Dienstag, April 29

In seiner Schweizer Heimat ist DKSH nahezu unbekannt, in Asien steuert der Konzern ein Handelsimperium. Was passiert, wenn Trump das Wachstum der Region abwürgt?

Wenn das Zürcher Handelshaus DKSH ein Maskottchen hätte, müsste das eine Riesenschildkröte sein. Diese Tiere können sehr alt werden – und die Wurzeln von DKSH reichen 160 Jahre zurück. Schildkröten bewegen sich langsam, aber unbeirrt. DKSH hat es mit vielen kleinen Schritten auf einen Umsatz von 11 Milliarden Franken gebracht. Schildkröten werden gern übersehen. Kein Riese in der Schweizer Unternehmenswelt erlebt das so wie DKSH.

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Allerdings kann auch eine Schildkröte in einen Sturm geraten. Dieser Sturm kam plötzlich: Das Chaos, das Donald Trump mit seinen Zoll-Rundumschlägen anrichtete, hat DKSH kalt erwischt. Der Aktienkurs brach Anfang April um massive 18 Prozent ein, als der amerikanische Präsident mit seinen sogenannten «reziproken» Zöllen einen Handelsstreit mit Dutzenden Ländern gleichzeitig vom Zaun brach.

Trump legt sich mit dem Kernmarkt von DKSH an

Obwohl Trump diese Strafen inzwischen für 90 Tage pausiert hat und es bei einem Basiszoll von 10 Prozent beliess, haben sich die DKSH-Papiere schlechter erholt als der Gesamtmarkt. Das mag überraschen, denn DKSH erwirtschaftet in den USA nur wenig Umsatz. Doch das Schweizer Unternehmen ist auf eine andere Weltregion angewiesen, auf die es Trump stark abgesehen hat: Südostasien.

DKSH steht für «Diethelm Keller Siber Hegner». Wilhelm Diethelm, Eduard Keller und Hermann Siber waren drei Schweizer Unternehmer, die in den 1860er Jahren nach Singapur, auf die Philippinen und nach Japan emigriert sind. Nach der Jahrtausendwende entstand durch den Zusammenschluss ihrer drei Firmen der Konzern DKSH mit Sitz in Zürich. Der Aktionärspool ihrer Nachfahren hält 45 Prozent der Anteile.

In der Schweiz werden nur rund 200 der insgesamt 28 000 Angestellten beschäftigt. Die meisten sind in Asien beheimatet und tun das, was DKSH auszeichnet: Türen öffnen. Die Firma bezeichnet sich als «Marktexpansionsdienstleister». Wenn ein Unternehmen seine Produkte in einem fernen Land verkaufen will, in dem es sich nicht auskennt, machen die Experten von DKSH das möglich.

DKSH bietet seinen Service in 36 Märkten an, vornehmlich in Südostasien. Die Region besteht aus elf Ländern mit eigenen Sprachen, Regeln und Gepflogenheiten in der Geschäftswelt. Selbst Weltkonzerne scheuen den Aufwand, dort überall für ihre Produkte einen eigenen Vertrieb aufzubauen. Doch DKSH stützt sich auf die während Dekaden angehäufte Erfahrung der drei Gründungsunternehmen – und ist Marktführer.

Was tut DKSH?

bet. · Wer etwas herstellt, muss sich entscheiden: Wie viel Geld steckt er in die Entwicklung des Produkts und wie viel in alles, was es braucht, um das Produkt zu verkaufen – als da wären Zulassung, Marketing, Vertrieb, Logistik, Kundendienst oder auch Inkasso. DKSH übernimmt diese Dienstleistungen, bevorzugt in Asien. Zu den Kunden zählen viele europäische Unternehmen, die ihre Produkte dort verkaufen wollen, aber auch asiatische Unternehmen, die innerhalb der Region expandieren.

Die DKSH-Mitarbeiter nehmen die Ware nach dem Import in Empfang, zum Beispiel Schokolade für Supermärkte oder Medikamente für Apotheken und Krankenhäuser – und dann rumpeln Lastwagen oder Motorräder im Auftrag von DKSH über Strassen Vietnams oder Thailands.

Die südostasiatischen Volkswirtschaften mit ihren 675 Millionen Konsumenten hatten lange Zeit vor allem eines gemeinsam: Sie wuchsen. Das hat Trump mit seinen Zöllen infrage gestellt. Im schlimmsten Fall drohen Exporten aus Thailand, dem grössten Markt von DKSH, 36 Prozent Importabgaben in den USA. Für Malaysia wären es 24 Prozent, für Taiwan 32 Prozent. Doch DKSH ist nicht per se davon betroffen, denn die ausländischen Kunden des Unternehmens wollen ihre Waren in Asien verkaufen und nicht Waren von dort in die USA bringen.

«Wir haben ein robustes Geschäftsmodell und sehen nur limitierte direkte Effekte durch die Zölle», teilt das Unternehmen mit. Für Asien erwartet es weiterhin gutes Wachstum. Möglicherweise werde sich der Handel in der Region verschieben. Ähnliches geschah, als Trump in seiner ersten Amtszeit einen Handelsstreit mit Peking begann und Firmen zur Produktion in andere Länder Asiens auswichen.

China darf die Region nicht herunterziehen

Denn obwohl DKSH kaum in China aktiv ist, hängt von Chinas Handelskrieg mit den USA sehr viel ab. Die Zölle zwischen den beiden Grossmächten sind nun so hoch, dass sie de facto einem Embargo gleichkommen. Da mögen auch die amerikanischen Zölle auf Ausfuhren anderer Länder hoch sein – aber sie sind immer noch niedriger als gegenüber China. Die Wirtschaftsforscher von Oxford Economics folgern: Insbesondere die Länder Südostasiens würden im Vergleich klar besser dastehen und profitieren.

Heikel wird es für DKSH, falls sich die Wirtschaftslage in diesen Ländern durch den Zollstreit verschlechtert. Wenn der Riese China leidet, könnte die ganze Region leiden. Schon im vergangenen Herbst wies die Bank Baader Helvea auf den Gegenwind für DKSH durch Chinas Wirtschaftsschwäche hin, die zum Beispiel chinesische Touristen mit Ausflügen in die Region zögern lasse.

DKSH hofft, dass der Erlösmix den Konzern widerstandsfähig macht. Das grösste Geschäftsfeld, der Vertrieb von Pharmaprodukten, steuert die Hälfte zum Umsatz und zum Betriebsergebnis (Ebit) von zuletzt 334 Millionen Franken bei. Das bietet Stabilität, denn Medikamente werden immer benötigt. Weil die Medizinbranche hoch reguliert ist, kann DKSH hier die Kenntnisse der lokalen Verhältnisse am besten ausspielen.

Mit fast einem Drittel Umsatzanteil folgt der Absatz von Konsumgütern. DKSH vertreibt zum Beispiel in einigen asiatischen Ländern Schokoladetafeln von Lindt & Sprüngli oder Lindor-Kugeln und übernimmt auch Marketing und Logistik. Kleiner sind die Geschäfte mit dem Vertrieb von Spezialchemie sowie von Maschinen und Geräten.

DKSH fährt gut mit diesem Mix: Das Unternehmen sei ein «beständiger Performer» mit anhaltendem Umsatzwachstum, allmählicher Margensteigerung, solidem Cash-Management und progressiv steigender Dividende, kommentierte die Bank Vontobel im Februar. Aber wer nicht überrascht, tut sich auch mit positiven Überraschungen schwer: Die Baader Helvea zeigte sich schon vor dem Zollchaos skeptisch, ob die Firma ihr Wachstum kurzfristig beschleunigen könne.

DKSH will sich mehr Wachstum kaufen

Ein beständiges Problem ist der starke Franken. In Lokalwährungen kletterte der Umsatz vergangenes Jahr um 4 Prozent. Doch in Franken blieb nur ein Plus von 0,2 Prozent auf 11,1 Milliarden Franken übrig. Die niedrige Marge beim Betriebsgewinn von 3 Prozent zeigt, worauf es im Handelsgeschäft ankommt: Masse.

Masse lässt sich kaufen. Im Herbst versprach der CEO Stefan Butz, der DKSH seit 2017 führt, einen Kurswechsel: Das Unternehmen will künftig mehr durch Übernahmen wachsen. DKSH habe so viele potenzielle Kaufobjekte im Visier wie noch nie, hiess es. Jetzt muss der Plan ausgeführt werden. Zum Beispiel hat DKSH vor wenigen Tagen die Übernahme des Lieferanten Zircon-Swis Fine Foods aus Singapur aufgegleist – mit einem Umsatz von 8 Millionen Franken aber eher ein kleiner Fisch. Die Zürcher Kantonalbank (ZKB) befürchtet, dass die Unsicherheiten im Handelsstreit die Übernahmen behindern könnten.

Mit Zukäufen will DKSH auch in Indien zulegen, wo die Schweizer erst wenig Geschäft machen. Noch kleiner ist ihre Präsenz in China. Dass der Konzern in den beiden grössten Volkswirtschaften Asiens so schwach vertreten ist, können unter anderem die Analysten der Baader Helvea nicht verstehen. Doch insbesondere in China müsste sich DKSH gegen starke lokale Konkurrenz durchsetzen. Der Konzern setzt lieber darauf, das Potenzial in den Stammmärkten auszuschöpfen. Welche Schildkröte stürzt sich schon gern in ein Abenteuer.

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