Dienstag, März 18

Wie wird man erfolgreich? Was sind die Schattenseiten des Reichtums? Vier junge reiche Personen geben Antwort. Und merken an, dass Rankings auch irreführend sein können.

Spieglein, Spieglein an der Wand, wer sind die Reichsten im ganzen Land? Diese Frage stellt die «Bilanz» jedes Jahr aufs Neue und öffnet damit die normalerweise fest verschlossenen Türen der Schweizer Wirtschaftsprominenz einen Spalt weit. Und die Leser schauen gierig hinein. Die Ausgabe «die 300 Reichsten» ist jeweils die mit grossem Abstand meistverkaufte des Jahres für das Wirtschaftsmagazin.

Diese Woche wurde eine abgewandelte Version publiziert: Die «100 Reichsten unter 40». Es sind 100 Personen, die schon in jungen Jahren sehr erfolgreich gewesen sind. Darunter befinden sich Unternehmer, Stars wie Marco Odermatt oder Roman Josi und Erben, wobei Letztere klar am meisten Geld auf sich vereinen.

Marc Lemann, 32, Sohn von Investor Jorge Lemann, liegt demnach mit geschätzten 3 bis 3,5 Milliarden Franken an der Spitze des Rankings. Alexander de Carvalho, 39, mit 2,5 bis 3 Milliarden Franken folgt auf Rang zwei. De Carvalho hat eine Venture-Capital-Firma gegründet, tritt als Investor auf und sitzt in mehreren Verwaltungsräten. Doch woher sein Geld kommt, verrät der Mädchenname seiner Mutter Charlene de Carvalho-Heineken. Alexanders Grossvater Alfred Heineken machte die niederländische Biermarke zum Weltkonzern.

Solche Aufzählungen sind einfach verdaulich und für ein breites Publikum von Interesse. Die Fakten der Listen sind seriös recherchiert, aber stets mit einem grossen Disclaimer versehen: Bei den Erben habe man nur ausgewählt, wer dies nicht hauptberuflich mache, sondern selber unternehmerisch tätig sei, steht auf der Webseite der «Bilanz». Bei der Ermittlung des Vermögens wurde dann aber trotzdem der zu erwartende Erbteil eingesetzt, «da dieser in der Regel deutlich höher ist als die Werte ihrer Jungunternehmen.» Einen solchen Erbteil zu beziffern, ohne die genauen Vermögenswerte der Familie zu kennen, ist allerdings eine Rechnung mit vielen Unbekannten.

«Der Reichtum existiert hauptsächlich auf dem Papier»

Noch komplizierter war es offenbar, die Vermögenswerte derer zu evaluieren, die ganz ohne Startvorteile vor dem 40. Lebensjahr eigene Firmen aufgebaut haben. «Gerade bei den Jungunternehmern sind die Vermögensangaben wie jedes Jahr mit einer gehörigen Portion Vorsicht zu geniessen», schreibt die «Bilanz». Ein Problem: Die meisten der Unternehmer haben Start-Ups aufgebaut, die nicht börsenkotiert sind, oft nicht einmal Zahlen offenlegen. Solange die Firmen nicht verkauft werden, sind es reine Papierwerte.

Nicholas Hänny, 32, Co-Gründer und CEO von Nikin, sagt auf Anfrage der NZZ: «Es ist wichtig zu betonen, dass diese Werte theoretischer Natur sind und nicht den tatsächlichen Stand auf meinem privaten Konto widerspiegeln.» Hänny hat das Modelabel Nikin gegründet, das sich von der Konkurrenz abheben will, indem es für jedes verkaufte Produkt einen Baum pflanzt. Die «Bilanz» schätzt sein Vermögen auf 10 bis 20 Millionen Franken. «Dieser Reichtum existiert hauptsächlich auf dem Papier und basiert auf einer theoretischen Firmenbewertung. Privat sieht es ganz anders aus.» Zwar könne es schön sein, auf einer solchen Liste zu stehen, andererseits sei es auch schädlich, da die Allgemeinheit oft nicht verstehe, dass diese Werte nicht auf dem eigenen Konto seien, sagt Hänny. «Es entsteht der Eindruck, man hätte sich bereichert, was nicht der Fall ist.» Alles, was das Unternehmen erwirtschafte, würde direkt zurück in die Firma fliessen.

Eine der wenigen Frauen auf der Liste ist Pregnolia-Gründerin und CEO Sabrina Badir, 38. Die Biomechanikerin wird mit einem geschätzten Vermögen von 10 bis 20 Millionen Franken aufgeführt. Dafür verantwortlich ist ein von ihr entwickeltes Messgerät zur Erkennung der Gefahr einer Frühgeburt. Badir sagt, die Liste sei insofern akkurat, als dass sie unter 40 Jahre alt sei und bisher 12,2 Millionen Franken Risikokapital mobilisieren konnte. «Allerdings muss ich hier relativieren: Diese Millionen liegen nicht auf meinem persönlichen Konto.»

Badir möchte ein Vorbild für Mädchen und Frauen sein und aufzeigen, «dass für uns Frauen alles möglich und ist es sehr erfüllend sein kann, ein eigenes Unternehmen zu gründen». Sie rät potenziellen Nachahmerinnen zu offener Kommunikation, einer Kultur der Wertschätzung und Ehrlichkeit. Darüber hinaus brauche es aber auch die Fähigkeit, Eigeninitiative zu ergreifen, um das eigene Potenzial voll auszuschöpfen.

Schattenseiten des Erfolgs

Der jüngste auf der Liste ist wie im Vorjahr Richard Schäli, 17. Schälis Talent für Finanzgeschäfte fiel früh auf, er wird von Jorge Lemann unterstützt, betreibt mittlerweile eine eigene Vermögensverwaltungsfirma und hat zuletzt mit «moneyhaxx.ch» eine Plattform gegründet, die junge Menschen über Finanzfragen aufklären will. Schäli sagt der NZZ, die Schätzung seines Vermögens von 2 bis 5 Millionen Franken durch die «Bilanz» sei «überhöht», aber «ihm gehe es gut».

Diese Einschätzung dürfte wohl auf die meisten der Unternehmer zutreffen. Schäli mahnt allerdings an, es habe keineswegs nur Vorteile, in jungen Jahren reich zu sein. Bei Gleichaltrigen würden dadurch falsche Vorstellungen geweckt. Dafür helfe ihm das Geld, Zeit zu sparen, da Geld Prozesse beschleunige. Zudem öffne es Chancen, bei ihm konkret das Studium an einem (teuren) amerikanischen College.

Ähnlich klingt es bei Manuel Baumann, 38, Co-Gründer und CTO von Oviva. Das Unternehmen bietet eine App-gestützte Beratung zur Gewichtsabnahme an und könnte laut «Bilanz» bald mehr als eine Milliarde Dollar wert sein. Baumann findet, persönlicher Reichtum sei stets relativ. Er habe zwar die Möglichkeit gehabt, «eines der fortschrittlichsten Healthcare-Unternehmen in Europa mit aufzubauen». Dafür habe er aber weniger Zeit mit der Familie und lange Arbeitstage in Kauf nehmen müssen, was aber mit gutem Zeitmanagement machbar sei.

Das Vermögen von Baumann wird von der «Bilanz» auf 150 bis 200 Millionen Franken geschätzt. Dieser sagt: «Ich fühle mich natürlich sehr geschmeichelt, in das Ranking aufgenommen worden zu sein. Allerdings beruhen die Bilanzen eher auf dem Marktwert von Ovivia.»

Statt sich auf konkrete Zahlen zu fokussieren empfiehlt Baumann potenziellen Unternehmern Durchhaltewillen. «Denn Unternehmertum bedeutet nicht nur, ein spannendes Projekt nach dem anderen anzugehen, sondern auch, lange Durststrecken und frustrierende Ereignisse durchzustehen.» Um diese Resilienz zu entwickeln, brauche es eine Begeisterung für das tägliche Tun und den Glauben in die eigenen Fähigkeiten. Zudem, was viele vergessen würden: Es gehe oft darum, überhaupt einmal anzufangen. «Häufig werden die besten Ideen nie zum Leben erweckt, weil man glaubt, sie seien noch nicht zu Ende gedacht.»

Richard Schäli hat sehr ähnliche Vorstellungen eines erfolgreichen Unternehmers: «Wer erfolgreich werden möchte, soll etwas finden, in dem er gut ist, und darauf seinen Fokus legen». Danach müsse man beharrlich bleiben, stets integer sein und aus Fehlern lernen. Vor allem aber müsse man sich mit «High-Quality-Menschen» umgeben, wie er es ausdrückt, ohne es zu spezifizieren. Risiken eingehen sei zudem nötig, allerdings sollte man nie alles auf eine Karte setzen.

Nicholas Hänny von Nikin hat laut eigener Aussage seinen bisher besten Tipp für erfolgreiches Unternehmertum erst kürzlich vom Schweizer Unternehmer Alan Frei gehört: «Man sollte ein Problem lösen, das einem selbst enorm wichtig ist.» Nur so könne man die jahrelange Faszination und Energie aufbringen, die für den Aufbau eines eigenen Unternehmens notwendig seien.

Wenn man das geschafft hat, wird man irgendwann vielleicht auch auf irgendwelchen Listen landen, die mal mehr, mal weniger akkurat sind. Das ist dann allerdings alles eher sekundär.

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