Donnerstag, Januar 16

Der Gemeinderat hat eine sonderbare Anspruchshaltung entwickelt. Dem müssen die Stimmberechtigten einen Riegel schieben.

Zu Jahresbeginn steht für Arbeitnehmer landauf, landab das Jahresgespräch mit dem Chef an. Und jeder hofft auf eine Lohnerhöhung. Das ist im Zürcher Stadtparlament nicht anders. Es will mehr Geld von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern – viel mehr Geld, doppelt so viel Lohn wie heute. So sieht es die revidierte Entschädigungsverordnung vor, die am 9. Februar an die Urne kommt.

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72 Franken pro Stunde halten die 125 Damen und Herren Gemeinderäte alleine für das Absolvieren ihrer Ratssitzungen für angemessen. 120 Franken pro Stunde gar sollen es für die Arbeit in den vorberatenden Kommissionen sein. Das sind stolze Stundenansätze, wie man sie in anderen Städten der Schweiz nicht sieht.

Natürlich ist das Stadtparlament wichtig. Eine massvolle Erhöhung der heutigen Entschädigung wäre auch vollkommen in Ordnung, und die bürgerlichen Parteien hätten dafür auch Hand geboten. Die Anpassung der Teuerung ist zum Beispiel angezeigt. Auch über Ideen, wie sich Amt, Beruf und Familie besser vereinbaren lassen, kann man diskutieren.

Nur: Für all das wäre eine moderate Erhöhung ausreichend gewesen. Nun summiert sich der neue Lohn inklusive Arbeitgeberbeitrag auf über 30 000 Franken pro Jahr und Gemeinderat. Das ist masslos.

Früher waren die Herausforderungen grösser

Die Befürworter der Regelung – eine Mitte-links-Allianz von AL bis Mitte/EVP – behaupten, der Aufwand sei heute viel grösser als früher. Das ist zu hinterfragen. Die Stadt hatte in der Vergangenheit schwierigere Herausforderungen zu bewältigen als heute – die offene Drogenszene zum Beispiel oder die jahrelange finanzielle Schieflage.

In der Verkehrspolitik stellten frühere Kommissionen bedeutende Weichen – man denke an den historischen Parkplatzkompromiss, der den freien Sechseläutenplatz ermöglicht. Heute braucht die Verkehrskommission allein fünfzehn Sitzungen, um eine neue Parkkartenverordnung zu erarbeiten.

Zwar mag es sein, dass einzelne Geschäfte komplexer geworden sind. Den Stadtparlamentariern steht aber ein Heer hochspezialisierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Stadtverwaltung zur Verfügung. Und dass der Arbeitsaufwand zugenommen hat, haben sich die Stadtparlamentarier zu einem guten Teil selbst zuzuschreiben.

Sie beschäftigen die Verwaltung mit immer neuen Anfragen und Vorstössen. «Komplex» wird die Materie oft deshalb, weil man das staatliche Handeln immer weiter ausdehnen will. Hat man zum Beispiel den gloriosen Einfall, die Stadt Zürich solle selbst Nachtzüge kaufen, wird es naturgemäss kompliziert. Sehr oft enden solche Einfälle im Leerlauf.

Das Zürcher Stadtparlament ist wichtig, aber manchmal nehmen sich seine Exponenten zu wichtig. Es muss an der wöchentlichen Sitzung nur eine Schulklasse auf der Zuschauerempore Platz nehmen: Schon sprudeln die Wortmeldungen und Repliken. Sie sind sprichwörtlich für die Galerie und verlängern die Sitzungen unnötig. Mit Kostenfolgen. Zumal künftig pro Minute statt pro Sitzung abgerechnet werden soll.

Volksvertreterinnen und Volksvertreter – keine Spezialisten

Die Lokalpolitiker richten ihre Lohnvorstellungen für ihren Nebenjob am Niveau auf dem Platz Zürich aus. Dieses wird aber von spezialisierten Facharbeitern bestimmt. Das sind die Gemeinderäte nicht. Sie sind Volksvertreterinnen und Volksvertreter – nicht mehr und nicht weniger.

Hinter dem Anliegen eines höheren Gehalts steckt eine Anspruchshaltung, wie sie in der Schweiz allgemein immer häufiger zu beobachten ist. Die Parlamentarier wollen sich ein Grundeinkommen sichern, mit dem sie ihr Leben bequem organisieren können. Das aber ist nicht der Sinn einer Entschädigung für politisches Engagement. Die Motivation dafür sollte man eigentlich voraussetzen können. Politik ist in der Schweiz kein Beruf. Und soll es auch nicht werden.

Die Stimmberechtigten sollten die Revision verwerfen. Und das Stadtparlament dazu verdonnern, einen vernünftigeren Vorschlag auszuarbeiten. Es wäre ein klarer Auftrag vom Chef zum Jahresstart.

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