Montag, September 30

Die Grünen versenken zusammen mit den Bürgerlichen einen Vorstoss der EVP.

Wäre das Postulat nicht im Spätherbst eingereicht worden, hätten viele wohl einen Aprilscherz vermutet. Doch im November 2022 herrschte in der Schweiz grosse Sorge, ob im bevorstehenden Winter genug Strom vorhanden sein werde. Da reichte die EVP im Zürcher Kantonsrat ein Postulat für ein Pilotprojekt eines schwimmenden Solarkraftwerks auf dem Zürichsee ein.

Dieses sollte rasch einen substanziellen Beitrag zur Abwendung der drohenden Energiemangellage leisten. Nun gibt es bereits eine Photovoltaikanlage, so gross wie ein Drittel eines Fussballfeldes auf dem Stausee Lac des Toules im Wallis. Doch diese Solarpanels schwimmen auf einem künstlichen Gewässer, und das auf 1800 m ü. M., wo im Winter über der Nebelgrenze häufig die Sonne scheint.

Kühlung für den See

Doch die Idee der EVP war durchaus ernst gemeint. Der Erstunterzeichner Daniel Sommer (Affoltern am Albis) rechnete am Montag im Rat vor, dass 3 Prozent des Zürichsees oder eine Fläche von 2,7 Quadratkilometern genügten, um bedeckt mit Solarpanels bis zu 100 000 Haushalte mit Strom zu versorgen. Laut einer Studie der «Energie Zukunft Schweiz» wäre auf 5 Prozent aller Seeflächen ein Viertel der Schweizer Stromproduktion möglich.

Sommer war sich bewusst, mit seiner Idee Gegenwind auszulösen. Dass ein solches Kraftwerk auf dem Zürichsee einen Eingriff in die Landschaft bedeute, stellte er nicht in Abrede. Für die Natur sieht er aber auch Vorteile. So könnten Fische und Vögel von neuen Rückzugsgebieten profitieren. Und die Beschattung der Seeoberfläche habe einen kühlenden Effekt auf das Seewasser, was das Ökosystem positiv beeinflusse könne.

Die EVP findet es zwar besser, Solarpanels möglichst auf bestehenden Dächern und Gebäuden zu installieren. Sie befürchtet jedoch, dass dies nicht schnell genug erfolgt, um eine allfällige Stromknappheit in den nächsten Jahren abzuwenden. Für sie sind schwimmende Kraftwerke eine Übergangslösung, die man nach 30 Jahren ohne bleibende Spuren in der Landschaft wieder entfernen könnte.

Die bürgerliche Seite überzeugte dies nicht. Paul von Euw (SVP, Bauma) sieht im Vorschlag nur ein weiteres Zeichen einer zum Scheitern verurteilten Energiepolitik. Ein solches Kraftwerk stehe in krassem Widerspruch zum Umstand, dass kaum jemand eine Chance habe, in der Nähe eines Gewässer zu bauen.

Auch Sonja Rueff-Frenkel (FDP, Zürich) erkennt kein einziges Argument, das dafürsprechen würde. Bei der Nutzung des Zürichsees gebe es bereits genug Interessenkonflikte. Damit Anwohner nicht geblendet würden, müsste man vermutlich entspiegelte Solarpanels verwenden, die weniger effizient seien. Ruth Ackermann (Mitte, Zürich) graut es davor, den Zürichsee zu überdecken.

Die SP war zwar nicht Feuer und Flamme für das Seekraftwerk. Sie trat aber für die Überweisung ein, da es gelte, sich alle Optionen offenzuhalten, sagte Markus Bärtschiger (SP, Schlieren). Der Vorstoss sei ein «Biss in den süss-sauren Apfel», doch der geforderte Bericht der Regierung erlaube eine ergebnisoffene Diskussion.

Als er das Postulat erstmals gelesen habe, habe er gedacht, das sei «Gugus», sagt Manuel Sahli (AL, Winterthur). Nach längerem Überlegen konnte sich seine Fraktion wie jene der GLP zu einer «zögerlichen Unterstützung» durchringen, so Franziska Barmettler (GLP, Zürich). Für sie steht im Vordergrund, dass der Ausbau der Gewinnung erneuerbarer Energie nicht schnell genug erfolge.

Solche Ideen schüren Angst

Die Grünen jedoch hatten eine Interessenabwägung vorgenommen, und diese ergab die Ablehnung eines schwimmenden Solarkraftwerks. Dafür spreche, dass es technisch machbar und rasch umsetzbar sei, sagte der Fraktionschef Thomas Forrer (Erlenbach). Ebenso wäre es ein Zeichen an die Bergkantone, dass Zürich nicht nur alpine Solarparks bauen wolle, sondern ebenso bereit sei, etwas zu opfern.

Die Nachteile jedoch hätten überwogen. Der Zürichsee sei im Gegensatz zu Stauseen bereits sehr stark belastet, sagte Forrer. Ausserdem könne man hier nicht primär Winterstrom produzieren. Ein solches Kraftwerk treibe Nutzer in andere Teile des Zürichsees, zudem werde für einige Anwohner der Zugang verschlechtert.

Noch deutlicher wurde David Galeuchet (Grüne, Bülach), immerhin Vorstandsmitglied von Swiss Solar, dem Fachverband der Solarbranche. Er verstehe nicht, weshalb der Vorstoss nicht zurückgezogen worden sei. Aber man müsse ja nicht jeden Witz mitmachen, sagte Galeuchet: Genau solche Ideen für Energieanlagen, die irgendwo, ohne Grenzen zu setzen, aufgestellt werden sollten, machten der Bevölkerung Angst.

Der Regierungsrat hatte sich im letzten Jahr schon dazu bereit erklärt, das Postulat entgegenzunehmen. Am Montag verzichtete der Baudirektor Martin Neukom (Grüne) auf ein Votum. Der Rat lehnte die Überweisung des EVP-Postulats mit 103 gegen 62 Stimmen ab.

Nutzungskonflikte auf dem Zürichsee entzweien die rot-grünen Kräfte zum zweiten Mal in kurzer Zeit. Die Grünen wollten kürzlich das Freizeitvergnügen Wakeboarden auf dem Zürichsee eingrenzen. Als der Rat den Vorstoss im April behandelte, versagte die SP ihnen die Unterstützung.

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