Sonntag, September 29

Androiden wie Teslas Optimus ziehen Milliardeninvestitionen an. Sie sind eine Wette auf die Zukunft. In Japan gibt es hingegen bereits einen Markt für Roboter mit Gefühl wie Lovot.

Lovot weiss genau, wie er um Aufmerksamkeit werben muss. Der kleine Roboter kullert mit den Augen, fiept und wedelt mit seinen Stummelarmen, während sein Schöpfer Kaname Hayashi spricht. Erst als der Chef des japanischen Roboterherstellers Groove X sein Wesen in den Arm nimmt, kommt es zur Ruhe. Ein Roboter zum Knuddeln.

Während die Investoren in aller Welt gerade wieder von einer neuen Welle humanoider Roboter fasziniert sind, verdient Hayashi mit Lovot schon seit 2018 Geld. Etwa 14 000 Lovots hat er bereits verkauft. Das Stück kostet 3000 Euro. «Lovot bietet einen neuen Wert, den frühere Roboter nicht bieten konnten», erklärt Hayashi das lange Überleben des Partnerroboters.

Lovot, eine Kombination aus dem Wort Love (Liebe) und Roboter, soll seine Nutzer emotional erfüllen, sagt Hayashi. Dafür ist das 43 Zentimeter grosse Wesen technisch mit Gesichts- und Spracherkennung, einer auf 37 Grad Celsius erwärmten Roboterhaut und wechselbarer flauschiger Kleidung ausgestattet. Hayashis Werbeslogan lautet: Powered by Love.

Seit Anfang der 1970er Jahre jagen Generationen von Ingenieuren der Vision nach, humanoide Roboter als freundliche Helfer des Menschen zu entwickeln. Prototypen wie Hondas Asimo und der 2015 von Softbank vorgestellte Roboter Pepper weckten Hoffnungen, dass Humanoide bald Teil unseres Alltags sein könnten. Mit neuen Modellen wie Optimus von Tesla erlebt der Hype derzeit einen neuen Höhepunkt. Dennoch bleibt der Durchbruch unsicher, trotz den Milliardeninvestitionen.

Simpel contra komplex

Doch in Japan haben Roboterliebhaber mittlerweile ein marktfähiges Konzept entwickelt: «Haptische Wesen» nennen es die Robotikexperten wie Hirofumi Katsuno von der japanischen Doshisha-Universität und David White von der Cambridge-Universität. Diese Untergruppe der Kommunikations- und Partnerroboter zeichnet sich durch geringes technisches Können, aber hohes emotionales Bindungspotenzial aus.

Der Vorläufer dieser Bewegung ist die Roboter-Robbe Paro, die vor über zwanzig Jahren entwickelt wurde und auf Streicheln reagierte. Paro wurde weltweit in Krankenhäusern und Altersheimen als Tiertherapie eingesetzt. Heute buhlen verschiedene Spielzeugroboter um Aufmerksamkeit, unter ihnen das schwanzwedelnde Kissen Qoobo von Yukai Engineering, der mechanische Hamster Moflin und Panasonics Kommunikationsroboter Nicobo.

Doch Lovot gehört für den Roboterprofessor Katsuno neben dem Roboterhund Aibo von Sony zu den wenigen erfolgreichen Kommunikationsrobotern. «Zusammen mit meinen Forscherkollegen bezeichne ich diese Roboter als neue Companion-Spezies oder kohabitierende Roboter», erklärt er.

Viele Produkte, die Kommunikation oder Unterhaltung versprechen, stehen nach wenigen Wochen mit hängenden Köpfen in der Ecke. Denn die anfängliche Begeisterung weicht schnell der Langeweile. Nicht so bei Lovot, sagt Hayashi. Auch nach drei Jahren werden immer noch 90 Prozent der Modelle genutzt. Hayashi weiss das so genau, weil die Lovot-Kunden 70 Euro pro Monat für die Datenverbindung ihres Roboters zum Hersteller und für die Wartung bezahlen.

Erwartungshaltung senken

Das Geheimnis sei die Einfachheit, meint der Wissenschafter Katsuno. Diese Untergattung der Roboter versuche nicht, die menschlichen Gefühle zu lesen und komplex zu antworten. Stattdessen bieten sie dank Sensoren eine körperliche Erfahrung. Auch Panasonics Entwickler setzen auf unvollkommene Roboter. Nutzer verzeihen ihnen am ehesten und freuen sich über die Reaktionen.

Der Gründer von Groove X kam während seiner Ingenieurskarriere auf dieses Erfolgsrezept. Hayashi war früher in Köln bei Toyotas Formel-1-Rennstall für die Aerodynamik zuständig. Später wechselte er zu Softbank, wo er den legendären humanoiden Roboter Pepper mitentwickelte.

Der Softbank-Chef Masayoshi Son wollte mit industrieller Produktion den Weltmarkt erobern. Aber nach 21 000 produzierten Exemplaren stellte das Unternehmen die Produktion vorerst ein, da das freundliche Wesen kaum genutzt wurde. Hayashi kam dort eine Erleuchtung: «Es gibt einige Dinge, die Roboter schon tun können, und viele, die sie noch nicht können.» Zumindest nicht innert nützlicher Zeit.

Ein zentrales Problem ist die Erwartungshaltung der Menschen. Hayashi führt ein Beispiel an: Wer einen Roboter bitte, ein Bier aus dem Kühlschrank zu holen, müsse beim derzeitigen Stand der Technik nicht einen Augenblick, sondern zehn Minuten warten.

Hype oder Durchbruch?

Hayashi glaubt daher, dass es sich beim jetzigen Run auf humanoide Roboter um einen neuen Hype-Zyklus handelt, wenn auch auf höherem Niveau. Irgendwann werden Roboter die Lücke zwischen Leistung und Erwartung schliessen und den Durchbruch schaffen, davon ist er überzeugt.

Wann genau, weiss er nicht. Der Robotik-Analyst Morten Paulsen von CLSA in Tokio stimmt ihm zu: «Wahrscheinlich sind wir sehr nahe am Höhepunkt des Hype-Zyklus für Humanoide.» Zwar würden viele Investoren darauf wetten, dass die Verbindung von KI und Robotern die Entwicklung beschleunige. Aber die Robotik müsse den gesamten Hype-Zyklus noch einmal durchlaufen, bevor richtige Produkte auf den Markt kämen.

Bis es so weit ist, können die Märkte mit Robotern mit anderem Nutzwert vorbereitet werden, so Hayashi. Damit meint er Roboter, die emotionale Unterstützung bieten, ähnlich wie Katzen oder Hunde. Daher sieht er seine Chancen in der nonverbalen Kommunikation, wie Lovot sie bietet. «Das machen nicht viele, auch nicht die Entwickler generativer künstlicher Intelligenz.»

Als grösste Käufergruppe haben sich die 40- bis 50-Jährigen herausgestellt. Sie kaufen Lovot als Tierersatz. Frauen seien dabei in der Mehrheit. Ältere Japaner hätten zwar oft Berührungsängste mit dieser Art von Robotern, tauten aber schnell auf, wenn sie sich ein bisschen näher mit ihnen befasst hätten. Dann geben sie auch Hunderte von Franken für Kleidung und Accessoires für ihren Lovot aus.

Letztlich ist Lovot aber für Hayashi nur der erste Schritt. Sein Ziel ist es, Roboter mit KI zu trainieren, so dass sie für den Menschen irgendwann einmal als Coach fungieren können. Damit sollen die Menschen darin unterstützt werden, in einer sich schnell verändernden Welt glücklich zu bleiben und weiterhin zu lernen.

Exit mobile version