Mittwoch, Januar 8

Er baute die Partei um, führte straff und hatte Erfolg. Doch in der Europafrage ist die Mitte gespalten. Jemand muss die Partei zusammenhalten.

Gerhard Pfister, der Parteipräsident der Mitte, hat am Montag seinen Rücktritt bekanntgegeben. Nach neun Jahren gibt der 62-Jährige die Leitung seiner Partei ab. Pfister setzte in den vergangenen Jahren verschiedene Reformen durch. Er hatte die katholische CVP in die Mitte umbenannt und konnte dadurch eine jüngere, urbane Wählerschaft gewinnen.

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Er tat dies gegen selbstbewusste Widerständler aus den Stammlanden der Partei. Parallel trieb er die Fusion mit der BDP voran und bescherte der Mitte bei den vergangenen Wahlen erstmals seit 2007 leichte Zugewinne. Für kurze Zeit schien es sogar möglich, dass die Mitte die FDP überholen und ihren zweiten Bundesratssitz zurückerobern könnte.

In den vergangenen Jahren ist Pfister in einer Partei von Föderalisten zur zentralen Figur avanciert, zum selbstbewussten Dompteur.

Prägender Parteipräsident

Am Montag nahm Pfister am Dreikönigsgespräch seiner Partei teil. Eigentlich geht es an diesem Termin um einen Jahresrückblick und darum, erste Forderungen für das neue Jahr zu platzieren. Doch bald drehte sich alles um seinen Rücktritt. Er sagte, es sei der richtige Moment. Er habe immer gesagt, dass er sich nach der Phase der Transformation Gedanken über seinen Rücktritt machen werde.

Als Parteipräsident nahm Pfister in den vergangenen Jahren vermehrt sozialpolitische Themen auf und positionierte die Partei im Alleingang neu. Er gewann dadurch neue Wählerschichten für die Mitte. Allerdings opponierten selbstbewusste Ständeräte aus den Stammlanden immer wieder gegen diesen Kurs, stimmten gegen die eigene Fraktion im Nationalrat und konterkarierten damit Pfisters soziale Schlagseite.

Pfister sagte, die Transformation der Partei habe vielleicht eine straffe Führung gebraucht, doch jetzt sei mehr Partizipation und mehr Teilhabe möglich. Er sagte weiter: «Ich werde den Teufel tun und Namen für das Parteipräsidium vorschlagen.» Doch die Spekulationen über seine Nachfolge haben bereits begonnen. Jemand muss die Mitte nach Pfister zusammenhalten.

Philipp Matthias Bregy – der Mehrheitsbeschaffer

Zu den einflussreichsten Figuren der Mitte gehört der Walliser Nationalrat und Fraktionspräsident Philipp Matthias Bregy. Er ist bekannt dafür, Mehrheiten zu beschaffen und Kompromisse mit dem linken und dem rechten Lager im Parlament zu schmieden. Als langjähriger Weggefährte des selbstbewussten Mitte-Ständerats Beat Rieder verfügt Bregy zudem über gute Beziehungen zu jener Gruppe Ständeräte, die sich immer wieder gegen den sozialpolitischen Kurs von Pfister stellte.

Zudem ist Bregy ein Walliser, genau wie Bundesrätin Viola Amherd. Sollte sie zurücktreten, wäre die Wahrscheinlichkeit gering, dass wieder ein Walliser in die Regierung gewählt wird. Wahrscheinlicher ist, dass Bregy im Sommer das Parteipräsidium übernehmen wird. Bregy selbst schliesst eine Kandidatur zumindest nicht aus. Er sagte der NZZ: «Am Montag ist der erfolgreichste Parteipräsident zurückgetreten, alles andere hat Zeit.»

Isabelle Chassot – die PUK-Präsidentin

In den vergangenen Monaten stand Isabelle Chassot, die 59-jährige Freiburger Ständerätin, immer wieder in der Öffentlichkeit. Chassot präsidierte die Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) zum Niedergang der CS. Sie begann ihre Karriere, Jahre zuvor, als Mitarbeiterin der ehemaligen CVP-Bundesräte Arnold Koller und Ruth Metzler. Dann wurde sie Freiburger Staatsrätin und Präsidentin der Konferenz der Erziehungsdirektoren. 2021 eroberte sie den Ständeratssitz des abtretenden Christian Levrat (SP).

Für eine Kandidatur als Parteipräsidentin sprechen ihre Herkunft als Romande und ihr Geschlecht. Im EU-Dossier drängen die Mitte-Frauen und die Sektionen der Westschweizer Kantone auf eine Annäherung an Europa. Gegen eine Kandidatur spricht ihr Amt als Ständerätin. Die Mitte-Politiker der kleinen Kammer verstehen sich oftmals als inoffizielle Bundesräte und weniger als Parteikader.

Martin Candinas – der Rätoromane

Der 44-jährige Bündner Nationalrat Martin Candinas ist ein weiterer Kandidat für die Nachfolge von Gerhard Pfister. Candinas ist seit 2012 Mitglied der Parteileitung und hat die Transformationsphase unter Pfister miterlebt. Zudem ist er national bekannt. 2022/23 war er Nationalratspräsident.

Candinas wurde 2011 in den Nationalrat gewählt und hat seither viel Erfahrung in der grossen Kammer gesammelt. Zudem ist Candinas Rätoromane, was bei der föderalistisch geprägten Mitte-Partei auf Sympathien stossen könnte. Allerdings hat sich Candinas gegenüber Medien bereits selbst aus dem Spiel genommen. Möglicherweise spekuliert er auf die Nachfolge von Viola Amherd.

Nicole Barandun – die Städterin

Sollte die Mitte Gerhard Pfisters Kurs in der Sozialpolitik weiterführen wollen, wäre die Zürcher Nationalrätin Nicole Barandun eine mögliche Parteipräsidentin. Barandun ist in der Stadt Zürich aufgewachsen und steht damit für die neue Zielgruppe der Mitte-Partei: eine städtische Wählerschaft, die eine Annäherung an Europa und eine soziale Politik will. Gegen eine Kandidatur von Barandun spricht, dass sie erst 2023 in den Nationalrat gewählt wurde. Zudem dürfte sie in den konservativen Stammlanden wenige Unterstützer finden.

Stefan Müller-Altermatt – Der Christlichsoziale

Ein weiterer möglicher Kandidat für das Präsidium der Mitte ist der Solothurner Nationalrat Stefan Müller-Altermatt. 2011 wurde Müller-Altermatt in den Nationalrat gewählt. Er vertritt den christlichsozialen Flügel der Mitte. Allerdings könnte diese Prägung seine Chancen im konservativ-bürgerlichen Lager der Partei schmälern.

In den nächsten Tagen dürften die Spekulationen über die Nachfolge von Gerhard Pfister weitergehen. Ins Spiel gebracht hat sich etwa auch der langjährige Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause. Klar ist: Im Sommer will die Mitte eine neue Strategie für die nächsten Jahre präsentieren. Schon im Herbst beginnen die Vorbereitungen für die nächsten nationalen Wahlen im Jahr 2027 und die Positionierung im EU-Dossier. Der Nachfolger oder die Nachfolgerin von Gerhard Pfister wird einiges zu tun haben.

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