Montag, Oktober 28

Die Firma Transsion gilt als «Afrikas Smartphone-König». Keiner der grossen Smartphone-Hersteller wächst schneller als sie.

Pascaline Kyuli dreht ein Smartphone in den Händen, es ist der Verkaufsschlager. Es ähnelt gängigen Hochpreis-Handys von Samsung oder Apple. Doch die Marke ist Tecno, das Modell Camon 30. «Glaub mir», sagt die Verkäuferin Kyuli, «für andere Smartphones zahlst du mindestens 50 000 Shilling, das hier hat dieselben Eigenschaften und kostet kaum mehr als die Hälfte davon.»

Für umgerechnet 200 Franken bekommt man hier im Tecno-Laden im Stadtzentrum von Nairobi ein Smartphone einer Marke, die ausserhalb von Afrika kaum jemand kennt, die in Kenya und vielen Ländern auf dem Kontinent aber unangefochtener Marktführer ist. Es sind chinesische Handys, das Unternehmen, das sie herstellt, heisst Transsion; neben Tecno vertreibt es die Marken Itel und Infinix. In Afrika hat Transsion bei Smartphones einen Marktanteil von 40 Prozent – man nennt das Unternehmen auch «Afrikas Smartphone-König».

Transsion entstand 2006 in der chinesischen Technologiemetropole Shenzhen. Die Firma legte den Fokus bald schon nicht auf den chinesischen Heimmarkt, sondern auf Afrika, den Kontinent mit der nach Asien zweitgrössten Bevölkerung. Zu Beginn verkaufte das Unternehmen in Afrika vor allem simple Handys mit wenigen Funktionen, die meist unter 50 Franken kosteten. Ab 2014 dann auch Smartphones. Mit grossem Erfolg: 2023 stiess Transsion erstmals in die Gruppe der fünf grössten Smartphone-Hersteller der Welt vor. 95 Millionen Handys lieferte Transsion aus, die Hälfte davon auf dem afrikanischen Kontinent.

Kameras für dunkle Haut

Der Erfolg von Transsion beruht darauf, dass die Firma Telefone herstellt, die massgeschneidert sind für die Bedürfnisse der afrikanischen Klientel. Die Handys wurden ausgestattet mit leistungsstarken Akkus, ein grosser Vorteil an Orten, an denen die Stromversorgung nicht ständig gewährleistet ist. Die Handys haben oft Slots für mehrere SIM-Karten – weil viele Handynutzer rasch zwischen Anbietern wechseln, um Geld zu sparen. Transsion liess Kameras installieren, die dunkle Haut besser erfassen können als herkömmliche Handys.

Auch das Marketing der Firma ist umtriebig. An der Luthuli Avenue in Nairobis Stadtzentrum, der Strasse der Handyverkäufer und -reparateure, ist Transsions Dominanz erdrückend. Gebäude sind mit grossen Tecno-Bannern tapeziert, an kleinen Verkaufsständen, die es zu Dutzenden gibt in der Strasse, sind die Schriftzüge von Infinix und Itel überall.

Als Transsion 2008 nach Kenya kam, richtete die Firma ihren ersten Hauptsitz an der Luthuli Avenue ein. Das war auch eine Ansage: dass hier eine Firma angekommen war, die lokale Befindlichkeiten ernst nimmt. Der Firmengründer Zhu Zhaojiang bewarb Transsions Ansatz gegenüber der englischsprachigen chinesischen Zeitung «Global Times» einmal so: «Nur wenn Firmen lokale Kultur und Tradition in einem Markt wahrhaftig respektieren, schaffen sie es, Fuss zu fassen.» Um die Nähe zum Kontinent zu unterstreichen, lässt Transsion seit 2011 in einer Fabrik in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba auch Handys zusammensetzen.

«Eigentlich möchte ich lieber ein Samsung»

Bei allem geschickten Marketing und aller Anpassung an afrikanische Gegebenheiten – fragt man Verkäuferinnen und Kunden an der Luthuli Avenue, sagen sie alle: Für die Transsion-Handys spreche in erster Linie der Preis.

Im Tecno-Geschäft lässt sich von der Verkäuferin Pascaline Kyuli zum Beispiel Linda Ruto beraten, sie handelt mit Kleidern. Wie viele kenyanische Händlerinnen und Händler tut sie das online, über Whatsapp, Facebook oder Instagram. Sie braucht dafür ein Handy, das eine solide Rechenleistung hat und gute Bilder schiesst. Linda Ruto sagt: «Eigentlich möchte ich lieber ein Samsung, aber Tecno ist fast wie Samsung und viel billiger.»

Die Handys von Transsion waren stets billiger, weil die Firma mit tiefen Margen operiert. Indem Transsion den Fokus in den vergangenen zehn Jahren immer stärker auf Smartphones legte, bei denen die Margen höher sind, versuchte die Firma aber, vom reinen Billigstgeschäft wegzukommen. Mit Erfolg: Von den grossen Smartphone-Herstellern wuchs 2023 keiner schneller als Transsion. Die Firma lieferte 31 Prozent mehr Handys aus gegenüber dem Vorjahr. Bei Apple betrug der Zuwachs 3,7 Prozent, bei den anderen Branchengrössen Samsung, Oppo und Xiaomi waren die Verkäufe rückläufig.

Im ersten Halbjahr 2024 ging der Lauf von Transsion weiter – das Unternehmen vermeldete einen Umsatzzuwachs von 38 Prozent auf 4,9 Milliarden Dollar. Der Erfolg bringt mit sich, dass Transsion stärker auch ausserhalb von Afrika wahrgenommen wird. Das «Time Magazine» hat das Unternehmen dieses Jahr auf seine Liste der «100 einflussreichsten Unternehmen» gesetzt.

Bollywood-Grössen für die Expansion in Indien

Als weitere Folge des Erfolgs entwickelt Transsion zunehmend Ambitionen ausserhalb des Kontinents, der die Firma gross gemacht hat. Sie zielt auf andere Weltregionen mit Entwicklungs- und Schwellenländern, in denen Millionen potenzieller Kunden billige Handys suchen, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind: Süd- und Südostasien beispielsweise, Lateinamerika oder Osteuropa.

In Pakistan und Bangladesh zum Beispiel, zwei der bevölkerungsreichsten Länder der Welt, gehört Transsion schon zu den grössten Smartphone-Verkäufern. Im 1,4-Milliarden-Menschen-Staat Indien fährt Transsion eine Offensive. Sie bietet zum Beispiel das günstigste 5G-Handy auf dem Markt an und hat Bollywood-Grössen für Marketingkampagnen eingespannt. Transsion konzentriert sich in Indien aber auf Regionen ausserhalb der Grossstädte, in der Annahme, dass die potenziellen Kunden dort weniger markenbewusst sind als in den Metropolen und so empfänglicher für einen neuen Anbieter.

In Afrika dagegen könnten Transsions Smartphones zunehmend Konkurrenz erhalten von den teureren Anbietern wie Xiaomi, Samsung oder sogar Apple. Die Zahl kaufkräftiger Afrikanerinnen und Afrikaner nimmt zu – und für diese die Notwendigkeit ab, beim Handykauf vor allem anderen auf den Preis zu schauen.

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