Mittwoch, April 2

Im April führen die USA Importzölle von 25 Prozent auf Fahrzeuge ein. Die europäische Autoindustrie steckt in der Krise. Das Beispiel von Volvo zeigt, vor welchen Herausforderungen die Branche steckt.

Der Mann, der Volvo in die Zukunft retten soll, ist 74 Jahre alt und eigentlich schon in Rente. Hakan Samuelsson hat seinen alten Job als Geschäftsführer des schwedischen Autoherstellers zurück. Es ist derzeit wahrscheinlich der härteste CEO-Posten in Schweden. Die Autobranche steckt europaweit in der Krise. Und damit nicht genug: Diese Woche führen die USA Importzölle von 25 Prozent auf Fahrzeuge ein.

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Erst drei Jahre sind vergangen, seit Samuelsson seinen Posten an der Spitze von Volvo räumen musste. Für den chinesischen Haupteigentümer Li Shufu standen nicht mehr die PS oder die Optik der Fahrzeuge im Vordergrund. Samuelssons Nachfolger Jim Rowan stand für die Zukunft: Er sollte aus Volvo einen Supercomputer auf vier Rädern machen. Es ist ihm gelungen. Doch das allein reichte nicht. Weshalb Rowen gehen musste, ist nicht bekannt. Klar ist nur, dass der Vorstand ihm nicht zugetraut hat, das Unternehmen durch die bevorstehenden Turbulenzen zu lenken.

Volvo steht vor drei grossen Herausforderungen. Samuelsson muss den Handelskrieg mit den USA bewerkstelligen und die Klimaziele gewinnbringend umsetzen. Und dann gibt es noch ein Grundsatzproblem: Das einst schwedische Unternehmen ist nicht mehr ganz so schwedisch. Der Firmensitz befindet sich zwar noch immer in Göteborg, doch 78 Prozent des Unternehmens gehören inzwischen dem chinesischen Konzern Geely.

Der Handelskrieg

Trumps Handelskrieg wird Volvo hart treffen. Die USA sind Volvos zweitgrösster Markt. Praktisch alle Automodelle werden von aus Göteborg aus in die USA verschifft. Die europäischen Importe werden ab April mit einem Zoll von 25 Prozent belegt. Die kürzlich vorgestellte elektrische Luxuslimousine ES90 wird ausschliesslich in China produziert, was bedeutet, dass in den USA 100 Prozent und in der EU 30 Prozent Zölle anfallen.

Volvo verfügt zwar auch über ein Werk in South Carolina, aber bisher wurde dort nur ein einziges Modell, der grosse elektrische SUV EX90, in kleiner Stückzahl hergestellt. Laut der «Financial Times» will Volvo die Produktionskapazitäten in den USA vergrössern. Das ist genau das, was sich Donald Trump vom Handelskrieg erhofft.

Ob sich das für Volvo auszahlt ist jedoch fraglich, denn das Unternehmen müsste grosse Summen in den Ausbau der Produktionsanlagen investieren. Die schwedischen Tageszeitung «Dagens Nyheter» hält dies für unwahrscheinlich, da die in den USA meistverkauften Modelle XC60 und XC90 bald aus dem Sortiment verschwinden. Und selbst eine lokale Produktion dürfte das Unternehmen nicht vollständig vor den Zöllen schützen, da die Autos zahlreiche nicht-amerikanische Komponenten erhalten, auf die trotzdem ein Zoll anfallen würde.

Die Klimaziele

Volvo hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2030 nur noch Elektroautos anzubieten. Damit ist das Unternehmen auf Kurs, die Klimaziele der EU zu erfüllen. Bis 2035 müssen alle neuen Autos im Betrieb CO₂-neutral sein, schon davor müssen die Flottenemissionen reduziert werden. Eigentlich. Im März entschied die EU-Kommission nämlich, den Autoherstellern mehr Zeit zu gewähren, um die Etappenziele zu erreichen. Sofort wurden Forderungen laut, das Verbot von Verbrennungsmotoren für Neuwagen ganz rückgängig zu machen.

Von Herstellern wie Volkswagen, die ihren Zielen weit hinterherhinken, wurde der Aufschub begrüsst. Bei Volvo sieht man die geänderten Spielregeln kritischer. Das Unternehmen hat viel in die Elektrifizierung investiert. Der letzte CEO, Jim Rowan, sagte im März gegenüber der «Zeit», dass die Elektrifizierung der Autoindustrie essenziell sei, um Europas globale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.

Der Haken: Elektroautos sind in vielen EU-Ländern noch immer ein Nischenprodukt. In Volvos Heimat Schweden betrug ihr Marktanteil im letzten Jahr zwar 35 Prozent – nur Dänemark (52 Prozent) und Malta (38 Prozent) schnitten besser ab. Aber in Deutschland, dem grössten Markt Europas, brachen die Verkäufe im gleichen Zeitraum um 27 Prozent ein.

Im Gegensatz zu Verbrennern fehlen bei Elektroautos günstigere Modelle. Um die EU-Vorgaben einzuhalten und Strafzahlungen zu vermeiden, sehen sich viele Hersteller gezwungen, den Absatz mit Preissenkungen anzukurbeln. Das stellt auch Volvo vor die Frage: Ist das Ziel, nur Elektroautos zu produzieren, noch mit den strengen Gewinnanforderungen vereinbar?

Die Chinesen

Die europäische Autoindustrie ist von China abhängig, denn das Land kontrolliert den Grossteil der weltweiten Batteriezellproduktion. Bei Volvo hat die Abhängigkeit aber noch eine andere Komponente: Die Besitzverhältnisse bringen das Unternehmen zunehmend in die Bredouille. Chinas Nähe zu Russland ist heikel und laut «Dagens Nyheter» mit ein Grund, wieso Volvos Aktienkurs seit dem Börsengang im Herbst 2021 um über 70 Prozent einbrach.

Mit Trumps Handelskrieg wird sich die geopolitische Lage weiter anspannen. Schon heute ist Volvo vom staatlichen Verbot chinesischer Software in Elektrofahrzeugen in den USA betroffen. Der Vorstand von Volvo setzt grosse Hoffnungen in den alten, neuen CEO Hakan Samuelsson. Er soll die chinesische Eigentümerschaft in einen Vorteil verwandeln und günstige Zulieferer finden. Dafür bleiben ihm zwei Jahre. Wenn Volvo die Turbulenzen übersteht, wird dann jemand anders die Geschäftsleitung übernehmen und Samuelsson kann endlich in den Ruhestand.

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