Freitag, Oktober 25

Hosen mit nur einem Bein, und davon gleich mehrere: Auf den Laufstegen bei Bottega Veneta, Louis Vuitton oder Coperni war dieser Trend zu sehen, dessen Alltagstauglichkeit sich erst noch beweisen muss.

Zwei Augen, zwei Ohren, zwei Hände, zwei Beine, also natürlich auch: zwei Hosenbeine. Unsere Wahrnehmung ist auf Symmetrie getrimmt, und wenn die gestört wird, denken wir sofort: Da stimmt doch etwas nicht. Es herrschte deshalb leichte Irritation nach der Show von Bottega Veneta Ende September. Einbeinige Hosen? Wer soll das denn bitte tragen? Geht die Mode da nicht, nun ja, einen Schritt zu weit?

Es ging aber noch weiter. Ein paar Tage später zeigten auch Louis Vuitton und Coperni Hosen mit einem langen und einem kurzen Bein auf dem Laufsteg. Bei Victoria Beckham war ein Entwurf an einer Seite so weit aufgeschlitzt, dass in der Bewegung im Grunde der gleiche Effekt entstand. Optisch wirkte das erst einmal aus dem Gleichgewicht. Als habe man beim Radfahren wegen der öligen Kette eine Seite hochgekrempelt oder eine unglückliche Begegnung mit einem Hund gehabt.

Matthieu Blazy von Bottega Veneta erklärte seine Entwürfe mit der Wiederentdeckung kindlicher Verkleidungsfreude, einem spielerischen Umgang mit Mode und «chic awkwardness». Eine Eleganz also, die etwas seltsam ist – aber deshalb auch extrem anziehend. Bekanntes mag sich angenehm und vertraut anfühlen, aber die Abweichung von der Norm ist meist um einiges aufregender, wenn auch zunächst verstörender. Das Auge muss sich an das Neue erst gewöhnen. So wie es sich irgendwann einmal an asymmetrische Röcke und Kleider, den Solo-Ohrring oder einseitig abrasierte Haare gewöhnen musste. Und was ist mit all den One-Shoulder-Kleidern, die längst selbstverständlich sind? Warum soll ein einzelner Ärmel vollkommen okay sein, eine etwas einseitige Hose dagegen nicht?

So seltsam das Ganze für viele noch aussehen mag, ein bisschen Abwechslung im ewiggleichen Trott ist eigentlich überfällig. Schon eine ganze Weile stöhnen Kritiker, dass viele Marken nur noch auf Nummer sicher gingen, irgendwie alles schon einmal da gewesen sei in der Mode und es keine neuen Ideen oder gar Silhouetten mehr gebe. Nun ja, einbeinige Hosen sind zumindest einmal etwas anderes – wenn auch keine vollkommen neue Idee.

Mehr als nur ein Laufsteg-Gag?

Ein gewisser David Bowie alias Ziggy Stardust trug Anfang der siebziger Jahre nicht nur einen gestrickten «one-legged jumpsuit» des japanischen Designers Kansai Yamamoto auf der Bühne, sondern auch ein weiteres asymmetrisches Kostüm mit einer Flamme, die sich vom langen Hosenbein über den Schritt schlängelte. Für viele Männer offensichtlich ein solcher «Horror», dass es ein ähnliches Outfit noch heute für Halloween im Internet zu bestellen gibt. Vor vier Jahren schickte auch Rick Owens in seiner Männerkollektion einbeinige Entwürfe über den Laufsteg. Wirklich durchsetzen konnten sie sich damals allerdings nicht.

Beim Online-Portal «Vogue Business» äusserten sich einige Einkäufer auch diesmal skeptisch, ob in der einbeinigen Hose für Frauen mehr als nur ein Laufsteg-Gag oder Nischentrend stecke. Andererseits verkauft das ukrainische Label Frolov schon seit zwei Jahren einbeinige Hosen, die nach eigenen Angaben extrem gut bei den Kunden ankommen, weil der Look definitiv ein Statement sei. Und je fliessender der Hosenbund an der kurzen Seite, desto weniger «krass» erscheint der Längenunterschied.

Die einbeinigen Designs von Louis Vuitton etwa sehen auf den ersten Blick wie asymmetrische oder sehr hochgeschlitzte Röcke aus, bei denen ein Bein seitlich herauslugt. So revolutionär, wie der Trend klingt, ist er womöglich gar nicht.

Fehlen eigentlich nur noch ein paar Prominente, die den Soloauftritt endgültig populär machen. Wobei: Die erste gibt es natürlich schon. Taylor Swift trug während ihrer Eras-Tour einen schwarzen asymmetrischen Jumpsuit von Roberto Cavalli mit roten Schlangen darauf. Bei ihrem gerade gestarteten letzten Teil der Konzertreihe, trug sie in Miami eine neue Variante mit goldenen Schlangen darauf. Für Swifties zumindest dürfte die einbeinige Hose damit den Segen von ganz oben haben.

Exit mobile version