Donnerstag, Oktober 10

Bei den jüngsten Euromoney Awards hat die UBS abgeräumt. Die Preise bringen Prestige in der Branche, doch ihr Wert ist fraglich. Objektive Kriterien gibt es keine, dafür fliesst viel Geld.

Wenn der Londoner Journalist Clive Horwood seinen Besuch am Paradeplatz ankündigte, herrschte in den Kommunikationsabteilungen der Schweizer Banken jeweils höchste Alarmstufe. Die Terminkalender des Managements mussten neu arrangiert werden, das Spitzenpersonal hatte sich verfügbar zu halten. Vor allem aber galt es, Tische in den besten Restaurants der Stadt zu reservieren. Denn der Bonvivant liebte exquisites Essen und teure Weine.

Horwood war bis vor wenigen Jahren der Starjournalist beim britischen Finanzblatt «Euromoney». Dieses hat zwar nur eine bescheidene Auflage und ist der breiten Öffentlichkeit kein Begriff, doch das spielt keine Rolle. Seine Strahlkraft verdankt das Branchenblatt der Vergabe der Euromoney Awards, mit denen alljährlich Banken und Banker ausgezeichnet werden.

Beste Beziehungen zwischen Journalisten und Bankern

In der Branche geniessen sie hohes Prestige. Kein Wunder, bemühen sich selbst Top-Banker um gute Beziehungen zu den «Euromoney»-Journalisten. Als Horwood die Organisation vor vier Jahren verliess, pries ihn der heutige UBS-Präsident Colm Kelleher als einen der besten Journalisten seiner Generation. Horwoods Texte seien «forensisch in ihrer Objektivität».

Bei der jüngsten Vergabe der Awards im Juli räumte die UBS ab wie nie zuvor. So wurde sie als beste Bank Westeuropas und der Schweiz ausgezeichnet, sie darf sich zudem als beste Investmentbank in Malaysia, auf den Philippinen, in Indonesien und Neuseeland rühmen. Vor allem gewann sie den Hauptpreis: Die UBS ist laut «Euromoney» «World’s Best Bank».

Die Bank rührt kräftig die Werbetrommel mit dem Titel. «Fragen Sie sich, wem Sie Ihr Geld anvertrauen sollten?», schreibt sie auf ihrer Website. «Sie könnten die World’s Best Bank wählen.»

Fehlende Transparenz bei Kriterien

Doch was ist der Preis wert? Für wen ist die UBS die beste Bank – für den Kleinkunden, die Unternehmerin, den milliardenschweren Investor, vielleicht für die Mitarbeiter, die die Integration der Credit Suisse bewältigen müssen? Welche Kriterien stecken hinter der Auszeichnung?

So genau kann man das auch bei «Euromoney» nicht sagen. Die Entscheide würden wichtige Ereignisse in der Finanzbranche berücksichtigen und die Einschätzungen der Chefredaktion reflektieren, sagt die «Euromoney»-Herausgeberin Louise Bowman. Sie verweist auf einen Artikel auf der Website, der die UBS in den höchsten Tönen lobt.

Die Bank habe mit der Übernahme der CS einen Systemkollaps verhindert, schnell das Vertrauen der Kunden zurückgewonnen und die richtigen Entscheide bei der Integration getroffen. Dass es der Bund war, der die Heirat arrangiert hatte, bleibt unerwähnt. Auch einen Vergleich von Kennzahlen mit denen anderer Banken sucht man vergebens. «Eine genaue Methodologie gibt es nicht», gesteht Bowman ein.

Bei der Auswahl der Kriterien von «Euromoney» bestehe keine Transparenz, eine unabhängige Überprüfung der Entscheidungen sei unmöglich, sagt Lukas Zihlmann, Chef der Firma Swissreputation Group. «Es gibt etablierte Messmodelle für Reputationsstudien, doch die kommen hier nicht zur Anwendung», sagt er. «Offenbar wollen sich die Juroren alle Handlungsoptionen offenhalten.»

«Euromoney» vergibt jährlich Hunderte von Awards in den unterschiedlichsten Kategorien. Diffuse Kriterien machen es möglich, dass nicht eine Handvoll Top-Banken sämtliche Preise gewinnen, sondern alle berücksichtigt werden. «Es gibt viele Preise, alle gewinnen einen, alle sind zufrieden», sagt ein Banker.

CS gewann auch nach dem Kollaps noch einen Award

Noch 2018 kürte «Euromoney» den damaligen CS-Chef Tidjane Thiam zum Banker des Jahres und feierte ihn als Meisterstrategen ab, der es geschafft habe, Risiken und Kosten zu reduzieren und die CS neu aufzustellen. In der jüngsten Eloge über die UBS figuriert Thiam nun als Totengräber der CS, weil er das Risikomanagement regionalisiert und damit den Untergang eingeleitet habe. Autor beider Artikel ist «Euromoney»-Redaktionsleiter Peter Lee.

Diese Geschmeidigkeit ist Teil der Strategie von «Euromoney». Die CS wurde auch in den Jahren ihres Siechtums noch regelmässig mit Awards bedacht. Noch Ende März 2023 zeichnete sie «Euromoney» als beste Bank für Nachfolgeplanung und Vermögensübertragung aus. Angesichts des Kollapses der Bank zwei Wochen zuvor hat der Entscheid eine skurrile Note. «Es ist eine Mischung aus Klamauk und Business», sagt ein Bankenvertreter. Das schmälere die Anziehungskraft der Awards aber nicht.

Vor allem beim Führungspersonal stünden die Awards hoch im Kurs. «Die Chefs lieben solche Auszeichnungen», so ein Banker. Besser als die Konkurrenz abzuschneiden, schmeichelt dem Ego. Ein Erfolg liefert zudem einen Grund, um den Mitarbeitern zu danken und gemeinsam zu feiern. «Good News schaffen Good Vibrations», sagt ein Kommunikationsexperte.

Die UBS flog für die Preisverleihung mit dem gesamten Topmanagement nach London. Gewandet in Frack und Fliege, nahm der Konzernchef Sergio Ermotti den Pokal persönlich in Empfang und liess die Welt über Linkedin davon wissen.

Die Banken können sich für die Awards selber bewerben. Ganze Teams arbeiten jeweils an den Dossiers und feilen an der Storyline. Für die Top-Awards berücksichtigt «Euromoney» laut eigenen Angaben auch Banken, die sich nicht beworben haben.

Informierte Kreise betonen, dass sich die UBS nicht um den Award als «World’s Best Bank» beworben habe. Die Journalisten hätten den Kontakt zur Bank gesucht, der Zugang zum Management habe sich auf den CEO und den Verwaltungsratspräsidenten beschränkt. Die Gespräche hätten in den Räumlichkeiten der Bank in nüchternem Rahmen stattgefunden. Restaurantbesuche habe es keine gegeben. Laut Insidern hat sich die Geschäftskultur von «Euromoney» in den letzten Jahren verändert. Die Firma antwortete nicht auf entsprechende Fragen.

Ausgezeichnete Banken zahlen Nutzungsrechte

Die Bewerbung um die Awards ist zwar gratis, gleichwohl fallen für die Banken erhebliche Folgekosten an. Das gilt auch für die UBS. Denn um die Preise in ihrer Kommunikation verwenden zu dürfen, müssen die Banken «Euromoney» Nutzungsgebühren zahlen. «Pay for Play, das ist das Geschäftsmodell», sagt ein Insider.

Auch die Teilnahme an der offiziellen Preisverleihung ist mit Kosten verbunden. Ein Platz beim Galadinner koste mehrere tausend Pfund, so ein Banker. «Das sind sehr teure Steaks, die man dort isst.» Hinzu kommen häufig Inserate in den Publikationen von «Euromoney».

Zwischen 20 000 und 100 000 Pfund koste ein Award unter dem Strich, sagt ein Kenner des Finanzplatzes. Weder die UBS noch «Euromoney» machten Angaben über die Zahlungen für Nutzungsrechte und Teilnahme am Galadinner.

Ob sich der Aufwand über das Prestige hinaus lohnt, darüber gehen die Meinungen auseinander. Profis wüssten, dass die Awards von zweifelhafter Qualität seien, sagt ein Bankenkenner. In der Vermögensverwaltung seien diese ein wichtiges Werbemittel, betont ein anderer. «Auch wenn sie die meisten Kunden nicht kennen, hinterlassen sie Eindruck, sie können den Ausschlag geben, dass man das Mandat erhält.»

Für «Euromoney» geht die Rechnung auf jeden Fall auf. Die Mutterfirma Euromoney Institutional Investor wurde vor zwei Jahren für umgerechnet 1,86 Milliarden Franken von einer Private-Equity-Firma übernommen. Zum Vergleich: Die «Financial Times», eines der renommiertesten Finanzmedien weltweit, wechselte 2015 für gerade einmal 1,24 Milliarden Franken den Besitzer.

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