag Videos von der Verhaftung der neun Reservisten sowie einem hitzigen Streit zwischen den Militärpolizisten und Soldaten publik geworden waren, riefen rechtsextreme Kreise dazu auf, gegen die Untersuchung zu demonstrieren. Hunderte strömten daraufhin nach Sde Teiman, wo die Sicherheitskräfte offensichtlich überfordert waren. Am Abend verlagerte sich der Protest zur Militärbasis Beit Lid, wohin die neun Verdächtigen zum Verhör gebracht worden waren. Auch dort schafften es mehrere zum teil bewaffnete Demonstranten, auf das Gelände zu gelangen. Erst in der Nacht beruhigte sich die Situation. Verhaftungen gab es offenbar keine.

Die Empörung der Rechtsextremen

Ministerpräsident Benjamin Netanyahu verurteilte das Vorgehen der Demonstranten und rief zur Ruhe auf. Generalstabschef Herzi Halevi wurde deutlicher. Die Proteste grenzten an Anarchie und gefährdeten die nationale Sicherheit, sagte der General und stellte sich hinter die Untersuchung der Militärpolizei: «Es sind genau diese Ermittlungen, die unsere Soldaten in Israel und in der Welt schützen und die Werte der IDF bewahren.»

Mehrere Mitglieder von Netanyahus Regierungskoalition sehen dies allerdings anders. Der rechtsextreme Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, bezeichnete die Verhaftungen «unserer besten Helden» als «beschämend». Justizminister Yariv Levin von Netanyahus Likud-Partei erklärte, Israels Soldaten verrichteten «heilige Arbeit», die Festnahmen seien das Resultat einer «moralischen Verdrehung, die von ganz oben ausgeht». Der Opposition dienten die Proteste, an denen sich auch mehrere Parlamentarier beteiligten, derweil als Beweis, dass Netanyahu die Kontrolle über seine Regierung verloren habe.

Nicht zuletzt spiegeln die Geschehnisse vom Montag eine sich verstärkende Tendenz innerhalb der extremen Rechten in Israel, ihr nationalistisch-religiöses und gewaltverherrlichendes Wertesystem auf die Justiz, die Armee und die Polizei zu übertragen. Es handelt sich zwar um eine Minderheit, doch ihre Vertreter haben in der rechts-religiösen Netanyahu-Regierung grossen Einfluss.

Schwere Vorwürfe gegen Sde Teiman

Es ist nicht das erste Mal, dass die Militärbasis Sde Teiman in die Schlagzeilen gerät. Seit Kriegsbeginn dient die Einrichtung als Haftanstalt, wohin Terrorverdächtige für erste Befragungen gebracht werden, bevor sie in reguläre Gefängnisse übergeführt oder freigelassen werden, wenn sich der Verdacht nicht erhärtet. Seit Kriegsbeginn wurden mehr als 4000 Palästinenser aus Gaza nach Sde Teiman gebracht. Mehrere Häftlinge berichteten nach ihrer Freilassung von Misshandlungen oder Folter.

Die israelische Armee hat wiederholt dementiert, dass es in Sde Teiman zu systematischem Missbrauch komme. Zugleich versichert sie, entsprechende Berichte zu prüfen. Im Mai sagte die Generalanwältin der Armee, das Militär habe 70 Ermittlungen dazu eingeleitet. Laut einem Bericht der «New York Times» sind mindestens zwölf israelische Soldaten von ihrem Posten auf der Basis suspendiert worden, unter anderem wegen exzessiver Gewaltanwendung.

Schon vor Monaten hatte die Menschenrechtsorganisation Vereinigung für Bürgerrechte in Israel angesichts der Berichte über Missbrauch und Folter in einer Petition an das Oberste Gericht gefordert, Sde Teiman zu schliessen. Die Armee kündigte daraufhin an, den Betrieb der Haftanstalt schrittweise einzustellen.

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