Ein Aktionspapier der SP-Fraktion bringt den Vorschlag der Clean Holding zurück in die Diskussion. Diese könnte das Kapitalproblem des Stammhauses entschärfen.
Wie kann sich die Schweiz vor der nächsten Bankenkrise schützen? Und wie können die Bundesbehörden vermeiden, erneut einer Grossbank zu Hilfe eilen zu müssen, wie das bei der UBS im Jahr 2008 und bei der untergegangenen Credit Suisse (CS) vor zwei Jahren passiert war?
Seit jenem 19. März 2023 wurden mehrere Vorschläge eingebracht; Massnahmen formulierten unter anderem der Bundesrat mit seinem Bericht zur Bankenstabilität im April 2024 oder die Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) im Dezember 2024. In diesem Frühjahr hat nun die SP einen weiteren Diskussionsbeitrag vorgelegt.
Der SP-Aktionsplan «Die Schweiz besser vor der nächsten Bankenkrise schützen» sei in vielen Punkten zu extrem, heisst es aus liberalen Kreisen. Aber er enthalte interessante Ideen, die sich Politiker und massgebende Behörden in diesen Wochen genau anschauten, ist zu hören. Mit Namen will sich niemand äussern.
Wie bei der CS gibt es auch Risiken für die UBS
Der Autor des Papiers, der frühere SP-Nationalrat Roger Nordmann, war Mitglied bei der PUK. Nach dem Erscheinen des Berichts habe er Handlungsschwerpunkte aus Sicht der SP formuliert, wie er ausführt. Als «Mutter aller Massnahmen» verlangt er die Gründung einer sogenannten Clean Holding.
Die UBS sei heute gleich wie die CS organisiert, sagt Nordmann. Dach des Konzerns sei die kotierte Holding, an welcher das Stammhaus, die Mutterbank UBS AG, angehängt sei. Jene habe eine Doppelrolle, zum einen sei sie als Bank international operativ tätig, zum anderen besitze sie als Subholding inländische und ausländische Tochtergesellschaften.
«Diese verschachtelte Struktur bereitete der CS grosse Probleme, das könnte auch der UBS passieren», sagt Nordmann. Käme es zu einem plötzlichen Wertverlust einer ausländischen Tochter, könnte die Eigenkapitalquote des Stammhauses unter das erforderliche Minimum sinken. Genau diese Situation habe bei der CS dazu geführt, dass sich die Bank letztlich nicht mehr aus eigener Kraft habe restrukturieren können.
Nordmann schlägt vor, dass sich die UBS neu in eine «reine Holding» (Clean Holding) und in «reine Tochtergesellschaften» organisiert. Die Holding besässe alle Töchter direkt und dürfte selbst weder Bankgeschäfte tätigen noch die Töchter mit Fremdkapital finanzieren. Auf dem Chart wäre das Stammhaus UBS AG auf der gleicher Ebene angesiedelt wie die Tochtergesellschaften und die weiteren Bankaktivitäten, die neu ebenfalls als Tochterbank organisiert wären.
Jede Tochterbank müsste stets genügend Kapital und Liquidität aufweisen und so organisiert sein, dass sie im Notfall selbständig funktionieren könnte. «Eine solche Organisationsstruktur wäre transparenter und sicherer. Keine Tochter könnte mehr die Holding oder weitere Schuldner in den Abgrund ziehen», sagt Nordmann.
Neu ist die Diskussion um eine Clean Holding nicht. Jüngst erörtert wurde sie vom Bundesrat, im Bericht erteilte er ihr aber eine klare Absage. Zwar reduzierte eine Umstellung auf eine solche Struktur die organisatorische Komplexität deutlich und stellte mehr Transparenz bezüglich Kapital und Liquidität her, hiess es. Doch das wäre mit sehr hohen Kosten und einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit für die UBS verbunden.
Corinne Zellweger-Gutknecht, Professorin für Privatrecht und Wirtschaftsrecht in Basel, erinnert daran, dass es inzwischen international üblich sei, Grossbanken gewisse Vorgaben zu ihrer Struktur zu machen. Global systemrelevante amerikanische Banken müssten sich heute auf Konzernebene als Clean Holding organisieren, ebenso müssten grosse ausländische Bankniederlassungen in Grossbritannien und in den USA gewisse Clean-Holding-Anforderungen beachten.
Mögliche Anpassungen in der Konzernstruktur müssten aber mit anderen Massnahmen abgestimmt werden, sagt sie. «Heute finanziert das Stammhaus seine ausländischen Töchter nur teilweise mit Eigenkapital. Verlieren die Töchter an Wert oder ist der Wert rein faktisch nicht mehr greifbar, weil ausländische Behörden in der Krise ein Ringfencing aufziehen, sprich die Übertragbarkeit von Kapital und Liquidität einschränken, dann drohen dem Stammhaus akute Schwierigkeiten – gerade wegen seiner Doppelrolle als Holding der Töchter und als operative Bank für eigene Kunden», sagt die Professorin.
Sie erinnert an den Sommer 2022. Damals hätten asiatische Kunden wegen der erheblichen Abschreibungen auf ausländischen Beteiligungen die mangelnde Kapitalisierung der operativen CS AG, die diese Kunden direkt betreut habe, erkannt. Jene hätten dann begonnen, Gelder in Milliardenhöhe abzuziehen.
«Auch bei der UBS ist der Grossteil des operativen Bankgeschäfts beim Stammhaus UBS AG angehängt», sagt Zellweger-Gutknecht und führt aus, dass die Doppelrolle als Unternehmen und Bank ein ähnliches Risiko berge wie bei der früheren CS, solange die ausländischen Beteiligungen nur teilweise mit Eigenkapital finanziert seien.
Besonders kritisch: Die zentrale Treasury-Funktion
Wäre die UBS AG nicht mehr als operative Bank tätig, reduzierte das die Risiken, sagt die Bankenexpertin. Allerdings hätten auch die Mutterbanken von amerikanischen Banken wie JP Morgan Chase, Citigroup und Goldman Sachs eine solche Doppelfunktion inne. Doch müssten für einen direkten Vergleich mit der UBS weitere Faktoren geklärt werden, so ob es in den amerikanischen Stammhäusern Schranken beim zentralen Treasury gebe, so die Professorin.
Genau diese Treasury-Funktion müsse unbedingt weiterhin zentral aus dem Stammhaus geführt werden, sagen mehrere Befragte. Gerade in der Krise müssten Finanzressourcen so schnell wie möglich von einem Ort an den anderen geschoben werden. Die Treasury-Abteilung ist quasi das Herz einer Bank und umfasst das Liquiditätsmanagement der finanziellen Mittel in einer Bankorganisation. Eine Fragmentierung der Organisation würde das Liquiditätsmanagement innerhalb der Gruppe massiv beschränken, zu diesem Schluss kam auch der Bericht zur Bankenstabilität.
Die UBS nimmt keine Stellung. Ein erfahrener Bankenexperte betont, dass es weltweit keine global systemrelevante Grossbank gebe, die sich derart streng organisiert habe, wie es die SP fordere. Auch sei die UBS Group ganz oben ja als Clean Holding aufgestellt, die auf der Passivseite nur Eigenkapital, AT1-Instrumente und Bail-in-Bonds halte, so der Experte.
Er betont, dass eine so global aufgestellte Bank wie die UBS nicht mit einer derart fragmentierten rechtlichen Aufstellung geführt werden könne, wie das in anderen Organisationen mit lauter eigenständigen Tochterbanken wie bei Santander oder der HSBC der Fall wäre.
Allerdings fehlen bis jetzt genaue Zahlen und Szenarien dazu, wie sich eine Beschränkung des zentralen Liquiditätsmanagements auf einen Bankkonzern auswirken würde. Dennoch habe etwa HSBC ihre Struktur jüngst massiv vereinfacht, sagt Zellweger-Gutknecht. Sie würde es begrüssen, wenn neben Massnahmen auf der Kapitalebene eine Ergänzung auf der organisatorischen Ebene betreffend «sauberes Stammhaus» ergebnisoffen geprüft würde.