Dienstag, Oktober 1

Für jede Vermittlung erhielt der Mann bis zu 6000 Franken.

Ein 64-jähriger Schweizer aus dem Bezirk Meilen hatte für sich ein lukratives neues Geschäftsfeld entdeckt. Das geht aus einem rechtskräftigen Strafbefehl der kantonalen Staatsanwaltschaft III für Wirtschaftsdelikte hervor, in den die NZZ Einsicht hatte.

Der Unternehmensberater habe erkannt, so der Strafbefehl, dass eine Nachfrage nach Firmenbestattern sowie ein Angebot von Personen bestanden habe, die diese Funktion gegen Entgelt zu übernehmen bereit gewesen seien. Er brauchte diese beiden Personengruppen nur zu vermitteln. Im Strafbefehl geht es nur um die Rolle dieses 64-jährigen Vermittlers, gegen die anderen Beteiligten wurden separate Strafverfahren geführt.

In der Regel bekam der Mann zwischen 3000 und 6000 Franken für jede Vermittlung, davon gab er jeweils zwischen 1000 und 3000 Franken an die Firmenbestatter weiter. Die Differenz behielt er. Um dieses Einkommen zu erzielen, «baute er ein Beziehungsnetz auf, dessen Dreh- und Angelpunkt er als Organisator war», heisst es dazu im Strafbefehl. Für einige Gesellschaften registrierte er seine Büroadresse auch als Domiziladresse.

Organisation auf drei Ebenen

Im Strafbefehl wird die Vorgehensweise genau beschrieben. Darin ist von einem «kantonsübergreifenden, systematischen Markt für Firmenbestattungen» die Rede, der auf drei Ebenen stattfand.

Auf der ersten Ebene führten Kleinunternehmer – oft aus den Branchen Bau, Reinigung und Unterhalt oder Gastronomie – ihre Aktiengesellschaft oder ihre Gesellschaft mit beschränkter Haftung in eine Finanzkrise. Ein Teil dieser Unternehmer sei trotz ursprünglich guten Absichten in wirtschaftliche Schieflage geraten. Ein anderer Teil habe sich hingegen von Anfang an bewusst dafür entschieden, bestimmte Schulden wie Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nicht zu bezahlen und später über das «Firmenbestattungssystem» zu entsorgen. Ihr Motiv sei also gewesen, die Bezahlung von Schulden zu vermeiden.

Diese Unternehmer waren jedoch bereit, Geld dafür zu bezahlen, dass jemand die Gesellschaften übernahm. Dadurch wurden sie ihre Schulden los, schonten dennoch ihre Kreditwürdigkeit und waren zudem davon entlastet, sich mit dem Betreibungs- und Konkursverfahren zu befassen. Gegen zivil- und strafrechtliche Konsequenzen aus Pflichtverletzungen bei der Gesellschaftsführung verteidigten sie sich mit dem Argument, die Gesellschaft in einwandfreiem Zustand übergeben zu haben.

Auf der zweiten Ebene wirkten die Firmenbestatter. Sie übernahmen die Stellung als Inhaber und Organe der überschuldeten Gesellschaften, waren jedoch von Anfang an gar nie gewillt, die gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben wahrzunehmen. Es ging ihnen nur darum, ein Entgelt dafür zu erlangen, dass sie sich pro forma im Handelsregister eintragen liessen und den Betreibungs- und Konkursämtern als Ansprechpersonen zur Verfügung standen. Um ihren eigenen Ruf hätten sich diese Personen keinerlei Sorgen gemacht.

Ihre Aufgabe bestand nur darin, die Zeit bis zur Konkurseröffnung oder Liquidation «auszusitzen» und die Termine bei den Betreibungs- und Konkursämtern sowie den Notariaten wahrzunehmen.

Auf der dritten Ebene waren Organisatoren wie eben der 64-jährige Beschuldigte tätig: Er rekrutierte die Firmenbestatter, führte sie mit den ursprünglichen Gesellschaftern zusammen und meldete die neuen Besitzer im Handelsregister an, nachdem er die dafür erforderlichen Belege erstellt oder beschafft hatte.

Bestatter für 23 Gesellschaften vermittelt

Der Beschuldigte sorgte dafür, dass die Gesellschaften mit der Einsetzung des Firmenbestatters praktisch immer den Sitz wechselten und zudem oftmals auch den Zweck änderten. Mit diesem Zusatzaufwand wurden Hürden eingebaut, um Gläubiger sowie Straf- und Verwaltungsbehörden davon abzuhalten, einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der formal umgestalteten Gesellschaft und dem Vororgan herzustellen.

Keine der durch den Beschuldigten vermittelten Gesellschaften war ab Einsatz des Firmenbestatters noch operativ tätig.

Im Anhang des Strafbefehls sind 23 Gesellschaften aufgelistet. Für 21 dieser Firmen nahm der Beschuldigte Handelsregisteranmeldungen von Scheinorganen vor, organisierte oder erstellte auch die dafür notwendigen Dokumente und begleitete die Firmenbestatter an ihre jeweiligen Termine, insbesondere zu den Notaren.

Der Unternehmensberater habe mehrfach durch Täuschung bewirkt, dass ein Beamter oder eine Person öffentlichen Glaubens eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet habe. Er ist nun wegen der Straftatbestände der mehrfachen Erschleichung einer falschen Beurkundung und der mehrfachen Anstiftung zur Unterlassung der Buchführung verurteilt worden. Dafür wurde er mit einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen à je 80 Franken (also 14 400 Franken) bestraft.

Zum Teil handelt es sich um eine Zusatzstrafe zu einer Vorstrafe aus dem Jahr 2015, wie aus dem Strafbefehl hervorgeht. Die Probezeit wurde deshalb auf drei Jahre angesetzt. Tatsächlich bezahlen muss der Mann 5360 Franken Verfahrenskosten. Der Strafbefehl ist nicht angefochten worden und rechtskräftig.

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