Montag, Januar 20

Der Gründer des World Economic Forum hat sich aus der operativen Führung zurückgezogen, doch noch läuft nichts ohne ihn. Die grosse Frage ist: Kann es einen weiteren Klaus Schwab geben?

Wenn Klaus Schwab diese Woche auf die Bühne des Kongresszentrums in Davos tritt und die Besucher des Weltwirtschaftsforums begrüsst, wird es für ihn bereits das 55. Mal sein. 54 Jahre ist es her, dass er als junger Mann seine erste internationale Management-Konferenz in Graubünden durchführte, damals noch unter dem Namen «European Management Symposium».

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Seitdem hat sich viel getan. Heute generiert das WEF mehr als 400 Millionen Franken Umsatz und beschäftigt rund 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Genf, New York, Peking und anderen Städten. Manager, Politiker und Forscher aus der ganzen Welt kommen Jahr für Jahr nach Davos und an verschiedene regionale Konferenzen, um sich auszutauschen. Doch das Wirtschaftstreffen ist nur das sichtbarste Produkt der Organisation WEF. Die Stiftung führt Initiativen für Gleichstellung, gegen Pandemien, gegen Luftverschmutzung und für den verantwortungsvollen Umgang mit neuen Technologien und veröffentlicht regelmässig Forschungspapiere.

Ein Rücktritt auf Raten

Das WEF und Schwab sind eng verbunden: Er ist Gründer und Vorstand der Organisation, seine Frau Hilde leitet die Schwab-Stiftung für Social Entrepreneurship. Die beiden Kinder der Schwabs arbeiten inzwischen ebenfalls beim Forum. Im März wird Klaus Schwab, der 1938 in Ravensburg zur Welt kam, 87 Jahre alt. Ein WEF ohne ihn, das kann sich kaum jemand vorstellen. Aber irgendwann wird es so weit sein. Und alle fragen sich: Wer wird der – oder vielleicht auch die – nächste Klaus Schwab sein?

Dass es seit Jahren Gerede über seine Nachfolge gibt, das weiss auch Schwab. Momentan wirkt er nicht, als denke er in nächster Zeit ans Aufhören. Aber längst hat er im Hintergrund alles geregelt, damit das Forum auch ohne ihn funktionieren kann. Bereits an dieser 55. Ausgabe liegt die operative Leitung der Konferenz nicht mehr bei ihm. In den vergangenen Jahren zog er sich Stück für Stück aus der Organisation der Veranstaltung zurück, gab Aufgaben ab.

Vergangenen Mai kündigte das WEF an, sich schrittweise von der Struktur einer gründergeleiteten Organisation zu lösen. Aus dem Stiftungsrat wurden vier Ausschüsse gebildet, um Aufgaben auf mehrere Schultern zu verteilen: ein Investment, Audit and Risk Committee, ein Governance and Nominations Committee, ein Innovation and Strategy Committee und ein Impact and Stakeholder Engagement Committee. Schwab ist zwar noch Chairman des Stiftungsrates, aber ohne exekutive Aufgaben.

Die Nachfolgersuche ist schwierig

Verantwortung – und damit auch Macht – abzugeben, fiel ihm lange nicht leicht. In Börge Brende, dem ehemaligen norwegischen Aussenminister, scheint er einen passenden Partner gefunden zu haben. Brende ist seit 2017 Präsident des Forums und führt die Geschäftsleitung. Im Gespräch mit der NZZ sagte er vor zwei Jahren, er hoffe, die Zusammenarbeit mit Schwab «noch mindestens eine Dekade» fortsetzen zu können. Zu der Frage, ob er eines Tages Schwabs Nachfolger werde, hielt er sich bedeckt.

Die Rolle des WEF-Chairman neu zu besetzen, wird nicht leicht. Die Nervosität in Bezug auf Schwabs Nachfolge ist gross. Das hat mit dem Status des Weltwirtschaftsforums in der internationalen Polit- und Wirtschaftswelt zu tun, aber auch mit der bis heute immensen Rolle Schwabs. Zwar funktioniert der operative Alltagsbetrieb des Forums längst ohne ihn. Doch er verfügt über so viele und intensive Kontakte zu Entscheidungsträgern wie kaum jemand, von Xi über Trump und Macron bis zu von der Leyen.

Solche persönlichen Kontakte kann man nicht einfach an eine andere Person weitergeben. Und doch sind sie unabdingbar, damit das Aushängeschild Davos glänzen kann. Und glänzen muss es auch ohne Schwab.

Vorwürfe könnten Schwabs Erbe überschatten

Seinen Platz in den ersten Reihen der globalen Politelite hat er sich über lange Zeit hinweg erarbeitet. Er gilt als guter Zuhörer und Netzwerker, als wissbegierig, begeisterungsfähig, innovativ und stets motiviert. Doch im vergangenen Sommer überschatteten Berichte von ehemaligen Angestellten sein WEF-Erbe. Die Rede war von Sexismus und Rassismus innerhalb der Organisation. Frauen soll wegen einer Schwangerschaft gekündigt worden sein, schwarze Mitarbeiter warfen dem WEF vor, sie systematisch benachteiligt zu haben.

Eine ehemalige Mitarbeiterin reichte anschliessend Klage gegen die Niederlassung des WEF in New York und den Hauptsitz in Genf ein – und gegen Klaus Schwab selbst. Die Frau, die angab, an der Niederlassung in New York rassistische Behandlung erfahren zu haben, wirft dem WEF Doppelmoral vor. Die Redner in Davos und das Forum selbst würden immer wieder betonen, wie wichtig es sei, gegen Diskriminierung vorzugehen. Doch das WEF halte sich nicht an das, was es predige.

Schwab weist die Vorwürfe zurück. In einem Statement wies er darauf hin, dass die Klägerin bei einer separat registrierten Firma angestellt gewesen sei. Er habe keinen Einfluss auf das Unternehmen und damit auch nicht auf dessen Angestellte.

Dennoch wirft die Klage einen Schatten auf das WEF. Der Vorwurf der Doppelmoral steht dem Forum, das stets seine eigene Integrität betont, nicht gut zu Gesicht. Im Umfeld von Schwab reagierten viele geschockt auf die Klage, gilt er doch als umsichtiger Mensch, der keine Entscheide fällt, die eine negative öffentliche Reaktion auslösen könnten.

Sehen, wer bereitsteht

Schwab selbst hat sich immer wieder gegen Diskriminierung ausgesprochen und für Frauenförderung starkgemacht. Auch bei seiner Nachfolge soll es ihm ein Anliegen sein, den Posten wenn möglich mit einer Frau zu besetzen. Namen wie Christine Lagarde oder Ursula von der Leyen stehen im Raum.

Schwab hat in der Vergangenheit durchblicken lassen, er plane nicht, seinen Nachfolger oder seine Nachfolgerin selbst aufzubauen. Wenn er sich entscheiden sollte zurückzutreten, müsse man sehen, wer zur Verfügung stehe. Zumindest hat er angekündigt, «in den nächsten Jahren, sicher vor meinem 90. Geburtstag», auf die Rolle des Chairman zu verzichten.

Man darf also davon ausgehen, dass die Suche längst läuft. Als geeignet erachtet Schwab Personen mit internationaler Erfahrung und einem breiten Netzwerk, die idealerweise (etwa durch eine gegenwärtige oder frühere Mitgliedschaft im Board) die schlanke Funktionsweise des Weltwirtschaftsforums bereits kennen. Ihre Nationalität sollte dabei in seinen Augen keine Rolle spielen.

Ob diese Person dann tatsächlich «der nächste Klaus Schwab» wird, ist eine andere Frage. Denn so eng mit dem Forum verknüpft wie er wird seine Nachfolgerin oder sein Nachfolger wohl nicht sein. Dafür hat Schwab bereits gesorgt.

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