Mittwoch, Oktober 2

Sie bieten illegale Glücksspiele im grossen Stil an und sponsern den FCZ. Nun ist ein führendes Mitglied im Fall Antepay verurteilt worden.

Omer Yaman (Name geändert) ist der IT-Spezialist der Glücksspielmafia. Während mehrerer Jahre ist der 46-jährige Schweizer mit türkischen Wurzeln Teil einer kriminellen Bande, die mit illegalen Glücksspielen ein Millionengeschäft macht. Gelenkt wird die Bande von Leuten, die sich im Dunstkreis der organisierten Kriminalität bewegen.

Omer Yaman ist einer aus der Führungscrew. Er erhält das IT-System aufrecht, er bietet Unterstützung für Vereinslokale und Klubs an, in denen auf den illegalen Plattformen gespielt werden kann. Und er verwaltet die Einnahmen aus dem illegalen Glücksspiel. Das geht mehrere Jahre lang gut – bis die Ermittler ihm und dem kriminellen Netzwerk seines Bosses Metin Akay (Name geändert) schliesslich auf die Spur kommen.

«Es war eine schwere Zeit»

Am Dienstag betritt Yaman einen kleinen Nebensaal am Bezirksgericht in Zürich. Er ist der Erste aus der Führungscrew der kriminellen Bande, der sich vor Gericht verantworten muss. Zusammen mit Metin Akay, dem Boss, und drei anderen Männern, war er im Herbst 2023 verhaftet worden – und sass bis Anfang Mai in Untersuchungshaft. Kurz nach der Festnahme Mitte September streitet er noch alles ab, doch zwei Monate später gesteht er. Schliesslich legt er ein vollumfängliches Geständnis ab.

Die Richterin fragt Yaman: «Wieso sind Sie kriminell geworden?» Der 46-jährige Kioskmitarbeiter antwortet: «2020 war Corona, es war eine schwere Zeit.» «Wie denken Sie heute darüber?» – «Nicht gut, ich sass im Gefängnis und habe sieben Monate meine Kinder nicht gesehen. Ich habe viel falsch gemacht. Eines der Kinder war krank und musste operiert werden, und ich konnte nicht dabei sein und meine Familie unterstützen.»

Yaman hält sich jahrelang mit Teilzeitbeschäftigungen finanziell über Wasser. Doch 2016 ändert sich etwas: Er wird CEO einer Firma mit Sitz in Zürich. Offiziell beschäftigt sich das Unternehmen mit Beratung und der Entwicklung von Informationssystemen. Doch wie die Ermittlungen zeigen, ist das bloss eine geschickte Tarnung. Die Firma dient als Deckmantel für nicht konzessionierte Glücksspiele, Sportwetten und Poker. Die Glücksspielseiten heissen 3000bet11.com oder babasbet10.com.

Um sich dem Zugriff der Behörden zu entziehen, die die Seiten regelmässig sperren, schalten die Kriminellen immer wieder leicht veränderte Internetadressen auf. Laut Anklageschrift der Zürcher Staatsanwaltschaft ist zuletzt beispielsweise die Website solobet25.com aktiv.

Die Mitglieder der Bande rüsten türkische Vereinslokale und Klubs aus, damit diese die illegalen Geldspiele vertreiben können. Die Betreiber der Lokale fungieren dabei laut Anklage als sogenannte Reseller: Sie bewerben die illegalen Sportwetten, eröffnen Konten für Spieler und zahlen Gewinne aus. Laut Anklageschrift sind es am Ende allein in der Schweiz über 500 solcher Reseller.

Yaman ist allerdings nicht die zentrale Figur im System. Der Boss heisst: Metin Akay. Laut dem Rechercheportal «Reflekt», das den Fall publik machte, hatte der Mann einst einen Kiosk betrieben, bevor er ein Lokal in Zürich übernahm. Dort stellte er zuerst Computer auf, an denen man illegal spielen konnte. Der Boss habe jedoch schnell gemerkt, dass sich das nicht lohne, erzählten Insider dem Portal. Deshalb habe er eine eigene Software entwickeln lassen und fortan seine eigenen Spiele in seinem Lokal angeboten.

So soll es angefangen haben. Bald wird das Geschäft des kriminellen Netzwerks immer grösser – und einträglicher. Eine zentrale Rolle spielt dabei auch eine Karte namens Antepay. Offiziell verkaufen es die Täter als Prepaidkarte. Doch eigentlich dient die Karte vor allem dazu, Einsätze für die angebotenen illegalen Geldspiele zu platzieren oder Guthaben für die Spiele zu erlangen.

Die Tarnung ist so gut, dass 2019 ein Coup gelingt: Antepay wird Hauptsponsor des FC Zürich. Das Logo der Bezahlkarte ziert zwischen 2019 und 2021 die Trikots des FC Zürich.

Gegenüber «Reflekt» bezeichnet FCZ-Präsident Ancillo Canepa den Deal später als «sehr ärgerlich». Normalerweise prüfe der Verein die Sponsoren selber. In diesem Fall aber habe man sich auf die Expertise eines externen Sportvermarkters verlassen.

Die Einnahmen, die das kriminelle Netzwerk generiert, sind horrend. Die Staatsanwaltschaft schreibt in ihrer Anklage, die Täter hätten ab Januar 2019 insgesamt 324 Millionen Franken mit illegalem Glücksspiel umgesetzt. Davon zahlen die Kriminellen Gewinne an die Spieler aus, übrig bleiben Einnahmen in der Höhe von rund 171 Millionen Franken. Mit der Bezahlkarte Antepay seien allein rund 44 Millionen Franken erwirtschaftet worden.

Der Boss und der Gemüsehändler

Was mit dem Geld geschieht, das das kriminelle Netzwerk scheffelt, haben die Ermittler zumindest teilweise nachverfolgen können. Eine Spur führt zu einem unscheinbaren kleinen Supermarkt im Zürcher Langstrassenquartier.

Metin Akay verkehrt oft dort. Denn der Gemüsehändler ist für seine Organisationen ideal. Der Laden hat einen seriösen Anstrich und operiert auch legal mit grösseren Geldbeträgen. Und genau darum fällt es nicht auf, wenn in dieser Masse auch Einkünfte aus illegalen Quellen verschoben werden.

Und Akay verschiebt viel Geld. 1,6 Millionen Franken sind es, die er allein über den Laden im Langstrassenquartier transferiert. Einmal unterzeichnet der Ladenbesitzer für Akay sogar einen fiktiven Darlehensvertrag. Dies, um gegenüber der Polizei vorzutäuschen, dass das Geld des Kunden aus legaler Quelle stammt. Die Polizei stellt das Bargeld am 1. Dezember 2021 am Flughafen Zürich bei Akay sicher. Der Ladenbesitzer gibt daraufhin vor, er habe das Geld als Darlehen gewährt. Er erfasst das fiktive Darlehen sogar in der Buchhaltung seines Ladens.

Laut Staatsanwaltschaft fliesst über den Ladenbesitzer und andere Kanäle ein Grossteil des erwirtschafteten Geldes ins Ausland – vor allem in die Türkei. Dort investierten es die Mitglieder der Bande in Immobilien und andere Güter. Die Staatsanwaltschaft hält in der Anklage fest, die Einziehung des verbrecherisch erlangten Geldes sei dadurch massiv erschwert worden.

«Sie waren sehr lange kriminell aktiv»

Weil Omer Yaman seine Verwicklung in die kriminellen Geschäfte eingestanden hat, erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage im abgekürzten Verfahren gegen ihn – wegen Verbrechen gegen das Geldspielgesetz und schwerer Geldwäscherei.

Das Bezirksgericht stimmt dem Urteilsvorschlag am Dienstag zu. Es verurteilt den türkischstämmigen Schweizer zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren. Sechs Monate davon muss der 46-Jährige absitzen. Da Yaman allerdings schon rund sieben Monate im Gefängnis verbracht hat, bleibt er auf freiem Fuss.

Seine Tätigkeit für die Glücksspielmafia kommen ihn teuer zu stehen. Er ist vom Gericht verpflichtet worden, eine Ersatzforderung von 285 000 Franken an den Staat zu zahlen. Zudem muss er für die Verfahrenskosten aufkommen – insgesamt rund 182 000 Franken.

Die Richterin sagt während der kurzen Urteilsbegründung: «Sie sind sehr lange kriminell aktiv gewesen.» Yaman sei zwar kein Rädelsführer der kriminellen Bande gewesen. Als IT-Supporter habe er aber einen sehr wichtigen Beitrag für die Organisation geleistet. Die Strafe von sechs Monaten bezeichnet die Richterin deshalb als relativ tief.

Seine Aussage, er sei wegen Corona in die Sache hineingeschlittert, nimmt sie Yaman nicht ab. «Sie haben lange vor der Pandemie mit dieser Sache angefangen. Es wurde sehr professionell vorgegangen, das war kein spontaner Entschluss in der Not.»

Omer Yaman gibt sich vor Gericht einsichtig. Zu den anderen Mitgliedern der Bande habe er keinen Kontakt mehr. Von jetzt an werde er nur noch legale Sachen machen, verspricht er. Sein neues Ziel: Sport und Metaverse zusammenbringen. Nicht weniger als eine Revolution soll es werden, wie auf der Website seiner Firma zu lesen ist.

Auch der Boss ist geständig

Auch die vier anderen im Herbst verhafteten Männer sind geständig. Auf Anfrage schreibt die Zürcher Staatsanwaltschaft, man habe die Beschuldigten im abgekürzten Verfahren angeklagt – wegen Verbrechen gegen das Geldspielgesetz und schwerer Geldwäscherei. Die beantragten Freiheitsstrafen liegen zwischen zwei und vier Jahren.

Die Staatsanwaltschaft schreibt, die Höchststrafe von 5 Jahren könne gemäss dem Willen des Gesetzgebers nur dann ausgefällt werden, wenn die Tatschwere und das Verschulden maximal und die Täter nicht geständig seien. In diesem Verfahren sei es jedoch anders: «Der vorliegende Fall ist zwar sehr schwerwiegend, aber nicht der denkbar schwerste Fall. Zudem liegen Geständnisse vor.»

Sollte das Gericht den Antrag bestätigen, wird Metin Akay, der Boss, zu einer vierjährigen Freiheitsstrafe verurteilt werden. Zudem müsste er die durch das Glücksspiel eingenommenen Gelder in der Höhe von 171 Millionen Franken zurückzahlen. Wann sich Akay und die anderen Beschuldigten vor Gericht verantworten müssen, ist noch nicht bekannt.

Urteil DH 240 067 vom 9. 7. 24, noch nicht rechtskräftig.

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