Donnerstag, März 6

Das Bezirksgericht Dielsdorf entscheidet sich wegen Schändung eines weiblichen Fahrgastes für einen Landesverweis.

In den vergangenen Monaten sind gleich drei Uber-Fahrer unabhängig voneinander wegen sexueller Übergriffe auf weibliche Fahrgäste vor den Bezirksgerichten im Kanton Zürich gestanden. Die Beweislage in solchen Fällen ist jeweils sehr schwierig, da es sich um sogenannte Vieraugendelikte ohne direkte Zeugen handelt.

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Ein 28-jähriger Rumäne, der im Juli 2023 eine nicht mehr ansprechbare betrunkene Frau vom Zürcher Klub Kaufleuten ins Zürcher Oberland gefahren hatte, wurde im September 2024 vom Bezirksgericht Hinwil in dubio pro reo vom Vorwurf der Schändung freigesprochen. Das Opfer hat in diesem Fall auf einen Weiterzug des Urteils verzichtet. Der Freispruch ist rechtskräftig.

Das Bezirksgericht Bülach verurteilte hingegen im September 2024 einen 44-jährigen Eritreer wegen Schändung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 10 Monaten. Auf die Anordnung eines Landesverweises wurde aber verzichtet. Diesem Beschuldigten war vorgeworfen worden, im Juni 2023 sexuelle Handlungen an einer Frau begangen zu haben, die nach einem Apéro bei ihrem Arbeitgeber betrunken und im Halbschlaf in seinem Wagen mitfuhr. Der Verurteilte hat beim Obergericht Berufung eingelegt.

Als sie erwachte, lag der Fahrer über ihr

Nun sitzt ein 52-jähriger italienischer Familienvater als Beschuldigter vor dem Bezirksgericht Dielsdorf. Auch ihm wird Schändung vorgeworfen: Er fuhr im Dezember 2023 eine junge Frau aus der Stadt Zürich nach Hause ins Zürcher Unterland. Sie hatte nach einem Weihnachtsessen im Klub Zukunft im Langstrassenquartier gefeiert, ihre Chefin hatte später den Uber-Fahrer bestellt und sie ins Auto gesetzt. Gemäss Anklage soll der Fahrer am Zielort zur schlafenden Passagierin auf den Rücksitz gestiegen sein und dort sexuelle Handlungen an ihr vorgenommen haben.

Der Beschuldigte streitet dies nicht grundsätzlich ab. Er behauptet jedoch, die Frau habe am Zielort nicht aussteigen wollen. Als er die hintere Türe aufgemacht habe, habe sie ihn ins Auto gezogen und begonnen, ihn zu küssen. Sie sei aggressiv gewesen, habe sich auf ihn gesetzt, seinen Reissverschluss geöffnet und sich selber befriedigt. Er habe Angst vor ihr gehabt und versucht, sie wegzudrücken, und immer wieder gesagt, dass er das als Taxichauffeur nicht machen dürfe.

Gemäss den Daten der Fahrt kam das Uber-Fahrzeug um 3 Uhr 05 am Zielort an. Um 4 Uhr 05 übernahm der Beschuldigte einen neuen Auftrag. Die sexuellen Handlungen sollen gemäss den Aussagen des Fahrers fast eine Stunde lang gedauert haben. Weil er keinen Geschlechtsverkehr mit der Frau gewollt habe, habe sie das Auto schliesslich wütend verlassen. Er sei in eine Falle gelockt worden.

Der Beschuldigte wird auf Bengali befragt. Er ist in Bangladesh geboren, wanderte später nach Italien aus, ist Doppelbürger und hat auch die italienische Staatsbürgerschaft. Er kam erst im Jahr 2017 in die Schweiz. Seine Ehefrau und zwei minderjährige Kinder wohnen mit ihm zusammen. Dies ist wichtig, weil der Staatsanwalt auch einen Landesverweis von 7 Jahren beantragt hat.

Auch die junge Frau wird im Gerichtssaal befragt. Sie erzählt, dass sie nach dem Weihnachtsessen völlig betrunken im Uber-Fahrzeug eingeschlafen sei. Von der Fahrt wisse sie nichts mehr. Plötzlich habe sie eine Zunge in ihrem Hals gespürt. Sie sei langsam erwacht und habe realisiert, dass ein Mann über ihr gelegen sei. Sie habe Stoppeln wahrgenommen und sei mit der Hand über seine Halbglatze gefahren. Noch heute sehe sie sein Grinsen vor sich. Ihr BH und ihre Hose seien offen gewesen. Sie habe das Auto dann fluchtartig verlassen.

Was die Daten der Pulsuhr verraten

Der Staatsanwalt beantragt nebst dem Landesverweis eine bedingte Freiheitsstrafe von 14 Monaten. Die Smartwatch der Frau, die in jener Nacht die Entwicklung ihres Pulses aufzeichnete und speicherte, ist ein wesentliches Beweismittel. Der Puls sank nämlich nach Antritt der Fahrt um 2 Uhr 41 morgens kontinuierlich bis auf 87 Schläge pro Minute ab. In diesem Bereich verblieb er auch nach der Ankunft am Zielort noch eine halbe Stunde lang. Erst um 3 Uhr 35 stieg der Puls plötzlich wieder auf über 100 Schläge pro Minute an.

Der Beschuldigte habe ausgenützt, dass sich die Frau im Schlaf oder Halbschlaf befunden habe und sich nicht habe wehren können, sagt der Staatsanwalt. Die Frau sei 30 Minuten lang körperlich inaktiv gewesen, was der Aussage des Fahrers widerspreche, wonach sie sofort nach Ankunft aggressiv Sex gewollt habe. Dies sei auch aufgrund seiner äusseren Erscheinung unglaubhaft. «Der Mann spielt bezüglich Attraktivität – bei allem Respekt – nicht in der gleichen Liga wie die Geschädigte», sagt der Staatsanwalt.

Die Anwältin des Opfers beantragt eine Genugtuung von 10 000 Franken. Sie spricht von einem Albtraum, aus dem das Opfer bis heute aufzuwachen versuche. Der Zustand der Frau sei genau von jener Person ausgenützt worden, der man vertraut habe, sie sicher nach Hause zu bringen.

Die Verteidigerin des Fahrers verlangt einen vollumfänglichen Freispruch und einen Verzicht auf den Landesverweis. Es sei möglich, dass die Frau frühere Traumata mit den Erlebnissen jener Nacht vermische. Möglicherweise wolle sie ihre sexuellen Avancen gegenüber dem Uber-Fahrer einfach nicht wahrhaben.

Kein Härtefall, obwohl er mit der Familie in der Schweiz lebt

Das Bezirksgericht Dielsdorf verurteilt den 52-Jährigen schliesslich wegen Schändung und geht sogar noch über den Antrag des Staatsanwalts hinaus. Es verhängt eine bedingte Freiheitsstrafe von 18 Monaten, dazu wird ein Landesverweis von 5 Jahren ausgesprochen. Ein Härtefall bestehe nicht. Der Mann sei erst seit 7 Jahren in der Schweiz, und es bestünden gute Resozialisierungschancen in Italien. Als Genugtuung hält das Gericht 8000 Franken für angemessen.

Der Gerichtsvorsitzende begründet den Schuldspruch unter anderem damit, dass es schwer vorstellbar sei, dass sich die Frau während rund einer Stunde sexuell befriedigt habe, ohne dass der Fahrer aktiv mitgemacht haben soll. Auch die Daten der Pulsuhr sprächen gegen diese Version. Dann hätte nämlich der Puls gleich nach Ankunft steigen müssen.

Dies lasse nur den Schluss zu, dass die Frau auch 25 Minuten nach Ankunft noch geschlafen habe. Es sei auch wenig lebensnah und schwer vorstellbar, dass sich die Frau auf der Rückbank auf den Fahrer gesetzt habe. Bei den Aussagen des Beschuldigten handle es sich um Schutzbehauptungen. Er habe eine Situation ausgenützt und seinen Vertrauensvorschuss als Uber-Fahrer missbraucht. Immerhin habe er keine Gewalt angewendet und die Frau nicht an der Flucht gehindert.

Urteil DG240012 vom 20. 2. 2025, noch nicht rechtskräftig.

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