Dienstag, April 8

Roland Gisler erringt vor Gericht einen Teilsieg.

Es ist wie ein verfrühtes Geburtstagsgeschenk für den Zürcher Milieu-Beizer Roland Gisler, einige Tage vor seinem 61. Geburtstag erhält er es. Es ist 24 Seiten lang und kommt von einem Absender, der keine Geschenke macht: dem Obergericht des Kantons Zürich.

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Das Obergericht hat sein Urteil im Fall Gisler revidiert. Es musste. Das Bundesgericht hatte die Strafe für den Zürcher Milieu-Wirt als zu hoch eingestuft und den Fall zurückgewiesen ans Obergericht. Das hat nun entschieden: Gisler muss anstatt 48 Monate nur 44 Monate ins Gefängnis. Es ist ein kleiner Triumph für Gisler, der seit Jahren mit den Zürcher Behörden ringt. Begonnen hat alles am 12. Juni 2017, es war ein milder Montagmorgen.

Eine Razzia im Langstrassenquartier

Um 5 Uhr halten Polizeiautos vor Gislers Beiz Neugasshof im Kreis 5, an seinem Wohnort im Kanton Zug und vor drei weiteren Liegenschaften. Polizisten in Kampfmontur steigen aus. Sie suchen Drogen und Waffen. Sie finden:

  • 75 Kilogramm Marihuana
  • 4 Kilogramm Haschisch
  • 1 IS-Video, das zeigt, wie Geiseln brutal getötet werden
  • 12 Schusswaffen, eine davon als Gehstock getarnt
  • 1 Dolch

Gisler und vier weitere Personen werden verhaftet. Das Lokal wird von der Gewerbepolizei amtlich geschlossen.

Jahrelang soll Gisler im grossen Stil mit Cannabis gehandelt haben. In einem Member-Raum im ersten Stock seiner Beiz, der nur mit einem Badge zugänglich war. Er soll einen Umsatz von mehr als 3 Millionen Franken erzielt haben. 760 000 Franken Gewinn. Gisler solle fast eine halbe Tonne Drogen gekauft und weiterverkauft haben, so steht es später in der Anklageschrift.

2021 verurteilt das Zürcher Bezirksgericht Gisler wegen Drogenhandels, illegalen Waffenbesitzes und Gewaltdarstellungen zu 36 Monaten Freiheitsstrafe. Gisler empfindet die Strafe als zu hoch und zieht den Fall weiter ans Obergericht. Doch dieses verschärft die Freiheitsstrafe gar noch: Aus drei Jahren werden vier.

Gisler zieht vor Bundesgericht. Er glaubt, die Zürcher Behörden hätten ihn härter als nötig bestraft, um sich an ihm zu rächen. Denn er, Gisler, hatte sie blossgestellt.

Ein Datenskandal in der Zürcher Justiz

Bei der Razzia 2017 haben die Polizisten nicht nur Waffen und Drogen gefunden – sondern auch noch heikle Daten der Zürcher Justizdirektion. Die Information bleibt jedoch damals unter Verschluss.

Erst im November 2022 wird der Skandal publik – durch eine Anfrage im Zürcher Kantonsparlament. Eingereicht hat sie zusammen mit zwei anderen: Valentin Landmann, Milieuanwalt, SVP-Kantonsrat und Rechtsbeistand von Roland Gisler.

Über Jahre wurden ausgemusterte IT-Geräte der Justizdirektion nicht fachgerecht entsorgt. Daten auf Festplatten von Computern wurden nicht gelöscht.

Sie landeten im Zürcher Drogen- und Sexmilieu bei Roland Gisler. Der Grund: Der Mann, der die IT-Geräte hätte entsorgen sollen, ist sein Bruder. Laut eigenen Aussagen hätten er und sein Bruder nur «zufällig» entdeckt, was auf den alten Geräten alles abgespeichert gewesen sei. Als sie die ausrangierten Notebooks und PC der Justizdirektion für neue Kunden aufbereiten hätten wollen. «Praktisch nichts war verschlüsselt, es brauchte nicht einmal ein Passwort», sagt Roland Gisler damals. In den Daten zu stöbern, bezeichnet er als eine Art Zeitvertreib. Doch die Behörden sehen das anders.

Für die Staatsanwaltschaft ist klar: Gisler wollte die Adressen und Handynummern nutzen, um Angehörige der Justizbehörden zu bedrohen, allenfalls gar zu nötigen und zu erpressen. All das, um sein Verfahren zu beeinflussen.

Gisler sei am Wohnort des zuständigen Staatsanwalts aufgetaucht und habe dessen Ehefrau ein Bild von getöteten Schafen geschickt. Zudem soll Gisler auch GPS-Sender an Autos von Beamten angebracht haben.

Das Ganze sei nur ein harmloser Spass gewesen, sagt er einmal zum «Blick»: «Der einzige Grund, warum die mich wegen des Grases so hart drannehmen, sind diese Daten.» Die ausgesprochene Freiheitsstrafe von 48 Monaten Gefängnis sei viel zu hoch, findet Gisler. Und so ziehen er und sein Anwalt Landmann den Fall weiter ans Bundesgericht. Und das gibt ihnen zumindest teilweise recht.

Das Bundesgericht urteilte im Herbst 2024, die Strafe für den Besitz des IS-Videos sei zu hoch gewesen. Gisler habe das Video zwar auf seinem Computer gespeichert, nicht aber verbreitet.

Das Obergericht reduzierte die Gefängnisstrafe deshalb nun um vier Monate auf 44 Monate. Zudem muss Gisler nur einen Viertel der Kosten des Berufungsverfahrens selbst bezahlen anstatt wie ursprünglich vorgesehen drei Viertel.

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