Sonntag, März 30

Der Franzose Bill Pallot galt als Experte für Stühle aus dem 18. Jahrhundert. Er lehrte Kunstgeschichte und beriet Museen, Galerien, Kunstsammler und das Schloss Versailles. Ein Porträt

Am Ende war es ein Geschmackstest mit der Zunge, der die Zweifel bestätigte. Mit geschmolzener Lakritze wurde das Holz eines Stuhls behandelt, um ihn älter aussehen zu lassen, als er ist. Damit bekam die Aura des gefragten Kunstexperten Bill Pallot, der in ganz Frankreich und darüber hinaus für sein Fachwissen respektiert wurde, erste Risse. Seit dieser Woche steht er nun in Pontoise, in der Nähe von Paris, vor Gericht.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Pallot soll mit einem Restaurator sowie weiteren Personen antike Stühle gefälscht und mit diesen gehandelt haben. Die Möbel gehörten laut ihrer Darstellung angeblich Königin Marie-Antoinette oder Madame du Barry, der Mätresse von Louis XV. Und sie landeten im Schloss Versailles, in Ausstellungen oder in der Sammlung des Bruders des Emirs von Katar.

Der heute 61 Jahre alte Pallot gehört zu den schillerndsten Figuren der Pariser Kunstszene. Er ist der Sohn eines Antiquaren und studierte in Lyon und Paris Kunstgeschichte. Sein 1989 veröffentlichtes Buch, «Die Kunst des Stuhls im Frankreich des 18. Jahrhunderts», gilt noch heute als Standardwerk. Das Vorwort dazu steuerte sein Freund, der Modedesigner Karl Lagerfeld, bei. In der Branche war er bekannt als «Père Lachaise». So wurde der Jesuit François d’Aix de Lachaise genannt, ein wichtiger Akteur am Hof des Sonnenkönigs Louis XIV. Auf Deutsch übersetzt bedeutet es «Vater Stuhl».

Gut vernetzt in der Welt des Kunsthandels

Pallot lehrte Kunstgeschichte an der Universität Sorbonne und heuerte bei einer Pariser Galerie als Experte für Möbel an. Anders als andere Antiquare hatte er einen akademischen Hintergrund. Während die Händler zwar die Echtheit eines Stuhls bestätigen konnten, konnten nur wenige wie er mit viel Wissen über die historische Herkunft der Objekte sprechen. «Das war meine Superkraft», sagte Pallot dem Magazin «Vanity Fair» vor einigen Jahren.

Pallot war ein gefragter Mann – auf beiden Seiten des Kunsthandels. Die Auktionshäuser bezogen sich bei den Beschreibungen der Objekte auf sein Buch. Und auch die Käufer zogen ihn bei, wenn sie eine Einschätzung brauchten. Dank ihm wurden mehrere Objekte als «nationale Schätze» der Republik Frankreich klassifiziert. Das heisst, dass sie nicht ausser Landes gebracht werden dürfen.

Laut eigenen Angaben mochte Pallot den sozialen Aspekt seiner Arbeit und war ein gern und viel gesehener Gast in der Pariser Gesellschaft. Dabei zeigte er sich als Lebemann. Fast immer trug er massgeschneiderte, dreiteilige Anzüge. Die Innenausstattung seines Porsche 911 Targa wurde speziell für ihn entworfen. Ein Anwalt der Gegenseite sagte zu «Vanity Fair»: «Ich habe seine Quittungen gesehen, und er gibt in einem Jahr mehr für alten Bordeaux aus, als ich in meinem Beruf verdiene.»

Ein Schüler äussert Zweifel

Im Jahr 2016 erschütterte dann eine Nachricht das französischen Kulturministeriums das glamouröse Leben von Pallot. Es erklärte, dass die Polizei die Echtheit von Möbeln im Wert von mehreren Millionen Euro untersuche. Darunter auch zwei Stühle aus der Zeit Louis XV, die vom Schloss Versailles gekauft wurden. Noch im selben Jahr wurde Pallot verhaftet. Vier Monate verbrachte er in Untersuchungshaft.

Erste Zweifel wurden jedoch schon vier Jahre früher vorgebracht. Geäussert hat sie Charles Hooreman, ebenfalls Antiquar und ein Student von Pallot an der Sorbonne. Er fand zwei Klappbänke verdächtig, die angeblich aus dem Besitz der Prinzessin Louise Élisabeth, der ältesten Tochter von Louis XV, stammten. Die Möbel standen in der Galerie, in der Pallot arbeitete, zum Verkauf.

Einer Eingebung folgend, schritt Hooreman zur Tat. «Ich leckte am Stuhl, und voilà, ich konnte den Betrug schmecken», sagte Hooreman zu «Vanity Fair». Er erkannte die Arbeit des Restaurators Bruno Desnoues, der eng mit Pallot zusammenarbeitete. Um das Holz alt und schmutzig aussehen zu lassen, bestrich dieser die Möbel mit geschmolzener Lakritze.

Hooreman konfrontierte Pallot mit der Entdeckung, doch dieser stritt die Sache ab. Einige Monate später sah Hooreman, dass die Klappbänke vom Schloss Versailles gekauft worden waren. Auch dort meldete er sich. Doch die Kuratoren sendeten seine Warnung direkt an Pallot weiter, dessen Galerie Hooreman mit rechtlichen Schritten drohte.

Pallot sagt, alles habe als Spass begonnen

Der Prozess gegen die Fälscher läuft seit dieser Woche. Sowohl Pallot als auch Denoues gaben im Vorfeld zu, mehrere Stühle gefälscht zu haben. Die Idee sei ihnen als Scherz gekommen, sagte Pallot laut der Zeitung «Le Monde» dem Untersuchungsrichter. Sie wollten sehen, wie weit sie damit kommen würden. Denoues fertigte die Stühle an, Pallot übernahm den Verkauf. Die gefälschten Möbel nahmen alle Hürden, wurden von Galeristen, Konservatoren und Handwerker untersucht und landeten im Schloss Versailles.

«Das erste Mal war es Spass», sagte Pallot der Zeitung «Le Parisien». Bei den weiteren Malen sei es dann aber um Geld gegangen, gab er zu. «Was ich getan habe, bereue ich natürlich», sagte Pallot. Die Zeit in der Untersuchungshaft habe ihn geläutert. Heute ist Pallot wieder als Berater in der Branche tätig. Er halte sich aber vom Handel fern, beteuert er.

Pallot und Denoues schätzen laut «Le Monde», mit den Fälschungen insgesamt etwa 700 000 Euro verdient zu haben. Das Geld haben sie am Fiskus vorbei auf Schweizer Bankkonten deponiert. Die Ermittler hingegen gehen von einem Erlös von fast 3 Millionen Euro aus. Ein Urteil im Fall ist Anfang Juni zu erwarten.

Exit mobile version