Mittwoch, Januar 15

Prabowo Subianto, der Schwiegersohn des früheren Diktators Suharto, triumphiert in der Präsidentschaftswahl. Die meisten Indonesier sehen seine düstere Herkunft pragmatischer als westliche Warner. Dafür gibt es gute Argumente.

Indonesiens durchschnittlich sehr junge Bevölkerung begeistert sich für einen 72 Jahre alten Ex-General. Das ist schon für sich alleine erstaunlich. Hinzu kommt, dass Prabowo Subianto für eine düstere Vergangenheit steht, in der die Armee Andersdenkende verschleppte und Massaker verübte. Zwar wurde der Ex-General nie angeklagt, doch gibt es starke Indizien dafür, dass er als Chef von Spezialeinheiten Mitverantwortung für schwerste Menschenrechtsverletzungen trägt.

Prabowo repräsentiert aus einem weiteren Grund das «alte Indonesien»: Als Abkömmling einer einflussreichen Familie ehelichte er die Tochter des Diktators Suharto und trieb mit der Pflege persönlicher Beziehungen seine Karriere voran. Erst Ende der neunziger Jahre löste sich Indonesien von der autokratischen Vergangenheit.

Ein klebriger Sumpf

Der Kontrast zu seinem Vorgänger, der wegen der Amtszeitbeschränkung ausscheidet, kann grösser nicht sein. Mit Joko Widodo gelangte 2014 erstmals ein Politiker an die Staatsspitze, der nicht den traditionellen Eliten entstammt. Ein geerdeter Kleinunternehmer, der als Gouverneur von Jakarta überzeugt hatte.

Widodo, besser unter seinem Spitznamen Jokowi bekannt, weckte nicht bloss hohe Erwartungen hinsichtlich eines Neubeginns. Er erfüllte sie auch weitgehend. Das weltweit grösste muslimische Land genoss eine Periode politischer Stabilität und soliden Wirtschaftswachstums. 70 Prozent der Bevölkerung sind mit Jokowis Arbeit zufrieden – eine fulminant hohe Zustimmungsrate nach zehn Amtsjahren. So leicht macht ihm das keiner in einer Demokratie nach.

In den vergangenen Monaten hat Jokowi seine Popularität eingesetzt, um den umstrittenen Ex-General ins höchste Staatsamt zu hieven. Mit der Zustimmung Jokowis verkauft sich Prabowo als verlässlicher Partner, der dem Erbe seines Vorgängers Sorge tragen wird. Bekämpften sich die beiden jahrelang bis aufs Blut, geben sie sich jetzt als Männer mit einer gemeinsamen Mission.

Der Pakt basiert auf scharf kalkulierter Interessenpolitik. Jokowi, dem es offenkundig schwerfällt, Macht abzugeben, sorgte dafür, dass sein Sohn Gibran als Vizepräsidentschaftskandidat auf Prabowos Ticket kam. Dies wurde nur möglich, weil das vom Schwager Jokowis präsidierte Verfassungsgericht das Mindestalter von 40 auf 35 Jahre reduzierte. Es ist ein unappetitliches Gegengeschäft: Jokowi stellt sich hinter den einstigen Gegenspieler und sichert sich dadurch Einfluss durch seinen Sohn.

Zukunftsglaube und Geschichtsvergessenheit

Laut indonesischen Intellektuellen und westlichen Beobachtern droht die junge Demokratie wieder im klebrigen Sumpf aus Nepotismus, Korruption und Autoritarismus zu versinken.

Gewiss, die Geschichtsvergessenheit der indonesischen Wählerschaft irritiert aus westlicher Optik. Allerdings haben viele Suhartos Gewaltherrschaft, die 1998 mit seinem Sturz endete, selber nicht erlebt. Mehr als die Frage, ob an den Händen Prabowos Blut klebt, zählt für sie der Blick voraus. Sie sagten sich: Wieso nicht dem General a. D. die Stimme geben, wenn er für den erfolgreichen Kurs seines Vorgängers bürgt?

Diese pragmatische Sicht liess sich bereits in den Jahren nach der demokratischen Wende beobachten. Indonesien habe Exponenten des alten Regimes akzeptiert, solange sie sich an die Regeln der neuen, freiheitlichen Ordnung hielten, schreibt Ben Bland von der Denkfabrik Chatham House in «Foreign Affairs». In diese Tradition reiht sich auch Prabowo ein.

Gleichwohl bestehen Befürchtungen, der erratische Ex-General mit dem aufbrausenden Temperament nutze seine Macht, um Indonesien wieder in eine Autokratie zu verwandeln. Er klagt über die angebliche Ineffizienz der Demokratie. Und er meint, der Vielvölkerstaat brauche eine starke Führungsfigur.

Wer jetzt allerdings in Alarmismus verfällt, verkennt die demokratische Resilienz Indonesiens. Eine starke Zivilgesellschaft, dezentrale Machtstrukturen und aufmüpfige Medien funktionieren als Abwehrschild gegen autoritäre Tendenzen. Die staatlichen Institutionen haben sich in den vergangenen 26 Jahren gefestigt und werden vermutlich einen zweifelhaften General aushalten.

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