Pro 350 Einwohner könnte in Stammheim eine 220 Meter hohe Windturbine aufgestellt werden.

In den revidierten Zürcher Windkraftplänen kommt dem Nordosten des Kantons eine ganz besondere Bedeutung zu. Dort, an der Grenze zum Kanton Thurgau, befindet sich die Mehrzahl der Gebiete, die für den Bau von Windturbinen infrage kommen.

Besonders im Fokus liegt dabei die 3000-Seelen-Gemeinde Stammheim. Auf ihrem Hausberg, dem Stammerberg, verorten die Fachleute Potenzial für 8 Grosswindanlagen von 220 Metern Höhe.

Dass auf dem gut 600 Meter hohen Stammerberg überhaupt ein Windpark erstellt werden kann, ist nicht selbstverständlich. Er liegt in einer Gegend, die im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler erfasst ist. In solchen BLN-Gebieten gelten besonders strenge Richtlinien für Bauprojekte.

In der Abwägung zwischen dem Schutz dieser Landschaft und dem Windkraftpotenzial des Stammerbergs überwiegt nach Ansicht der kantonalen Fachleute das Interesse am Ausbau der Energieversorgung. Die betroffene Gemeinde sieht dies kritisch. Simon Bachmann (GLP), Gemeinderat von Stammheim, nimmt dazu Stellung.

Herr Bachmann, der Stammerberg ist ein Schwerpunkt der Zürcher Windkraftpläne. 8 Anlagen könnten bei Ihnen gebaut werden, sagt der Regierungsrat. Ihre Gemeinde ist über diesen Entscheid enttäuscht. Warum?

Der Regierungsrat hat in seiner Bewertung der Standorte jeweils Schutzinteressen und Nutzungsinteressen gegeneinander abgewogen. Obwohl der Stammerberg bei den Schutzinteressen auf einen sehr hohen Wert kommt, ist die Kantonsregierung zur Ansicht gelangt, dass das Interesse an einer Nutzung der Windkraft höher zu gewichten sei.

Dem Regierungsrat geht es letztlich nicht nur um einzelne Standorte, sondern um das Gesamtpaket: Die Windkraft soll für den Kanton eine tragende Rolle spielen. Sie sei für die Versorgungssicherheit gerade im Winter sehr wichtig. Müssen Sie da als Gemeinde nicht einfach in den sauren Apfel beissen und Ihren Beitrag leisten?

Einen Beitrag leisten müssen alle. Die Frage der Versorgungssicherheit darf aber nicht dazu führen, dass die Schutzinteressen gar nicht mehr überwiegen dürfen. Wir hatten schon vor einem Jahr das Bewertungsraster des Kantons angewendet und kamen dabei zum Schluss, dass beim Stammerberg der Schutz höher gewichtet werden müsse als der Ausbau der Windkraft. Doch nun ist es anders.

Es gibt Zürcher Gemeinden, in denen sich der Widerstand gegen die Windkraft schon länger formiert hat. Gab es bei Ihnen auch Anläufe, um kommunale Regeln, etwa Mindestabstände, einzuführen?

Das war bei uns bisher politisch kein Thema, weil beim Projekt auf dem Stammerberg die Abstände zu bewohntem Gebiet in weiten Teilen mehr als 1000 Meter betragen.

Und wie ist generell die Stimmung in der Bevölkerung? Gibt es Widerstände gegen die Windkraft?

Wir kennen die Haltung der Bevölkerung noch nicht sehr gut. Es gab bis jetzt nur zwei gutbesuchte Informationsveranstaltungen von Windkraftgegnern und -befürwortern. Ich gehe aber davon aus, dass die Diskussion über die Windkraft nun auch in unserer Gemeinde Fahrt aufnehmen wird.

Der Regierungsrat sagt klar, dass Gemeinden bei Windanlagen rechtlich final nichts zu sagen hätten. Das entscheide der Kanton.

Uns ist wichtig, dass die Bevölkerung in den Entscheid einbezogen werden muss. Wenn die Einwohner einer Gemeinde den Ausbau mehrheitlich ablehnen, dann wird es aus unserer Sicht schwierig, zu akzeptieren, dass über die Köpfe hinweg entschieden wird.

Ganz ohne Mitspracherechte stehen die Gemeinden nicht da. Sie können den Rechtsweg beschreiten, ausserdem läuft eine Vernehmlassung. Reicht Ihnen diese Mitbestimmung?

Der Kanton plant auch Informationsveranstaltungen. Es gibt also durchaus einen Dialog, und das begrüssen wir. Ob es richtig ist, wenn die Entscheide am Schluss allein vom Kanton gefällt werden, müssen der Kantonsrat und allenfalls die Bevölkerung entscheiden.

Die Windkraft könnte auch eine Chance sein. Im Raum stehen finanzielle Abgeltungen oder Beteiligungen. Die Gemeinde könnte also durchaus profitieren.

Das kann sein, zu diesem Punkt sind aus unserer Sicht aber derzeit noch zu viele Fragen offen, um ein Urteil zu fällen.

In Ihrer Nachbargemeinde Ossingen ist ein Standort gestrichen worden, weil die Anlagen eine geschützte Landschaft beeinträchtigen könnten. Stammheim liegt in der genau gleichen Landschaft, dort sind Windanlagen aber erlaubt. Fühlen Sie sich ungleich behandelt?

Nein. Wir sehen zum heutigen Zeitpunkt keine Anzeichen für die Anwendung von verschiedenen Massstäben. Aber wir werden in unserer vertieften Analyse sicher auch die Bewertungen anderer Gemeinden unter die Lupe nehmen.

Gemeinderat und Rechtsanwalt

Simon Bachmann (*1979, GLP) ist im Gemeinderat von Stammheim für das Ressort Bau und Planung zuständig. Er ist Partner in einer Winterthurer Anwaltskanzlei mit Schwerpunkt Bau- und Immobilienrecht.

Bis nur schon die rechtlichen Grundlagen für die Windparks vorliegen, wird es noch einige Jahre gehen. Gehen Sie davon aus, dass die Windanlagen dereinst überhaupt gebaut werden, oder werden sie nie mehr sein als Einträge im Richtplan?

Ich kann nur für Stammheim sprechen. Hier werden wir es abschätzen können, wie es weitergeht, sobald erkennbar ist, wie unsere Bevölkerung zu den Plänen steht. Für diese Überlegungen nicht unerheblich ist, dass die Gemeinde einen guten Teil der Grundstücke besitzt, auf denen die Windräder gebaut werden sollen.

Und gegen den Willen des Grundeigentümers dürfte der Kanton wohl keine Anlagen erstellen. Wie geht es in Ihrer Gemeinde nun kurz- und mittelfristig weiter?

Im Vordergrund steht jetzt der Austausch mit unseren Einwohnern. Es wird Informationsveranstaltungen geben, auch der Kanton plant im Weinland einen Anlass für die lokale Bevölkerung. Wir stehen vor einem langen Prozess, es wird auf mehreren politischen Ebenen noch viel über die Windkraft diskutiert werden.

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