Dienstag, Oktober 8

Wenn Laurent Freixe jetzt als neuer CEO von Nestlé anfangen wird, gibt es einiges zu tun. Die wichtigsten Punkte im Überblick.

Der Wechsel kam überraschend, aber nicht zufällig. Am Donnerstagabend wurde bekannt, dass der Schweizer Lebensmittelkonzern Nestlé den Chef auswechselt. Mark Schneider muss seinen Platz nach mehr als sieben Jahren räumen, für ihn kommt Laurent Freixe.

Freixe ist seit 1986 im Unternehmen, er leitete das Lateinamerika-Geschäft. Damit ist der Wechsel auch ein Bekenntnis nach innen: Nachdem Nestlé mit Schneider zum ersten Mal einen externen Manager zum Chef machte, setzt man nun wieder auf ein Urgestein aus den eigenen Reihen.

Und wenn Laurent Freixe jetzt als neuer CEO beginnt, gibt es einiges zu tun. Nestlé sieht sich mit einer Reihe von Herausforderungen konfrontiert. Das sind die wichtigsten Punkte:

Gesundheit, Teil I

Nestlé wird sich Gedanken machen müssen, wie das Portfolio in Zukunft aussehen soll. Denn der Konzern ist einer der weltweit grössten Produzenten von verarbeiteten Lebensmitteln, die mitunter einen hohen Salz-, Zucker- und Fettgehalt aufweisen. Zwar hat sich Nestlé unter dem CEO Mark Schneider mehr auf Gesundheitsprodukte, auf Kaffee und auf Tierfutter fokussiert, trotzdem besteht rund ein Fünftel des Portfolios – das Tierfutter ausgeklammert – aus Süssigkeiten wie Kitkat, Smarties oder Glace.

Das passt nicht allen. Kritiker beanstanden immer wieder, letztmals an der Generalversammlung im April, dass Nestlé zu stark auf den Verkauf ungesunder Lebensmittel setze. Der Konzern selber bestreitet dies. Man sei der Meinung, einiges an Aufklärung zu leisten und sich wo nötig zurückzuhalten. So verzichte das Unternehmen darauf, Süssigkeiten für Menschen unter 16 Jahren zu bewerben.

Dennoch dürfte das Thema den Konzern weiter beschäftigen. In der Schweiz zum Beispiel will der Bund Werbungen für Süssigkeiten verbieten, um Kinder zu schützen. Solche Aktionen könnten für Nestlé dereinst zum Problem werden.

Gesundheit, Teil II

Grosse Hoffnungen hatten die Aktionäre jüngst auch in die Sparte Health Science gesetzt, die sich auf Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel konzentriert. Der Bereich würde eigentlich gut zum allgemeinen Gesundheitstrend in der Gesellschaft passen, doch er entwickelte sich lange Zeit unterdurchschnittlich. Wegen IT-Problemen kam es zu Lieferschwierigkeiten bei Vitaminprodukten, ausserdem benötigt die Integration von übernommenen Unternehmen einige Zeit und Ressourcen.

Im Bereich Gesundheitsprodukte unterliegt Nestlé zudem strengen regulatorischen Anforderungen. Dies betrifft sowohl die Zulassung neuer Produkte als auch die Vermarktung und Kennzeichnung bestehender Produkte. Behörden stellen hohe Anforderungen an die wissenschaftliche Validierung von gesundheitsbezogenen Aussagen, was die Markteinführung neuer Produkte verlangsamen und verteuern kann.

Das Wassergeschäft

Wasser, ein scheinbar einfaches Produkt, bringt Nestlé immer wieder Probleme. Viele Globalisierungskritiker halten dem Konzern vor, wertvolle Wasserressourcen zu privatisieren und den Einheimischen das Wasser wegzunehmen und es teuer weiterzuverkaufen.

Hinzu kommen Verfehlungen im In- und nahen Ausland: So musste das Unternehmen Anfang Jahr eingestehen, dass es in der Schweiz und in Frankreich während Jahren illegale Aufbereitungsmethoden für natürliches Mineralwasser angewendet hatte. Später beanstandete eine französische Behörde, dass die bekannten Mineralwasser aus Perrier und Vittel Verunreinigungen aufwiesen.

Die Wahrheit ist vielschichtig und kompliziert, und nicht überall kann Nestlé einfach als Sündenbock herangezogen werden. Doch fest steht: Das Wassergeschäft ist für Nestlé nicht mehr sonderlich attraktiv. Laurent Freixe wird sich überlegen müssen, ob sein Unternehmen ohne das Wassergeschäft nicht besser dran wäre.

Babynahrung

Nestlé ist einer der führenden Hersteller von Säuglingsnahrung. Und für diese wurde das Unternehmen von der NGO Public Eye im vergangenen Frühling kritisiert: In einem Bericht zeigte die Organisation auf, dass in Schwellen- und Entwicklungsländern den Getreidebreien Zucker zugesetzt worden war, während das bei den europäischen Pendants nicht der Fall gewesen sei. Das sei Doppelmoral, kritisierte Public Eye. Schliesslich rühme sich Nestlé damit, dass seine Säuglingsnahrung keinen Zucker enthalte.

Nestlé hat den Vorwürfen widersprochen. Man verkaufe in allen Ländern Getreidebreie mit und ohne zugesetzten Zucker. Die internationalen Bestimmungen für Babynahrung erlaubten den Zusatz von Zucker bis zu einer gewissen Menge.

Die Konsumflaute

Lange Zeit war Nestlé seinen Konkurrenten immer einen Schritt voraus gewesen. Der Lebensmittelkonzern kam mehr oder weniger ohne Schaden durch die Pandemie und wies selbst in Zeiten von hohen Inflationsraten und Unterbrechungen in der Lieferkette gute Zahlen aus. Doch dann kam der Konzern aus dem Tritt. Der Konsum ging zurück, und Nestlé konnte die Wachstumserwartungen der Analysten plötzlich nicht mehr erfüllen.

Intern wurde bemängelt, dass Nestlé in den letzten Quartalen Marktanteile an die Konkurrenten verloren hatte, bei denen geschäftlich offensichtlich mehr Zug drin war. Die Hauptaufgabe des neuen CEO Freixe wird nun sein, den Konzern wieder auf Wachstum zu trimmen. Er soll Marktanteile zurückgewinnen, indem er auf die starken Marken von Nestlé fokussiert und Schwächen in den betrieblichen Abläufen ausmerzt. Denn langfristig ist der wichtigste Erfolgsgarant für einen Nahrungsmittelkonzern, dass die Verkaufsvolumen wachsen.

Enttäuschte Aktionäre

Kann Freixe das Vertrauen der Investoren zurückgewinnen? Er müsste es dringend. Denn in letzter Zeit haben sich die Anleger enttäuscht gezeigt. Der Aktienkurs bewegt sich seit einem Jahr nur noch in eine Richtung: nach unten.

Daran konnten auch die Ende Juli präsentierten Halbjahreszahlen nichts ändern. Dabei waren sie eigentlich gut, denn Nestlé war jüngst wieder leicht gewachsen. Die negative Reaktion an den Märkten ist also vor allem darauf zurückzuführen, dass die Aktionäre das Vertrauen in den Lebensmittelmulti vorübergehend verloren haben.

Laurent Freixe soll nun neue Zuversicht schaffen. Offenbar wird er umgehend seine neue Stelle antreten – und muss gleich voll anpacken.

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