Freitag, April 25

Unterwegs mit einem, der beides gleichzeitig ist: Treiber und Getriebener.

Alle Augen auf ihm, Teil I

An einem Montag im März scheint Bundesrat Albert Rösti in den Himmel der internationalen Politik zu steigen – das ist die Illusion, die die bayrische Staatskanzlei bietet. Die Treppe führt hinauf zum Sitzungssaal unter dem Glasdach, wo er erwartet wird. Rösti ist mit dem Bundesratsjet und mit einer grösseren Entourage nach München gekommen. Auf der Reise gab es ein kaltes Plättli mit viel Fleisch, und Ständerätin Esther Friedli wurde vom Piloten als «Frau Botschafterin» begrüsst, entsprechend aufgeräumt ist die Stimmung. Rösti will den bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder kennenlernen und mit ihm über die notorisch problematische Zugstrecke München–Zürich sprechen.

Auf den Sitzungstischen in der Staatskanzlei liegen Brezn, und auf einer Namenskarte steht: S. E. Albert Rösti. Seine Exzellenz.

Dann bricht plötzlich Unruhe aus. «Ein diplomatischer Eklat», flüstert jemand aus Röstis Entourage. Wo ist Markus Söder? Die bayrischen Minister versuchen, die Fassade aufrechtzuerhalten. Söder sei leider noch in einer wichtigen Schaltung mit Berlin, heisst es, er komme wahrscheinlich später. Aber die Botschafterin der Schweiz erkennt sofort, dass das nicht stimmen kann. Die Namenskarte von Markus Söder fehlt. «Mochma glei a Foto?», beeilt sich einer der Münchner zu sagen.

«Wer sind Sie?», fragt Rösti.

«Der Verkehrsminister.»

«Aha, der Verkehrsminister.»

Ein anderer Minister kommt mit einem Geschenk herbei, das man eigentlich erst am Schluss übergibt – zwei Tonbecher.

Die diplomatische Fassade ist längst eingestürzt, die Augen richten sich auf den Bundesrat, er muss jetzt irgendwie reagieren. Noch am Morgen hat er in Bern an einer Pressekonferenz angekündigt, er werde Markus Söder treffen – bevor er für ein Gasabkommen nach Berlin zu Robert Habeck weiterfliege. Am Nachmittag in München reicht eine Laune von Söder, und seine internationale Bedeutung droht sich wieder aufzulösen.

Seit er vor sechzehn Monaten als Bundesrat begann, exponiert sich Albert Rösti an allen heiklen Fronten, die sein Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation zu bieten hat: Im November hat er angeordnet, der Wolf dürfe präventiv geschossen werden. Als ihm vorgeworfen wurde, er bewillige damit eine «industrielle Tötung», erklärte Rösti, die Aufregung sei übertrieben. Er war längst anderweitig beschäftigt, nur wenige Tage später gab er bekannt, die Gebühren der SRG senken zu wollen. Innert weniger Monate hat er den Ausbau von mehreren Autobahnen vorbereitet. Jetzt will er auch noch das Problem mit München lösen.

Der Anti-Sanders

In der Ballade über Hugo Sanders besingt Mani Matter einen Politiker, der sich vornimmt, mit ihm werde alles anders, der nach seiner Wahl aber zuerst schaut, wie es in der Politik so geht, der sich überlegt, was er wirklich sagen soll oder darf – bis er eine Rede schreibt, die er nie halten wird. Albert Rösti ist ein Anti-Sanders, er lässt nichts aus.

An einem Wirtschaftsforum im Rheintal tastet er sich im Januar an ein weiteres Tabu heran. Es brauche jetzt das Stromgesetz, das erneuerbare Energien fördere, sagt er, und dann auch Atomkraft. «Nein», korrigiert er sich sofort, «jetzt habe ich schon ein bisschen viel gesagt.»

Als er ins Amt kam, schalteten die Grünen einen «Watchblog» auf, weil mit Rösti «die Erdöl- und Autolobby» ins «Klima-Schlüsseldepartement» einziehe. Die Verbände und die NGO zweifeln jede seiner Mitteilungen an. Noch genauer beobachtet ihn nur seine eigene Partei: Die SVP erwartet von ihrem Bundesrat jenen politischen Wandel, den andere befürchten.

Er muss immer aufpassen. In seinem Büro an der Kochergasse wacht er über ein Grossdepartement: sieben Bundesämter, dreitausend Angestellte, Post, Swisscom, SBB. Es kommt ihm manchmal vor, als beginne er jeden Morgen von vorne: Es kann am einen Tag alles gelingen, und am nächsten Tag hat er einen Termin mit Markus Söder.

Alle Augen auf ihm, Teil II

An diesem Märztag in der Staatskanzlei in München wartet die Entourage aus Ständeräten und Botschaftspersonal darauf, was Albert Rösti macht. Markus Söder wird nicht mehr erscheinen, das ist inzwischen allen klar – aber die bayrischen Minister versuchen immer noch, den Bundesrat aus der Schweiz in diesem Glauben zu lassen.

Rösti schaut die Tonbecher an, die ihm einer der Minister als Geschenk übergeben will. Dann sagt er: «Ich habe nur ein Geschenk dabei. Wenn Herr Söder noch kommen soll, übergebe ich meines gerne ihm.»

In dem Moment ordnet sich der Saal um ihn herum. Er ist sehr freundlich geblieben, und doch ist es ihm gelungen, die Kontrolle zurückzuerlangen. Rösti wird den Münchner Ministern nachher unter «Verschiedenes» sagen, die Sitzung sei gut gewesen, aber er sei enttäuscht, dass Söder nicht gekommen sei. So berichten es Teilnehmer. Später wird Söder bei Rösti anrufen, um sich zu entschuldigen.

Das Problem mit der Zugstrecke München–Zürich bleibt ungelöst. Der Verkehrsminister in Berlin hatte ihm einmal gesagt, er müsse das mit dem Verkehrsminister von Bayern besprechen. An der Sitzung in München soll der Verkehrsminister von Bayern mehrfach betont haben, dafür sei leider der Verkehrsminister in Berlin zuständig.

Wir haben einen Bundesrat

Albert Rösti ist den Widerstand inzwischen gewohnt. Gegen seinen Gebührenentscheid zur SRG opponierten die zuständigen Kommissionen des Parlaments einstimmig. Bevor man über den Preis des Service public entscheide, müsse man über den Inhalt diskutieren. Rösti sagt: «Da geht es um eine Anpassung der Verordnung, darüber kann der Bundesrat selbst bestimmen.» Aber der politische Rückhalt ist weg, auch die SVP stimmte gegen ihn.

Gegen seinen Wolfsentscheid gab es eine Rüge von einem Büro des Europarats. Wolfsschützer sprechen von einem programmierten «Wolfsmassaker». Rösti sieht sich getragen von der Bevölkerung: «Ich spüre keinen Volkszorn. Es gab keine Demonstration, und es war auch nicht so, dass Tierschützer vor meinem Büro protestiert hätten.»

Er würde wieder so entscheiden, sagt er, er habe den Druck der betroffenen Bauern gespürt. Die Ansprüche seines Umfelds an ihn seien berechtigt: «Ich bin Bundesrat, weil mich die SVPler gewählt haben.» Er hat schnell gemerkt, dass die in ihn gesetzten Erwartungen «enorm hoch» sind. «Der Druck ist gross, wenn man als Bundesrat anfängt.»

Der Druck aus der eigenen Partei?

«Nicht nur, aber vor allem. Viele denken: Jetzt haben wir einen von uns im Bundesrat, der alles verändern kann.»

Methode Rösti

Albert Rösti gilt als glücklicher Bundesrat: Er ist im besten Alter ins Amt gekommen, ein Energiepolitiker im Energiedepartement. Sein Generalsekretär sagte zu Beginn: «Wir sind gekommen, um zu bleiben.» Rösti hat sofort Einfluss erlangt im Gremium, weil er weiss, wie man Kompromisse macht und wie man auf Leute zugeht. Er war nie ein Mann für die Opposition, sondern einer für die Regierung. Aber er weiss, dass ihn das in der SVP verdächtig macht. Regierungsarbeit, Kompromissarbeit hat einen SVPler nicht glücklich zu machen, sondern zu belasten.

Die SVP will kompromisslos nach rechts – Rösti will zeigen, dass er mit seiner kompromissbereiteren Methode schneller nach rechts kommt. Indem er sich an den heikelsten Fronten exponiert, macht er sich unverdächtig genug, um an anderen Fronten den Kompromiss suchen zu können. So ist er beides gleichzeitig: Treiber und Getriebener.

Unter Strom. Rösti gegen die SVP

An einem Samstag im März kommt Albert Rösti nach Langenthal, wo er vor Jahren zum Präsidenten der SVP gewählt wurde. Jetzt tritt er wieder vor seine Partei, aber sie wird ihm nicht mehr folgen.

Eigentlich deutet nichts auf ein unfreundliches Umfeld hin: In den unteren Stockwerken des Hotels Meilenstein sind Rennwagen ausgestellt, aus Freude am Fossilen, oben spielt die örtliche Kadettenmusik auf. Rösti vertritt an diesem Parteitag das Stromgesetz. Es ist seine bisher wichtigste Abstimmung, auch weil es ein Gesetz nach Rösti-Art ist: Es fördert den Ausbau der Wasserkraft (was man in der Partei gut findet), aber zu dem Preis, dass auch Windräder und Solaranlagen gefördert werden (was man in der Partei gar nicht gut findet).

Im September hatte die Fraktion der SVP dem Stromgesetz noch grossmehrheitlich zugestimmt, aber in den Tagen vor dem Parteitag haben unter dem Druck der Parteileitung mehrere Kader ihre Meinung geändert. Die Nationalrätin Sandra Sollberger, die immer nahe bei Rösti war, sagte plötzlich: «Man darf auch gescheiter werden.» Rösti hat zwar erklärt, wer drauskomme, sei weiterhin für sein Gesetz. Aber die Partei ist gespalten, die Dissonanzen übertönen auch die Kadetten nicht.

Rösti geht an den Tisch der St. Galler Delegierten, die ihre Parole bereits gefasst haben: in seinem Sinn. Er schüttelt jede Hand, die er findet – als könne er sich daran festhalten. «Super, Albert!», ruft einer. Rösti leuchtet.

In seiner Rede inszeniert er sich als der Stromgeneral, den die SVP einst gefordert hatte. «Mehr Strom ist ein Zeichen für Souveränität und Freiheit», ruft er, dafür vertrage es auch ein paar Windräder und Solaranlagen. Er erinnert die Delegierten daran, dass er einmal ihr Präsident war, um dieses Kapital nachher für sein Gesetz einzusetzen: «Sie kennen mich gut genug», sagt er einmal, «ich bin kein Windradfan.» Er versucht, über die Kompromisse im Stromgesetz hinwegzugehen, indem er als kompromissloser Bundesrat auftritt. Aber er ist nervös, man sieht es ihm an: In solchen Momenten verselbständigt sich seine Mimik.

Die meisten Delegierten, die sich nachher melden, bleiben unbeeindruckt. «Diese idiotischen Windräder», ruft einer, er empfiehlt ein klares Nein zu Röstis Gesetz. Mehrere Voten aus Zürich enden bei der «überbordenden Zuwanderung» – klares Nein. Unterstützt wird der Bundesrat vor allem aus der Berner Sektion: «Haben Sie Vertrauen in unseren Bundesrat Rösti!» In der Pause wird über die «bernische Obrigkeitshörigkeit» gelästert.

Dann lehnen die Delegierten das Gesetz von Rösti ab. Er droht, wieder einmal, aufgerieben zu werden von alten Kämpfen in seiner Partei.

Rösti sehen, Ogi erkennen

Die alte SVP ist eine Berner Erfindung, gegründet im Jahr 1918 von Rudolf Minger aus Mülchi im Limpachtal. Die neue SVP ist eine Idee von Christoph Blocher, dem Unternehmer aus Herrliberg im Kanton Zürich. Die Berner bilden traditionell den staatstragenden Flügel in der Partei, sie stellten wichtige Bundesräte. Und die Zürcher blocherscher Prägung begründeten ihren Erfolg auf der Opposition gegen alles Staatstragende, auch in der eigenen Partei.

In seinen Unabhängigkeitskämpfen der 1990er Jahre stand Christoph Blocher einem Bundesrat aus seiner eigenen Partei gegenüber: Adolf Ogi aus dem Berner Oberland, ein Freund der europäischen Anbindung. Immer wieder distanzierten sich die Berner von der «totalen Opposition» der Zürcher. Am Tiefpunkt wurde der Berner SVPler Samuel Schmid von der Zürcher Sektion als «so gut wie klinisch tot» bezeichnet.

Blocher gewann den Richtungskampf, und er scheint sich bis heute zu fragen: Kann man den Bernern trauen? Es wirkt manchmal, als erkenne er in Rösti immer auch Ogi.

Als Albert Rösti im Jahr 2016 zum neuen Präsidenten der SVP gewählt wurde, war er der erste Berner seit langem. Und er sagte, zwanzig Jahre vorher wäre er nicht gewählt worden. «Damals musste man Hack für Hack eine Provokation rauslassen, um gehört zu werden.» Er selbst stehe für eine neue Zeit, in der viele in der Partei wollten, «dass man das mit Würde und Anstand macht». Nach den verlorenen Wahlen im Jahr 2019 fragte Blocher ihn, ob er eigentlich Bundesrat werden wolle – dann könne er die Partei nicht weiterführen. Rösti war nicht mehr lange Parteipräsident.

Als Rösti dann bekanntgab, er wolle für den Bundesrat kandidieren, sagte Blocher, eigentlich müsste es Toni Brunner machen – gerade weil dieser nicht wolle. Ogi annektierte Rösti, Berner Oberländer wie er selbst, sofort als geistigen Nachfolger: «Wir sind zwei Efachi.»

In der Diskussion über das Stromgesetz steht Albert Rösti am Parteitag in Langenthal der Blocher-Tochter Magdalena Martullo gegenüber. Es ist, als müsste Rösti noch einmal in den Kleidern von Ogi gegen Blocher antreten.

Er hätte sich ein anderes Resultat erhofft. «Ich bin sehr verwurzelt an der Parteibasis», sagt Rösti, «und ich will das nicht verlieren. Es gibt deshalb Angenehmeres als so einen Tag.» Die Versammlung dauert noch Stunden, und er bleibt bis zum Schluss – bis Marcel Dettling, der neue SVP-Präsident, ihn wieder eingemeindet: «Unser Bundesrat Albert Rösti ist immer noch da!» Grosser Applaus, allgemeines Winken. An die Albisgütli-Tagung, den grossen Anlass von Christoph Blocher, geht er im Januar, auch wenn er nicht als Redner vorgesehen ist. Er weiss, dass er die eigene Basis braucht, um beweisen zu können, dass er mit seiner Methode erfolgreich ist.

Dazwischen – eine Psychologisierung

Albert Rösti ist in einer Bergbauernfamilie aufgewachsen, aber irgendwann ging er nicht mehr auf die Alp, sondern nach Zürich an die ETH und für einen Master of Business Administration nach Rochester, New York. Er ist nicht Bauer geworden, sondern Ingenieur-Agronom. Als er noch Parteipräsident war, hatte er sein Büro in einem Betonbau in Uetendorf, wo er auch Gemeindepräsident war. An der Wand hing ein Bild des Künstlers Björn Zryd, auf dem man zwei Kühe sah, die aber sehr zeitgenössisch, in violetten Farben, gemalt waren. Er sagte: «Ich habe das Gefühl, ich bin sehr verwurzelt, aber doch ein moderner Mensch.» Deshalb gefiel ihm das Bild.

Als Präsident der SVP teilte er aus («links-grüne Raubzüge», «Klima-Hype»), aber er tat es nicht gedankenlos. «Ich muss lernen, das, was andere über mich sagen, nicht so wichtig zu nehmen», sagte er damals. Er begründete es mit seiner Biografie: Er wuchs im Dorf und auf der Alp Ueschinen auf, wo die soziale Kontrolle gross ist. Wenn er etwas anstellte, was selten vorkam, sagte sein Vater nicht: «Das ist nicht gut!» Er sagte: «Stell dir vor, was die Nachbarn denken!»

Er ist ein SVPler, der inhaltlich in allen wichtigen Fragen auf Linie ist – in der Partei loben sie, er wehre sich im Bundesrat mit allem Mut gegen eine europäische Anbindung. Aber er ist ein Berner SVPler, der auch von vielen Linken gemocht und geschätzt wird. Das Stromgesetz prägte er schon als Nationalrat, weil die eigenen Leute seinen Kompromissen mit den linken Energiepolitikern folgten.

Wer dazwischensteht, erreicht im schlechten Fall nichts, weil er beiden Seiten verdächtig ist. Im besten Fall aber erreicht er mehr als die Ritter der reinen Lehre, weil er auf beide Seiten glaubwürdig ist. Es wirkt, als sei Albert Rösti angetreten, um das zu beweisen.

Die Grüne und der Wolf

Als er im September 2020 auf die Alp Ueschinen zurückkehrte, um vor Bergbauern über das Jagdgesetz und den Wolf zu reden, nahm er die Nationalrätin Aline Trede von den Grünen im Auto mit. Sie kommt aus einer Patchwork-Familie in der Stadt Bern, aber sie ist keine, die sich nur in ihrem eigenen Milieu zu bewegen weiss. An diesem Tag war sie dennoch nervös. Auf der Alp angekommen, sah sie Hunderte von blökenden Schafen und all die SVP-Bauern mit ihren John-Deere-Caps, die in ihr ein grünes Feindbild sahen. Sofort hätten sie ihr ein kleines Schäfchen in die Arme gedrückt: «Das nimmt der Wolf!»

Rösti sei zu ihr gestanden, und er habe mehrmals betont: «Achtet, dass sie hierhergekommen ist, um mit euch zu diskutieren.»

«Er war sehr fair zu mir», sagt Aline Trede, «ohne ihn wäre es schwieriger geworden.» Sie mag ihn, aber sie fragt sich, wie auch andere, immer wieder: Wer ist Albert Rösti wirklich?

Take it easy, but take it

Sie beobachtet, wie er zwar auch als Bundesrat immer noch spontan zum Zmittag mitkommt, alle grüsst und allen dankt, aber dann sieht sie, wie scharf die Mitteilungen aus seinem Generalsekretariat formuliert sind. «Seine Politik macht er vor allem auf Verordnungsstufe», sagt Aline Trede, «wo er sich der demokratischen Mitsprache entziehen kann.» So ist es beim Gebührenentscheid zur SRG, so ist es beim Wolf.

Nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Schweiz für ihre Klimapolitik verurteilt hatte, sagte Rösti am Rand des Sechseläutens – in eine Tracht gehüllt – nur: «Ich glaube, es ist nicht vereinbar mit einer direkten Demokratie.» Jüngst berichtete der «Tages-Anzeiger», Rösti habe beim Wolfsentscheid die Warnungen der Bundesjuristen ignoriert.

Albert Rösti hat sich einmal im «Blick» darüber gewundert, dass man in ihm nur den freundlich lächelnden SVPler sehen will. «Das ist interessant, nicht wahr», sagte er, «wenn Sie diesen Ruf haben, können Sie sich fast alles leisten und noch so hart sein – das ändert nichts am Ruf.» Es klang, als fühle er sich herausgefordert. Inzwischen heisst es in Bern, er beschäftige mit seinem Generalsekretär Yves Bichsel einen «harten Hund», der Mitberichte und Botschaften in unerbittlichem Ton verfasse. Andererseits hat er Mitarbeiter befördert, die Simonetta Sommaruga, seine Vorgängerin von der SP, eingestellt hatte.

Er will eine SVP-Schweiz, aber er weiss, dass er dafür Mehrheiten braucht. Seine Methode hat er vor Jahren, vielleicht unbewusst, in seiner Whatsapp-Statusnachricht verdichtet: «Take it easy, but take it!»

Nach sechzehn Monaten im Amt lächelt Albert Rösti nicht mehr unverdächtig: Was will er, nur scheinbar easy, als Nächstes anpacken?

Minister mit Energie

An einem Mittwoch im April steht Albert Rösti in der Produktionshalle einer Solarfirma in Worb und kniet unter eine Maschine. «Was wird da gemacht?», fragt der Bundesrat.

«Hier wird jede Lötverbindung kontrolliert», sagt Herr Hofer, der Geschäftsführer der Firma, ein Mann, der begeistert ist von dem, was er tut. «Denn die Lötverbindung entscheidet über die Lebensdauer», sagt er auf Hochdeutsch, um die Bedeutung zu unterstreichen. Rösti nickt.

Es ist laut in der Produktionshalle. Rösti wird von einem Team des Schweizer Fernsehens begleitet, er trägt ein Mikrofon, jeder Satz wird registriert. Zwei Fotografen wieseln um ihn herum. Der Geschäftsführer der Solarfirma und der Chief Technology Officer reden auf ihn ein. Das ist sein Alltag.

Er schaut in die Maschinen hinein. Aber was soll er von hier mitnehmen? «Das ist eine gute Zahl», sagt er irgendwann zu den beiden Männern, «ihr deckt fünfzig Dächer pro Woche, richtig?»

«Pro Tag», sagt der Chief Technology Officer.

«Fünfzig pro Tag», memoriert Rösti.

Im Showroom marschiert Herr Hofer über Solarzellen und sagt: «Hagelklasse 5, diese Module halten mehr aus als Ziegel.» Er erklärt Rösti, woher all die Rohstoffe kämen, wie abhängig man von China sei, dass es in der Schweiz glücklicherweise wenig regulatorische Hürden gebe. Er gibt ihm einen Block aus Silizium. Rösti hört vor allem zu, manchmal stellt er eine Frage, er sagt fast nichts, ausser: «Ich gratuliere zur Firma.» Am Ende sagt Herr Hofer: «Danke, dass wir nicht einen Energieminister haben, sondern einen Minister mit Energie!» Er übergibt ihm den Satz wie ein Geschenk.

Albert Rösti nutzt solche Termine, um sich weiterzubilden. Er hat sich nichts aufgeschrieben, aber er sagt, die Zahl der fünfzig Dächer, die diese Firma täglich mit Solarzellen decke, werde er sicher nächstens in ein Referat einbauen. «De het me ummi es Argument mee.»

Nach einer knappen Stunde muss er gehen, zurück nach Bern, in die Sondersession des Nationalrats. Er setzt sich in seine Limousine. Als er die Türe schliesst, ist es unwirklich ruhig. Er ist jetzt schalldicht abgeschirmt von all den äusseren Einflüssen.

Diese Momente sind selten. Manchmal, wenn alles ruht, an einem Sonntag, oder neulich über Ostern, nimmt er sich Zeit, um systematisch seine sieben Bundesämter durchzugehen und sich zu fragen: Wo sind wir? Wohin will ich? Haben wir die Richtung?

Und dann – ist er zufrieden, wie es läuft? «Im Moment passt es.» Er lächelt.

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