Fünfzehn Jahre nach dem brutalen Mord an einer Prostituierten sucht die Polizei nach Hinweisen. Eine spezielle Installation soll nun mögliche Zeugen dazu ermutigen, sich zu melden.
Bernadett Szabo, die alle nur Betty nannten, hatte noch den Panikknopf gedrückt. Die Fensterbordelle im Rotlichtviertel von Amsterdam verfügen über dieses Sicherheitssystem, um die Prostituierten vor gewalttätigen Kunden zu schützen. Doch Betty, eine 19-jährige Ungarin, drückte den Alarm erfolglos. Niemand kam, um sie zu retten. Andere Prostituierte fanden Betty in der Nacht auf den 19. Februar 2009. Die junge Frau lag in einer Blutlache, ihr Körper zerfetzt von fast siebzig Messerstichen. Ein Foto ihres drei Monate jungen Sohnes soll neben ihrem Kopf gelegen haben. Das niederländische Portal «Stichting Coldcasezaken» macht auf die Geschichte von Bernadett Szabo aufmerksam. Denn diese wurde vor mehr als fünfzehn Jahren brutal ermordet, und die Polizei hat bis heute keinen Täter ermittelt. Deswegen versucht sie es nun auf eine aussergewöhnliche Art und Weise.
Die Beamten haben in der Korte Stormsteeg, einer Gasse im Amsterdamer Rotlichtviertel De Wallen, ein ganzes Haus dem Fall gewidmet. Eine Woche lang soll hier alles auf Bettys Fall aufmerksam machen. Grosse Plakate an den Fenstern vermitteln Informationen zu dem Mord, Bildschirme zeigen den Tatort, die letzten Aufnahmen von Betty und einen Dokumentarfilm. Zusätzlich haben die Beamten ein spezielles Fenster eingerichtet.
Das Hologramm haucht «Help»
Hinter einer rot beleuchteten Glasscheibe steht eine junge Prostituierte mit kurzen blonden Haaren. Sie trägt nur ein knappes Oberteil und Hotpants. Deutlich sieht man ihr auffälliges Tattoo, einen Drachen, der sich von ihrem Hals bis zu ihrem Schritt schlängelt. Was Passanten da im Fenster sehen, ist ein lebensgrosses Hologramm von Betty Szabo. Dieses ist animiert, bewegt sich und haucht von innen ans Fenster. Auf der beschlagenen Scheibe entsteht dann der Hilferuf «Help». Umrahmt wird das Fenster von einer Erzählung ihrer Geschichte – und dem Aufruf, sich bei der Polizei zu melden, wenn man etwas wisse.
Betty sei in einem der belebtesten Viertel von Amsterdam, vielleicht sogar der ganzen Niederlande, ermordet worden, teilte die Polizei mit. Es sei fast unmöglich, dass damals niemand etwas Ungewöhnliches gesehen oder gehört habe. Die Polizeisprecherin Anne Dreijer-Heemskerk sagt in der Mitteilung: «Wir hoffen, dass Leute, die sich damals nicht getraut haben, zu sprechen, durch die verstrichenen Jahre – wir sind jetzt fünfzehn Jahre weiter – nun doch bereit sind, auszusagen.» Das gehe auch anonym. Für Hinweise wurde eine Belohnung in Höhe von 30 000 Euro ausgerufen.
Die Spurensuche am Tatort habe damals nichts ergeben, heisst es bei «Stichting Coldcasezaken». Laut den Angaben hatten in den Tagen vor dem Mord durchschnittlich zwanzig Männer das Zimmer besucht. Und entsprechend viele DNA-Spuren hinterlassen. Zudem trauten sich Kolleginnen, Bekannte und Kunden nicht, auszusagen. Kurz nach dem Mord sei dennoch ein 46-jähriger Verdächtiger festgenommen worden. Mangels Beweisen wurde dieser schnell wieder laufen gelassen.
Bewusst keine exakte Kopie
Benjamin van Gogh, der für die Kampagne verantwortlich ist, sagt: «Es ist das erste Mal, dass wir so etwas machen.» Zuvor habe sein Team die Aktion mit Betty Szabos Familie abgesprochen. Das Hologramm solle der Toten Würde verleihen – aber ganz bewusst keine exakte Kopie der echten Betty darstellen.
«Uns war klar, dass es heftig sein kann, diese Bilder zu sehen. Wir haben deshalb auch keine fotorealistische Kopie von Betty angefertigt», sagte van Gogh gegenüber Tagesschau.de. Wer die damals 19-Jährige gekannt habe, komme nicht auf den Gedanken, dass sie nun zum Leben erweckt worden sei. «Das wollten wir vermeiden.»