Montag, Oktober 7

Bald sollen wieder Menschen auf dem Mond landen, ab 2030 könnte es gar eine dauerhaft bewohnte Mondbasis geben. Doch die extremen Bedingungen könnten den Astronauten das Leben schwer machen.

Es gibt keinen Wind, keinen Regen, keine Wolken – kann man überhaupt von Wetter auf dem Mond sprechen? Alle Wetterphänomene der Erde ergeben sich aus der Verteilung von Luft und Wasser in der Atmosphäre. Ohne Atmosphäre fehlt dem Mond auch das klassische Wetter völlig.

Und doch ist auch auf dem Mond nicht ein Tag wie der andere. Denn er ist viel stärker als die Erde dem Weltraumwetter ausgesetzt. Und das ist vor allem eines: tödlich.

Die Erde ist durch ihr Magnetfeld vor Ausbrüchen auf der Sonne geschützt

Das Weltraumwetter wird in erster Linie von der Aktivität der Sonne bestimmt. Denn obwohl es von der Erde aus wirkt, als bliebe die Sonne immer gleich, kommt es an ihrer Oberfläche immer wieder zu grossen Turbulenzen. Dann kommt es vor, dass die Sonne gewaltige Mengen Strahlung und geladene Teilchen von sich schleudert – manchmal in Richtung der Erde und des Mondes. Man spricht dann von einer Sonneneruption oder einem Sonnensturm.

Auf der Erdoberfläche kommt von diesen Ausbrüchen kaum jemals etwas an. Denn das Magnetfeld der Erde lenkt die allermeisten Teilchen ab, bevor sie den Planeten erreichen. Meist ist daher die einzige Auswirkung eines Sonnensturms, dass starke Polarlichter am Himmel leuchten. So wie im Mai dieses Jahres, als eine ganze Reihe starker Sonneneruptionen Polarlichter bis weit in den Süden Europas und Nordamerikas auftauchen liessen.

Doch besonders starke Sonnenstürme können durchaus negative Folgen haben. Sie stören das Erdmagnetfeld so sehr, dass elektronische Geräte Schaden nehmen oder es zu Stromausfällen kommt. Gerade Satelliten, die sich in der Umlaufbahn um die Erde befinden, sind nur schwach vom Magnetfeld geschützt und fallen bei starken Sonnenstürmen häufig aus oder stürzen sogar ab. Der starke Sonnensturm im Mai brachte Tausende Satelliten aus ihrer Umlaufbahn.

Der Mond wird abgeschmirgelt

Anders als die Erde besitzt der Mond kein schützendes Magnetfeld. Und so treffen die von der Sonne ausgestossenen Teilchen mit ungebremster Wucht auf seine Oberfläche. Die Teilchen selbst sind unsichtbar, doch das Bombardement ist so stark, dass es die Oberfläche des Mondes wie mit einem Sandstrahler abschmirgelt. «Sputtering» nennt man das Phänomen im Fachjargon. Bei einem einzigen Sonnensturm kann der Mond dadurch 100 bis 200 Tonnen an Masse verlieren – volle 10 LKW-Ladungen.

Stünde ein Astronaut während eines schweren Sonnensturms völlig ungeschützt auf dem Mond, es erginge ihm ähnlich wie im Umfeld einer gezündeten Atombombe: Seine Haut würde verbrennen, ihm würde übel, innere Organe nähmen Schaden. Die Strahlenkrankheit könnte ihn innerhalb weniger Tage umbringen.

Einen Teil der Strahlung könnte ein Raumanzug abhalten. Doch ab und zu werden die von der Sonne ausgestossenen Teilchen so stark beschleunigt, dass sie sich beinahe mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Diese schnellen Teilchen sind extrem schwierig abzuschirmen, ein Raumanzug hätte keine Chance. Und bereits geringe Mengen solcher Teilchen können Schäden an der DNA auslösen, die das Krebsrisiko erhöhen.

Auch die Elektronik an Bord einer Mondkapsel wäre durch die schnellen Teilchen gefährdet. Bordcomputer, Kommunikation, Lebenserhaltungssysteme: Sind sie nicht ausreichend geschützt, drohen sie während eines Sonnensturms auszufallen.

Astronauten müssen sich abschirmen

Daher ist es für künftige Astronauten auf dem Mond zentral, sich während eines Sonnensturms in einer geschützten Umgebung aufzuhalten. Deshalb haben sich die Entwickler der Orion-Kapsel, mit der die Astronauten der kommenden Artemis-Missionen der Nasa zum Mond fliegen sollen, genau überlegt, wie die Strahlung eines Sonnensturms abgeschirmt werden kann.

So sollen die Astronauten im Fall eines schweren Sonnensturms innerhalb der Orion-Kapsel einen behelfsmässigen Schutzraum bauen. Dazu müssen sie zwei Module, in denen Material gelagert wird, leeren und zu zusätzlichen Schutzwänden umfunktionieren. Dies zusammen mit der guten Abschirmung durch die Aussenhülle der Landekapsel dürfte die Astronauten vor den schlimmsten Schäden bewahren.

Auch die Elektronik der Orion-Kapsel ist besonders gut von Strahlung abgeschirmt. Falls doch etwas beschädigt werden sollte, gibt es Alarmsignale und Ersatzgeräte.

Besonders heikel wird das extreme Wetter auf dem Mond, wenn es um einen langfristigen Aufenthalt dort geht. Noch wird darüber diskutiert, wie genau eine Mondbasis aussehen könnte und wie Astronauten dort ausreichend vor Strahlung geschützt werden können.

Eine neue Studie in der Fachzeitschrift «Nature Astronomy» hat kürzlich eine neue Option ins Spiel gebracht. Die Forscher haben mithilfe von Radar erstmals Höhlensysteme auf dem Mond entdeckt, die von der Oberfläche aus zugänglich sind. Womöglich könnten solche Höhlen sich als geeigneter Ort für dauerhafte Mondbewohner erweisen. Denn dort wären sie vor dem Weltraumwetter besser geschützt als in einem Gebäude auf der Oberfläche.

Die Wettervorhersage muss verbessert werden

Und noch etwas ist zentral, will man zukünftige Astronauten vor Sonnenstürmen schützen: eine zuverlässige Wettervorhersage. Denn genau wie bei Stürmen auf der Erde auch, brauchen die Menschen Zeit, um sich in Sicherheit zu bringen. Ein Astronaut auf einem Mondspaziergang sollte sich besser nicht von einem Sonnensturm im Freien überraschen lassen.

Bis anhin werden Sonneneruptionen erst entdeckt, wenn sie schon in vollem Gange sind. Dann können Satelliten die ausgestossenen Teilchen entdecken und eine Warnung herausgeben. Die schnellsten Teilchen erreichen den Mond bereits eine Stunde später. Wenig Zeit, um einen sicheren Ort zu erreichen. Die Ausbrüche der Sonne vorherzusagen, ist Forschern bisher nicht gelungen.

Lulu Zhao will das ändern. Sie ist Professorin am Zentrum für Weltraumwetter an der Universität von Michigan in den USA. Hier entwickelt sie Methoden, aus Beobachtungen der Sonne vorherzusagen, wann es zu Sonneneruptionen kommt und wie stark diese sein werden. «Das Ziel ist es, einen Sonnensturm 24 Stunden vorher vorherzusagen», sagt sie. Dann könne man ein Warnsystem etablieren, so ähnlich wie man es auf der Erde bei schweren Stürmen macht.

Um dieses Ziel zu erreichen, müsse man besser verstehen, wie die Sonneneruptionen überhaupt zustande kämen, sagt Zhao. Was man bis jetzt weiss: Die Ausbrüche finden dann statt, wenn das Magnetfeld der Sonne in einer Region besonders stark ist. Diese sogenannten aktiven Zonen kann man von der Erde aus sogar mit dem Fernrohr erkennen. Denn sie sind kühler und senden weniger Licht aus, so dass sie als schwarze Sonnenflecken sichtbar sind.

Solche aktiven Zonen bilden sich immer wieder an unterschiedlichen Stellen in der äussersten Schicht der Sonne. Manchmal überdauern sie für wenige Stunden, manchmal bleiben sie Dutzende von Tagen lang aktiv. Wann und wie stark sie Teilchen in Richtung Mond und Erde schleudern, kann man ihnen bis jetzt nicht ansehen.

Zhao und ihr Team beobachten deswegen das Magnetfeld der Sonne ganz genau. Dazu benutzen sie sowohl Instrumente auf der Erde als auch Beobachtungen von Satelliten im Weltall. Durch Vergleiche mit historischen Daten versuchen sie vorherzusagen, wo aktive Zonen entstehen und welche davon wann einen Ausbruch hervorrufen werden.

Die Apollo-Astronauten sind nur mit Glück davongekommen

Klar ist: Die Wahrscheinlichkeit für einen Sonnensturm ist nicht immer gleich. Denn die Aktivität der Sonne folgt einem Elf-Jahre-Zyklus. Nach einem Minimum im Jahr 2019 hat die Sonnenaktivität bis heute kontinuierlich zugenommen, das Maximum erwartet die Nasa für kommendes Jahr. Danach dürfte die Aktivität der Sonne wieder abnehmen, bis zum nächsten Minimum im Jahr 2030.

Die aktuellen Pläne der Nasa sehen vor, schon 2026 wieder Astronauten zum Mond zu bringen, also noch während der derzeitigen Hochphase der Sonnenaktivität. Das macht es durchaus wahrscheinlich, dass ein stärkerer Sturm während einer der bemannten Missionen auftreten könnte.

Ein warnendes Beispiel findet sich sogar in der noch kurzen Geschichte der Mondfahrt. Im August 1972 verfehlte ein starker Sonnensturm nur knapp die Astronauten der Apollo-Missionen, die sich im April und Dezember des gleichen Jahres auf dem Mond aufhielten. Hätte der Sturm wenige Monate früher oder später stattgefunden, wäre es für die Apollo-Astronauten wohl schlecht ausgegangen.

Kein Wunder also, dass die Nasa viel in die Forschung zum Weltraumwetter investiert. Schliesslich brauchen Astronauten auf dem Mond bei schlechtem Wetter mehr als nur einen Regenschirm.

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